Informationen und Meinungen zur Kreispolitik im HSK

Putenmast = Tierquälerei, Gesundheits- und Umweltbelastung?

By adminRL at 6:32 pm on Tuesday, August 26, 2014

Appetitlich ist anders
Seitdem bekannt ist, dass im Dörfchen Schederberge bei Meschede ein neuer, großer Putenmastbetrieb entstehen soll, ist das Thema „Massentierhaltung“ im Sauerland sehr präsent. Wer sich dann ein wenig in dieses Thema vertieft, dem vergeht womöglich der Appetit auf Geflügel!? Wen wundert`s? Denn jeder Internet-User findet auf Anhieb zig Berichte über mit Antibiotika vollgepumptes Putenfleisch. MRSA-Keime im Geflügel sind offenbar auch keine Seltenheit.

Lebenswertes Leben ist ganz anders
Ganz Schlimmes liest man über die Lebensbedingungen der Mastvögel. Den Küken werden kurz nach dem Schlüpfen die Schnäbel gekürzt werden. Danach leben sie auf engstem Raum zusammengepfercht, so dass sie sich kaum bewegen können. Ihr einziger Lebenszweck ist ja zu fressen, um ganz schnell fett und schlachtreif zu werden. Ein so dichtes Zusammenleben mit Artgenossen mögen auch Vögel nicht. Unter diesen Bedingungen werden sie leicht krank und mitunter auch so aggressiv, dass sie sich gegenseitig tothacken.

Alles andere als umweltfreundlich
Ein anderer Aspekt der massenhaften Tierproduktion ist die Umweltbelastung. Was geschieht mit den Tier-Exkrementen und mit den Antibiotika-Rückständen?
Gerade was den Antibiotika-Einsatz betrifft, liegt sicher auch oder gerade bei der Putenmast einiges im Argen.

Mit offenen Karten spielen ist vielleicht nicht wirklich gewollt
Einen von vielen Hinweisen auf die unbefriedigende Lage finden wir in einer Veröffentlichung des NRW-Verbraucherministeriums. Minister Johannes Remmel kritisierte im Juni 2013 den Versuch der Unternehmen und Verbänden der Geflügelindustrie, die aktuelle fachaufsichtliche Überprüfung des Einsatzes von Antibiotika in der Putenmast mit rechtlichen Mittel zu verhindern. Um deutlich zu machen wie die Situation ist, zitieren wir hier den Minister:
„Das Vorgehen des Verbandes der deutschen Putenerzeuger sowie einiger Putenerzeugergemeinschaften gegen das Land und die Kommunen zeigt ganz klar, dass sie nicht an Transparenz interessiert sind.“
Der Anlass seines Ärgers war eine vom Graf von Westphalen im Auftrag einiger Putenerzeugergemeinschaften ausgesprochene Warnung an die Kommunen in NRW, sich an der vom Landesumweltamt (LANUV) durchgeführten fachaufsichtlichen Überprüfung zu beteiligen. In dem 4 Seiten umfassenden Schreiben forderte die Kanzlei die Kommunen auf, bis zum 14. Juni eine Erklärung zu unterschreiben, bestimmte Daten nicht an das LANUV weiterzureichen.

Wer mehr darüber wissen möchte, hier der entsprechende Link:
http://www.umwelt.nrw.de/ministerium/service_kontakt/archiv/presse2013/presse130624_a.php

Wenn man das dann weiß wird einem vielleicht einiges klar!

Und als ob es noch nicht genug Unerfreuliches gäbe, hier die Fragen der Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) und die Antworten der Kreisverwaltung zum neuen Putenmastbetrieb in Meschede-Schederberge.

PS: Hinweise, Kenntnisse, Erkenntnisse und Diskussionsbeiträge sind ausdrücklich erwünscht!

Fragen der SBL/FW und Antworten des HSK zur Putenmast

Punkt 1 – Massentierhaltung

Frage a) Halten Sie Massentierhaltung, so wie sie z.B. in dem bereits bestehenden Betrieb in Meschede-Horbach seit Jahren praktiziert wird, für eine geeignete, artgerechte und nicht tierquälerische Form der Tierhaltung?
Antwort zu a) Diese Frage kann nicht beantwortet werden, da es nicht Aufgabe der Kreisverwaltung ist, politische Statements abzugeben.

Frage b) Wie stellt der Hochsauerlandkreis sicher, dass Tieren in Massentierhaltung, wie z.B. den Puten in Horbach, ein artgerechtes, schmerz- und leidensfreies Leben gewährleistet wird (dazu gehört z.B., dass die Vögel nicht permanent im Hellen gehalten werden) und, dass die Schlachtung für die Tiere möglichst angst- und schmerzfrei verläuft?
Antwort zu b) Die Ställe, die in Horbach zur Putenmast genutzt werden, genügen den tierschutzrechtlichen Bestimmungen.
Die Schlachtung der Puten erfolgt in einem außerhalb des Hochsauerlandkreises angesiedelten Schlachtbetrieb, wo sie durch amtliches Personal überwacht wird.

Frage c) Bekanntlich bietet die Massentierhaltung vielfache Verbreitungsmöglichkeiten für diverse Arten von Krankheitserregern, die auch auf Menschen übertragbar sind. Durch welche Maßnahmen trifft der HSK diesbezüglich Vorsorge?
Antwort zu c) Der Tierhalter ist verpflichtet, vor jeder Ausstallung Proben auf z. B. Salmonellen untersuchen zu lassen.

Frage d) Wie groß sind die Mengen Antibiotika und anderer wachstumsfördernden Pharma-Produkte (wie Hormonpräparaten), die im Mastbetrieb in Meschede-Horbach seit 2012 bis heute eingesetzt wurden?
Antwort d) Diese Fragen (d und e) können nicht beantwortet werden.
Die Menge der angewendeten Arznei- sowie die Art der eingesetzten Futtermittel werden im Rahmen der Kontrollen der Putenmastbetriebe im Hochsauerlandkreis nicht detailliert erfasst. Diese Daten müssten daher nacherfasst werden, was mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre.

Frage e) Welche Futtermittel werden den Puten in Meschede-Horbach verabreicht? Steht auf dem „Speiseplan“ auch Futter aus „recycelten“ Tierkörpern?
Antwort e) Diese Fragen (d und e) können nicht beantwortet werden.
Die Menge der angewendeten Arznei- sowie die Art der eingesetzten Futtermittel werden im Rahmen der Kontrollen der Putenmastbetriebe im Hochsauerlandkreis nicht detailliert erfasst. Diese Daten müssten daher nacherfasst werden, was mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre.

Frage f) Wie groß war in den Jahren 2012 bis heute im oben genannten Mastbetrieb die Mortalität der Tiere durch Verletzungen und Krankheiten (Anzahl der verendeten Tiere)? Wie viele Tötungen erfolgten aufgrund von Verletzungen und Krankheiten? Wo und wie werden die Kadaver entsorgt?
Antwort f) Die ersten beiden Teilfragen können nicht beantwortet werden.
Mortalität und Anzahl der getöteten Tiere werden im Rahmen der Kontrollen der Putenmastbetriebe im Hochsauerlandkreis nicht detailliert erfasst. Diese Daten müssten daher nacherfasst werden, was mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre.
Die im Laufe der jeweiligen Mastperiode anfallenden Tierkadaver werden in der zuständigen Tierkörperbeseitigungsanstalt ordnungsgemäß entsorgt.

Punkt 2 – Kontrollen

Frage a) Wie häufig, zu welchem Zwecke, mit welcher Intensität und durch wen erfolgten im Zeitraum von 2012 bis heute Kontrollen in Geflügelmastbetrieben? Wann und wo und mit welchen Ergebnissen wurden die Überprüfungen durchgeführt (z.B. beim Putenmastbetrieb in Meschede-Horbach)?
Antwort a) Die Geflügelmastbetriebe im Hochsauerlandkreis werden durch die Tierärzte des FD 36 regelmäßig anlässlich der Ausstallung zur Schlachtung kontrolliert. Das bedeutet, dass Putenmastbetriebe etwa vierteljährlich, Hähnchenmastbetriebe etwa alle 6 – 8 Wochen amtlich überprüft werden. Dabei werden neben der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Mindestanforderungen auch die Gesundheit der Tiere sowie der Einsatz von Arzneimitteln beurteilt. Außerdem werden in den Geflügelmastbetrieben des Hochsauerlandkreises im Rahmen des Nationalen Rückstandskontrollplanes regelmäßig Proben von Tränkwasser und Geflügelfleisch auf evtl. vorhandene Rückstände von Arzneimitteln untersucht.

Frage b) Wie oft kam es in dieser Zeit zu Beanstandungen seitens des Kreisveterinäramtes oder anderer Kontrollinstanzen?
Antwort b) Zu den Fragen b) und c) Beanstandungen wurden bei den in der Antwort zu Frage a) dargelegten Kontrollkriterien nicht festgestellt.

Frage c) Welche Mängel wurden im Einzelnen festgestellt (z.B. beim Putenmastbetrieb in Meschede-Horbach)?
Antwort c) Zu den Fragen b) und c) Beanstandungen wurden bei den in der Antwort zu Frage a) dargelegten Kontrollkriterien nicht festgestellt.

Frage d) Wie werden Kontrollen und Mängel dokumentiert und wie lange, wo und für wen sind diese Dokumente einsehbar?
Antwort d) Als Ergebnis einer beanstandungsfreien Kontrolle wird eine Gesundheitsbescheinigung für die Verbringung der Tiere zur Schlachtung ausgestellt. Diese Bescheinigungen werden im FD 36 für die Dauer von 5 Jahren archiviert.

Punkt 3 – Auswirkungen auf Landwirtschaft, Umwelt und Wasser

Frage a) Trifft es zu, dass im näheren und weiteren Umfeld des bestehenden wie des geplanten Putenmastbetriebs im Stadtgebiet Meschede von dem Betreiber der Mastanlage(n) landwirtschaftliche Flächen aufgekauft oder gepachtet werden, um dort Mais für die Geflügelmast anzubauen?
Antwort a) Zu den Fragen a) bis c) und e) Die Fragen zu Maisanbauflächen und Düngung (Umsetzung der Düngeverordnung) der landwirtschaftlichen Flächen (Fragen 3 a — c und e) können von der Unteren Wasserbehörde nicht beantwortet werden. Hier ist die Zuständigkeit der Landwirtschaftskammer in Meschede gegeben.

Frage b) Wenn ja, wie groß sind die Maisanbauflächen für die Putenmast im Stadtgebiet Meschede? In welchen Ortschaften befinden sich größere Maismonokulturen ?
Antwort b) Zu den Fragen a) bis c) und e) Die Fragen zu Maisanbauflächen und Düngung (Umsetzung der Düngeverordnung) der landwirtschaftlichen Flächen (Fragen 3 a — c und e) können von der Unteren Wasserbehörde nicht beantwortet werden. Hier ist die Zuständigkeit der Landwirtschaftskammer in Meschede gegeben.

Frage c) Trifft es zu, dass diese Maisflächen mit Gülle aus der Putenmast und/oder den restlichen Substraten aus den Biogasanlagen des Geflügelmästers „gedüngt“ werden? Welche Güllemengen fielen 2012, 2013 und 2014 bis heute im Putenmastbetrieb in Horbach an?
Was geschieht mit der überschüssigen Gülle?
Antwort c) Zu den Fragen a) bis c) und e) Die Fragen zu Maisanbauflächen und Düngung (Umsetzung der Düngeverordnung) der landwirtschaftlichen Flächen (Fragen 3 a — c und e) können von der Unteren Wasserbehörde nicht beantwortet werden. Hier ist die Zuständigkeit der Landwirtschaftskammer in Meschede gegeben.

Frage d) Wurde und wird durch z.B. den HSK überprüft, dass die mit Gülle beaufschlagten Flächen im Stadtgebiet Meschede Fluss-, Grund- und Trinkwasser beeinträchtigen oder gibt es Hinweise darauf? Liegt der fragliche Bereich im Einzugsgebiet von Trinkwassergewinnungsanlagen? Wenn ja, von welchen?
Antwort d) In jedem landwirtschaftlichen Baugenehmigungsverfahren, so auch bei Herrn Heinemann, prüft die UWB neben der Einhaltung der JGS-Anlagenverordnung und dem technischen Regelwerk zunächst, ob dem landwirtschaftlichen Betrieb ausreichend Lagerkapazität für Gülle, Jauche und Festmist (Güllelagernachweis) zur Verfügung steht.
Weiter wird geprüft, welche Flächen der Landwirt bewirtschaftet. Hier müssen den Antragsunterlagen ein Flächenverzeichnis und Kartenmaterial der landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsflächen beiliegen. Die Flächen werden auf ihre Lage in Wasserschutz- und Trinkwassereinzugsgebieten überprüft. Werden Flächen in Wasserschutzgebieten bewirtschaftet müssen die Genehmigungs- und Verbotstatbestände der Wasserschutzgebietsverordnung beachtet werden.
Sollte ein Ausbringen von Gülle, Jauche, Festmist nur unter Auflagen erlaubt bzw. verboten sein, wird das aufgrund der Stellungnahme der UWB durch entsprechende Nebenbestimmungen in die Baugenehmigung aufgenommen. Der Putenmist aus Schederberge wird nach den Angaben in den Bauantragsunterlagen in die Biogasanlage von Herrn Heinemann verbracht, dort verwertet, gelagert und dann zur landwirtschaftlichen Düngung ausgebracht.
Das aktuelle Flächenverzeichnis des Betriebes vom 13.08.2014 liegt der UWB vor. Herr Heinemann bewirtschaftet rund 110 ha. Davon liegen rund 18,8 ha im Wasserschutzgebiet „Stockhausen”, Schutzzone III B. Gemäß der Wasserschutzgebietsverordnung ist das Ausbringen von Nährstoffträgern wie Gülle, Jauche und Stallmist erlaubt, wenn die Düngung auf der Grundlage eines Düngeplans erfolgt, der alle Nährstoffeinträge berücksichtigt und auch die den wasserwirtschaftlichen Belangen angepassten Empfehlungen der Beratung durch die Landwirtschaftskammer entspricht. Der Düngeplan wird vom Betrieb Heinemann angefordert.

Frage e) Wie, wie oft, durch wen und mit welchen Ergebnissen wurde und wird der Nitratgehalt der mit Gülle und/oder den Rückständen aus Biogasanlagen „gedüngten“ landwirtschaftlichen Flächen überprüft?
Antwort e) Zu den Fragen a) bis c) und e) Die Fragen zu Maisanbauflächen und Düngung (Umsetzung der Düngeverordnung) der landwirtschaftlichen Flächen (Fragen 3 a — c und e) können von der Unteren Wasserbehörde nicht beantwortet werden. Hier ist die Zuständigkeit der Landwirtschaftskammer in Meschede gegeben.

Frage f) Wie schätzen Sie die Auswirkungen der bestehenden und der geplanten Putenmastanlage auf die umliegenden Naturschutz- und Naherholungsgebiete ein?
Antwort f) Das Naturschutzrecht bietet keine Möglichkeiten, in die Umnutzung bestandsgeschützter Gebäude in einer Ortslage einzugreifen, wenn die nach anderen einschlägigen Normen rechtskonform ist. Insofern sind damit — sofern sie tatsächlich stattfinden — weder Veränderungen im Naherholungsverhalten der Bevölkerung beeinflussbar, noch kann darüber Einfluss auf einen — wahrscheinlich in dieser windhöffigen Lage kaum messbaren, erst recht in seinen ökologischen Auswirkungen nicht quantifizierbaren — zusätzlichen Nährstoffeintrag aus der Luft genommen werden. Die sog. „critical loads”, die die Stickstoffbelastung bestimmter Biotoptypen begrenzen sollen, sind ggf. in Verfahren nach dem BlmSchG zu berücksichtigen.

Punkt 4 – Beeinträchtigung der Bevölkerung

Frage a) Welche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung schreibt der Gesetzgeber für den Bau eines Putenmastbetriebs vor? Welche Vorsorge muss z.B. gegen die zu erwartende Feinstaubbelastung, gegen Geruchsbelästigung und die Gefahr von Antibiotika-Resistenzen getroffen werden?
Antwort a) Immissionsschutzrechtliche Beurteilungsgrundlagen für Tierhaltungsanlagen sind die VDI Richtlinien 3894 Blatt 1 „ Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen Haltungsverfahren und Emissionen — Schweine, Rinder, Geflügel, Pferde” sowie 3894 Blatt 2 „Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen Methode zur Abstandsbestimmung — Geruch”. Bei Unterschreitung der nach VDI 3894 Blatt 2 ermittelten Richtlinienabstände kann, wie im vorliegenden Fall, alternativ eine differenziertere Beurteilung der Geruchsimmissionen auf der Grundlage einer Ausbreitungsrechnung (in der Regel AUSTAL 2000) durchgeführt werden. Hierbei wird die Geruchsimmissions-Richtlinie bei der Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen herangezogen.

Frage b) Wie hoch ist die Feinstaubbelastung im unmittelbaren sowie im weiteren Umfeld des Putenmastbetriebs in Horbach?
Antwort b) Es besteht keine gesetzliche Vorschrift und Notwendigkeit, für den geplanten Putenmaststall die Feinstaubbelastung in Horbach zu ermitteln.

Frage c) Unterstützen Sie – so wie die SBL/FW – die Resolution der Interessengemeinschaft Schederberge? Wenn nein, warum nicht?
Antwort c) Diese Frage kann nicht beantwortet werden, da es nicht Aufgabe der Kreisverwaltung ist, politische Statements abzugeben.

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Wahlprogramm und Massentierhaltung – Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) stellt dem Landrat diverse Fragen zur geplanten Putenmastanlage in Meschede-Schederberge

By adminRL at 10:57 pm on Sunday, July 27, 2014

Seit Juni 2014 ist die Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) wieder mit zwei Kreistagsmitgliedern und somit in Fraktionsstärke im Kreistag vertreten. Die Formulierung des Wahlprogramms liegt also erst ein paar Monate zurück, und es ist noch nicht, so wie bei einigen großen Parteien, gleich wieder in Vergessenheit geraten. Im Gegenteil, die Leitlinien und Ziele der SBL sind den SBL`ern noch sehr präsent!

So präsent, dass die SBL/FW dem Landrat im Zusammenhang mit der geplanten Putenmastanlage einen kleinen, prägnanten Auszug aus dem SBL-Wahlprogramm zusandte, gleichzeitig mit diversen Fragen zur Massentierhaltung und deren Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt. Schließlich ist der Landrat oberster Chef der Kreisverwaltung, zu der auch das Veterinäramt, das Gesundheitsamt, die Untere Landschaftsbehörde und die Untere Wasserbehörde gehören.

Wer das Anschreiben und die gefühlt 100, in echt aber „nur“ rund 20 Fragen der SBL/FW lesen möchte, hier ist die komplette Anfrage vom 22.07.2014:

„Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrter Herr Ausschussvorsitzender,

in unserem Wahlprogramm 2014 befassen wir uns neben vielen anderen Themen auch mit dem Tierschutz. Wir formulierten u.a. unsere Auffassung, dass beim Tierschutz Verbesserungen dringend erforderlich sind und sie nicht weiter in die Zukunft verschoben werden dürfen. Wortwörtlich steht im Wahlprogramm der Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW):
… Tiere sind Lebewesen die wie wir Freude, Angst und Schmerzen empfinden. Doch häufig werden unsere Mitgeschöpfe nur unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit gesehen und leider auch entsprechend behandelt.
Wir fordern daher mit Nachdruck, Tierschutz und Tierrechte ernst zu nehmen und allen Tieren ein artgerechtes Leben zu ermöglichen. Das gilt insbesondere auch für Mastbetriebe und die Legehennen-Haltung. Daher muss die Bestandsdichte bei der Bodenhaltung von Geflügel reduziert werden und Hühnern, Puten und anderen Masttieren ein wesentlich größerer Lebensraum zur Verfügung gestellt werden. Die Haltung sollte möglichst weitgehend im Freiland erfolgen. …

Auch für große Teile der Bevölkerung ist Massentierhaltung nicht mehr akzeptabel: Und das nicht nur wegen der in gewisser Regelmäßigkeit auftretenden Skandale. Schlagzeilen über tierquälerische, nicht artgerechte Haltung, übermäßigen Antibiotika-Einsatz, antibiotikaresistente Keime auch auf Putenwurst und große Mengen anfallender Gülle, von der Gesundheitsgefahren wie Darmerkrankungen ausgehen können, all das spricht unseres Erachtens gegen die in Meschede-Schederberge geplante große Putenmastanlage. Denn da sollen bald auf engstem Raum in einem Stall sage und schreibe 10.000 Tiere gehalten werden. Darum wundert uns die Gründung der „Interessengemeinschaft Schederberge“ nicht, zumal es sich ja bei dem geplanten Betrieb nicht um die erste große Putenmastanstalt im Stadtgebiet von Meschede handelt.

Etliche Tier- und Naturschutzverbände setzen sich sehr kritisch mit der Massentierhaltung auseinander. Beispielsweise die „Albert-Schweitzer-Stiftung“ kritisiert auf ihren Internetseiten: „ … Bei der Putenmast steht die möglichst schnelle Gewinnung von Fleisch im Vordergrund, was auf Kosten des Wohlbefindens und der Gesundheit der Tiere geht. So werden Mastputen, obwohl sie zum Schlafen Dunkelheit brauchen, fast permanent (sogar bis zu 24 Stunden) im Hellen gehalten, weil sie dann auch nachts die Futterstellen aufsuchen und schneller zunehmen. … Aufgrund der extremen Überzüchtung können sich die Puten am Ende der Mast kaum noch fortbewegen – viele verenden bereits vor der Schlachtung. …“
Siehe:
http://albert-schweitzer-stiftung.de/massentierhaltung/puten

Zu den Ämtern in der Kreisverwaltung gehören auch das Veterinäramt, das Gesundheitsamt, die Untere Landschaftsbehörde und die Untere Wasserbehörde.

Wir nehmen die Bedenken und die Proteste der Bevölkerung und der Tierschützer ernst und unser Wahlprogramm beim Wort und fragen Sie:

Punkt 1 – Massentierhaltung

a) Halten Sie Massentierhaltung, so wie sie z.B. in dem bereits bestehenden Betrieb in Me-schede-Horbach seit Jahren praktiziert wird, für eine geeignete, artgerechte und nicht tierquälerische Form der Tierhaltung?

b) Wie stellt der Hochsauerlandkreis sicher, dass Tieren in Massentierhaltung, wie z.B. den Puten in Horbach, ein artgerechtes, schmerz- und leidensfreies Leben gewährleistet wird (dazu gehört z.B., dass die Vögel nicht permanent im Hellen gehalten werden) und, dass die Schlachtung für die Tiere möglichst angst- und schmerzfrei verläuft?

c) Bekanntlich bietet die Massentierhaltung vielfache Verbreitungsmöglichkeiten für diverse Arten von Krankheitserregern, die auch auf Menschen übertragbar sind. Durch welche Maß-nahmen trifft der HSK diesbezüglich Vorsorge?

d) Wie groß sind die Mengen Antibiotika und anderer wachstumsfördernden Pharma-Produkte (wie Hormonpräparaten), die im Mastbetrieb in Meschede-Horbach seit 2012 bis heute eingesetzt wurden?

e) Welche Futtermittel werden den Puten in Meschede-Horbach verabreicht? Steht auf dem „Speiseplan“ auch Futter aus „recycelten“ Tierkörpern?

f) Wie groß war in den Jahren 2012 bis heute im oben genannten Mastbetrieb die Mortalität der Tiere durch Verletzungen und Krankheiten (Anzahl der verendeten Tiere)? Wie viele Tötungen erfolgten aufgrund von Verletzungen und Krankheiten? Wo und wie werden die Kadaver entsorgt?

Punkt 2 – Kontrollen

a) Wie häufig, zu welchem Zwecke, mit welcher Intensivität und durch wen erfolgten im Zeitraum von 2012 bis heute Kontrollen in Geflügelmastbetrieben? Wann und wo und mit welchen Ergebnissen wurden die Überprüfungen durchgeführt (z.B. beim Putenmastbetrieb in Meschede-Horbach)?

b) Wie oft kam es in dieser Zeit zu Beanstandungen seitens des Kreisveterinäramtes oder anderer Kontrollinstanzen?

c) Welche Mängel wurden im Einzelnen festgestellt (z.B. beim Putenmastbetrieb in Meschede-Horbach)?

d) Wie werden Kontrollen und Mängel dokumentiert und wie lange, wo und für wen sind diese Dokumente einsehbar?

Punkt 3 – Auswirkungen auf Landwirtschaft, Umwelt und Wasser

a) Trifft es zu, dass im näheren und weiteren Umfeld des bestehenden wie des geplanten Putenmastbetriebs im Stadtgebiet Meschede von dem Betreiber der Mastanlage(n) landwirtschaftliche Flächen aufgekauft oder gepachtet werden, um dort Mais für die Geflügelmast anzubauen?

b) Wenn ja, wie groß sind die Maisanbauflächen für die Putenmast im Stadtgebiet Meschede? In welchen Ortschaften befinden sich größere Maismonokulturen ?

c) Trifft es zu, dass diese Maisflächen mit Gülle aus der Putenmast und/oder den restlichen Substraten aus den Biogasanlagen des Geflügelmästers „gedüngt“ werden? Welche Gülle-mengen fielen 2012, 2013 und 2014 bis heute im Putenmastbetrieb in Horbach an?
Was geschieht mit der überschüssigen Gülle?

d) Wurde und wird durch z.B. den HSK überprüft, dass die mit Gülle beaufschlagten Flächen im Stadtgebiet Meschede Fluss-, Grund- und Trinkwasser beeinträchtigen oder gibt es Hinweise darauf? Liegt der fragliche Bereich im Einzugsgebiet von Trinkwassergewinnungsanlagen? Wenn ja, von welchen?

e) Wie, wie oft, durch wen und mit welchen Ergebnissen wurde und wird der Nitratgehalt der mit Gülle und/oder den Rückständen aus Biogasanlagen „gedüngten“ landwirtschaftlichen Flächen überprüft?

f) Wie schätzen Sie die Auswirkungen der bestehenden und der geplanten Putenmastanlage auf die umliegenden Naturschutz- und Naherholungsgebiete ein?

Punkt 4 – Beeinträchtigung der Bevölkerung

a) Welche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung schreibt der Gesetzgeber für den Bau eines Putenmastbetriebs vor? Welche Vorsorge muss z.B. gegen die zu erwartende Feinstaubbelastung, gegen Geruchsbelästigung und die Gefahr von Antibiotika-Resistenzen getroffen werden?

b) Wie hoch ist die Feinstaubbelastung im unmittelbaren sowie im weiteren Umfeld des Putenmastbetriebs in Horbach?

c) Unterstützen Sie – so wie die SBL/FW – die Resolution der Interessengemeinschaft Schederberge? Wenn nein, warum nicht?“

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528 Lebensmittelkontrollen im HSK im letzten Jahr

By admin at 10:51 am on Wednesday, January 11, 2012

Immer wieder Lebensmittelskandale

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere, im Winter 2010/2011 erlebten wir mal wieder in Deutschland einen großen Lebensmittelskandal. Mast-Tieren wie Hühnern, Puten und Schweinen ist auf deutschen Höfen mit Dioxin vergiftetes Futter „serviert“ worden. Im Hochsauerlandkreis war damals ein Putenmastbetrieb betroffen und wurde „vorsorglich“ gesperrt. Ein knappes Jahr später beklagte der NRW-Verbraucherschutzminister Remmel öffentlich, die Bundesregierung habe in Sachen Dioxin „ihre Hausaufgaben nicht gemacht.“

Anfrage der SBL

Kurz vor Weihnachten stellte die Sauerländer Bürgerliste (SBL) eine Anfrage zu Dioxin in Nahrungs- und Futtermittelmitteln an den Landrat. Hier, etwas komprimiert, die Antwort des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamts des HSK:

5 Lebensmittelkontrolleure im HSK
Der Hochsauerlandkreis beschäftigt demnach seit mehreren Jahren 5 Lebensmittelkontrolleure, die alle in Vollzeit arbeiten. Der größte Anteil ihrer Arbeitszeit stünde für Betriebskontrollen und Probenahmen zur Verfügung.

Genügend geleistete Arbeitsstunden im Bereich Lebensmittelkontrolle?
Deuten wir das Schreiben der Verwaltung richtig, konnten aufgrund einer längeren Erkrankung eines Lebensmittelkontrolleurs offenbar weniger Kontrollen durchgeführt werden als laut der Vorgabe (KGSt-Materialien 4/2011) vorgegeben ist. Die geleisteten Arbeitsstunden im Jahr 2011 hätten sich auf ca. 7.100 h belaufen. Laut Kommunaler Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt-Materialien 4/2011) liege der Stundenwert eines Angestellten bei 1.575 h/a. Machen wir eine kleine Rechnung auf:
1.575 Stunden x 5 Kontrolleure = 7.875 Stunden
Ergo fehlten wohl 775 geleistete Arbeitsstunden im Bereich der Lebensmittelkontrolle!?

528 Lebensmittelkontrollen
Insgesamt, so berichtet die Kreisverwaltung, wurden im Jahr 2011 (Stand 22.12.2011) 528 Kontrollen von Betrieben (wie Bäckereien, Konditoreien, Fleischereien/Metzgereien, Brauereien, Herstellern von Speiseeis und Direktvermarktern für Geflügel, Eiern, Wildfleisch, Obst und Gemüse, Milch und alkoholfreie Getränken) durchgeführt. Ab einer vorgegebenen Größenordnung würden von den Betrieben externe Sachverständige mit der Erstellung eines HACCP-Konzeptes (Gefahrenanalyse) beauftragt.

Wenige Futtermittelkontrollen
Futtermittelproduzenten seien im HSK nicht ansässig. Es seien lediglich 7 Futtermittelproben (z.B. Silage, Heu) gezogen und 2 Futtermittelproben auf Schwermetalle untersucht worden.

265 registrierte Verstöße
Insgesamt hätten die Kontrolleure 2011 265 Verstöße gegen die geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften festgestellt. Die Auffälligkeiten hätten sich in erster Linie auf hygienische und bauliche Mängel vor Ort konzentriert. Bei den Futtermittelproben seien keine Auffälligkeiten festgestellt worden. Allerdings seien die durchgeführten Schwermetalluntersuchungen positiv gewesen. Ein Verfütterungsverbot wäre daher ausgesprochen worden.

SBL fordert mehr Lebensmittelkontrolleure
Die SBL hatte u.a. gefragt: Beabsichtigt der HSK angesichts der immer noch als bedenklich eingestuften Situation im Lebensmittelüberwachungsbereich weitere Lebensmittelkontrolleure auszubilden und/oder zu beschäftigen? Eine Personalverstärkung und die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen im Bereich der
Lebensmittelüberwachung sei derzeitig nicht vorgesehen, antwortet der HSK. Sich abzeichnende personelle Veränderungen im Bereich der Lebensmittelüberwachung seien mittelfristig nicht zu erwarten.

Und schon wieder ein Lebensmittelskandal
Was sich allerdings aktuell deutlich abzeichnet, ist ein weiterer Lebensmittel-Skandal: Resistente Keime im Hähnchenfleisch durch Antibiotika-Missbrauch bei der Tiermast!
Angesichts dessen stellt sich doch schon wieder die Frage:
„Reicht die Anzahl und die Arbeitszeit der Lebensmittelkontrolleure und –kontrollen aus, im Sauerland, in NRW, in Deutschland, in Europa?“

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Dioxin im Hochsauerlandkreis?

By admin at 1:49 pm on Tuesday, January 18, 2011

Erneut macht ein Nahrungsmittel-Skandal Schlagzeilen und zieht immer weitere Kreise: Nach Eiern und Geflügel ist nun wohl auch Schweinefleisch mit Dioxin belastet. Der WDR berichtete im Dezember 2010, bei nordrhein-westfälischen Rindern hätte das Umweltministerium die giftigen Chemikalien PCB und Dioxin nachgewiesen. Bei jedem vierten untersuchten Freilandrind wurden demnach die zulässigen Grenzwerte überschritten. Einige Höfe dürften bereits ihr Rindfleisch nicht mehr für den Verzehr verkaufen. Seit Wochen allgemein bekannt ist, dass der Futterfetthersteller Harles & Jentzsch mindestens seit März 2010 belastete Fette verkauft. Dioxinbelastetes Futter wurde in den letzten Monaten offenbar an über 1.000 Betriebe in verschiedenen Bundesländern abgegeben. Die Produkte gelangten in den Handel und somit zum Verbraucher. Der deutsche Handelspartner China reagierte und stoppte den Import von Fleisch und Eiern aus Deutschland, um die weitere Einfuhr von Lebensmitteln mit gesundheitsschädlichen Substanzen zu verhindern.

In Anbetracht dieser Vorfälle und des Gesundheitsrisikos für uns Verbraucherinnen und Verbraucher wandte sich das Kreistagsmitglied  der Sauerländer Bürgerliste (SBL) Reinhard Loos mit folgenden Fragen an den Landrat des Hochsauerlandkreises:
1.) Sind Höfe und Betriebe im Hochsauerlandkreis nach jetzigem Erkenntnisstand von dem aktuellen Dioxin-Funden betroffen und, wenn ja, welche?
2.) Wie wird mit den Höfen und Betrieben, bei denen eine überhöhte Dioxin-Belastung bestätigt wurde, verfahren; wie mit denen, die einer hohen Dioxin-Belastung verdächtig sind?
3.) Wer wird in einem Schadensfall voraussichtlich zur Verantwortung heran gezogen?
4.) Wird es nach Ihrer Einschätzung für die betroffenen Bauern und Nahrungsmittel-Produzenten Entschädigungen geben?
5.) Ist festzustellen, wie viele Dioxinbelastete Produkte sich im Kreisgebiet noch im Handel befinden?
6.) Wie häufig werden produzierende Betriebe und der Handel durch MitarbeiterInnen des Kreisveterinäramtes oder anderer von der Kreisverwaltung beauftragten Sachverständigen kontrolliert?
7.) Wie viele Höfe und Betriebe sind vom HSK in welchem Turnus und mit welchem Aufwand zu überwachen?
8.) Wird die Personalsituation im entsprechenden Fachbereich auch in Anbetracht des aktuellen Dioxin-Skandals als ausreichend angesehen?
9.) Welche Vorsichtsmaßnahmen sind nach Meinung der Kreisverwaltung grundsätzlich erforderlich, um derartige Lebensmittel-Skandale nachhaltig zu verhindern?

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Artikel aus der Welt am Sonntag vom 23.10.2006

By Matthias at 5:44 pm on Sunday, October 22, 2006

Äcker mit Giftabfall gedüngt

Tonnenweise wurde das krebserregende PFT mit Abfällen vermischt und als Dünger verkauft. Einzelne Abnehmer kassierten sogar hohe Geldprämien vom Hersteller.

Von David Schraven

Der Skandal um den krebserregenden Stoff PFT in Nordrhein-Westfalens Trinkwasser weitet sich aus. Nach Informationen der “Welt am Sonntag” sollen allein im Kreis Soest und im Hochsauerlandkreis (HSK) mehr als 54 000 Tonnen Klärschlamm-Abfall mit zum Teil hoch belasteten PFT-Chargen vermischt und auf über 800 Feldern verklappt worden sein. Das entspricht etwa 6700 Lastwagen-Ladungen. Die Behörden untersuchen, welche Flächen von dem als Dünger deklarierten Abfall so stark betroffen sind, dass die Felder saniert werden müssen.Aus den Äckern in Soest und dem Hochsauerlandkreis war das PFT in die Ruhr gelangt und von dort aus in das Trinkwasser mehrerer Ruhrgebietsstädte. In einigen Orten wurden die Grenzwerte weit überschritten. In Arnsberg gab es Trinkwasser für Kinder und Schwangere auf Bezugsscheine. Zuletzt wurde eine Trinkwasserversorgungsanlage in Lippstadt wegen PFT-Verseuchung geschlossen. Fische aus der Ruhr sind nach Auskunft des Bundesinstitutes für Risikobewertung mit dem Gift belastet und daher nicht “uneingeschränkt” zum Verzehr geeignet.Wie der Leiter der Abteilung Bodenschutz beim Kreis Soest, Alfons Matuszczyk, der “Welt m Sonntag” bestätigte, sind in seinem Verantwortungsbereich in den vergangenen Jahren rund 46 000 Tonnen “Nassmaterial” auf Felder ausgebracht worden. Dabei seien nicht alle Lieferungen mit PFT verunreinigt gewesen. Bei dem Material handelt es sich um Klärschlamm-Abfall der Firma GW Umwelt aus Borchen mit den Bezeichnungen “Terrafarm” oder “Terratop”. Insgesamt seien 39 Landwirte mit über 750 Flächen verwickelt.

Die Lieferungen mit “Terrafarm” oder “Terratop” bestanden teilweise aus Hochofenschlacke, Filterstaub, Kalkschlamm, Bauschutt und Geflügelkot. Alles wurde mit PFT zusammengerührt. Die Lieferfirma soll das unverträgliche Gemisch gegenüber den Kunden aus der Landwirtschaft als “Bodenhilfsstoff” ausgegeben haben.

Martin Reuther, Sprecher des Hochsauerlandkreises, gab an, in seinem Kreis seien etwa 8 400 Tonnen “Terrafarm” oder “Terratop” auf 58 Flächen verklappt worden. Allein auf einem einzigen Zehn-Hektar-Feld sei dabei die Menge von rund 400 Kilogramm reinem PFT versprüht worden. Bei den Flächen handele es sich vor allem um Äcker für Futterpflanzen wie Mais – und auch um Weihnachtsbaumfarmen.

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Paderborn gegen den Geschäftsführer der GW Umwelt, Ralf W., wegen des Verdachtes auf Gewässerverunreinigung. Der 37-Jährige wurde wegen Verdunklungsgefahr in Haft genommen. Bei einer Razzia hatte er versucht, eine ihm “nahe stehende Person” zu überreden, mit einem Roll- koffer voller Geschäftsunterlagen zu verschwinden, sagte Staatsanwalt Horst Rürup.

Ralf W. hat laut Rürup ein ganzes Firmen-Geflecht unterhalten, in dem Klärschlamm und Bioabfälle hin und her geschoben wurden. “Wir reden von einem guten Duzend Firmen im hiesigen Bereich und im thüringischen Bleicherrode.” Intern erklärten Strafverfolger, dass krebserregende PFT sei von fast 20 Firmen aus Belgien, den Niederlanden und dem Frankfurter Raum angeliefert worden. Gegen mehrere werde ermittelt.

Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft haben Bauern für das Verklappen des Abfalls Geld von der GW Umwelt angenommen. Dabei seien rund zehn Euro je Tonne “Bodenhilfsstoff” üblich gewesen, sagte Staatsanwalt Rürup. “Einigen wenigen Großabnehmern wurde mehr gezahlt.” Nach internen Ermittlungsberichten wurden in den Spitzen sogar bis zu 30 Euro je Tonne bezahlt. Einige Bauern hätten insgesamt sogar bis zu 180 000 Euro kassiert.

Die Gift-Lieferungen gegen Bargeld gingen auch in die angrenzenden Bundesländer Hessen und Niedersachen, sowie in weitere Kreise in NRW. Laut Rürup wird nun geprüft, ob die Ermittlungen auch dort auf die betroffenen Bauern ausgeweitet werden müssen. Der Vorstand des Niers-Wasserverbandes, Professor Achim Melsa, meint, die Bauern hätten erkennen müssen, dass es um Illegales ging. “Diese Beträge sind nicht üblich. Eine Schweinerei, was da passiert ist.”

Offenbar hatte die GW Umwelt zu einigen Landwirten rund um den Ort Rüthen im Kreis Soest besonders intensive Beziehungen. Nach Berichten von Anwohnern sollen dort über Jahre hinweg große Mengen Dünger auf Felder rund aufgebracht worden sein.

Erst im Frühjahr waren die PFT-Panscher aufgeflogen, als Wissenschaftler des Bonner Hygieneinstitutes erhöhte PFT-Konzentrationen in der Ruhr und ihrem Zufluss Möhne entdeckt hatten. Laut Abteilungsleiter Matuszczyk vom Kreis Soest gilt eine Fläche am Silberbach, einen Zufluss der Möhne, als besonders gefährdet. Hier seien rund 30 Flächen mit GW-Abfall besprüht worden. Zurzeit wird untersucht, was zur Sanierung der Felder getan werden muss.

Derzeit streitet sich die Gemeinde Brilon mit einer Firma aus dem GW Verbund um die Sanierung eines anderen Ackers. Der Kreis will, dass die GW-Firma um den betroffenen Acker eine Drainage zieht und einen Aktivkohlefilter einbaut, der das Oberflächenwasser von PFT befreit, bevor es in die Ruhrzuflüsse gelangt. Die Arbeiten müssten bis Anfang Dezember beginnen, sagt Kreis-Sprecher Reuther. Die Firma hat dagegen Kla- ge beim Oberverwaltungsgericht Münster eingelegt. Das Land werde im Voraus einspringen, kündigte Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) am Freitag an. Er stellte dazu eine Million Euro bereit.

Nach Auskunft eines Sprechers will das NRW-Umweltministerium nun die Prioritäten festlegen, nach denen die belasteten Flächen saniert werden sollen. “Man muss im Einzelfall entscheiden, was unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten gemacht werden muss.” Auf jeden Fall werde man die Betroffenen nicht allein lassen. Darüber hinaus aber gehe es weiterhin darum, “die Verursacher überall in die Pflicht zu nehmen.”

Mittlerweile hat die EU die Produktion des krebserregenden Stoffes PFT verboten. Das Gift darf also in Europa weder produziert noch verkauft werden.

Artikel erschienen am 22.10.2006 in “Welt am Sonntag”

Filed under: Hintergrund zu PFTComments Off on Artikel aus der Welt am Sonntag vom 23.10.2006
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