Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und die Lokale Agenda 21 Arnsberg setzen sich seit vielen Jahren für die Reaktivierung der Röhrtalbahn zwischen Neheim-Hüsten und Sundern ein. Die Chancen für die Realisierung sind nun sehr gut, nachdem die Verbandsversammlung des ZRL die Finanzmittel für die vorbereitenden Untersuchungen frei gegeben hat. Gerade jetzt versucht aber die CDU-Kreistagsfraktion die Reaktivierung zu torpedieren und hat einen entsprechenden Antrag eingebracht, über den am 24. Juni im zuständigen Fachausschuss des HSK und am 5. Juli im Kreistag beraten und entschieden werden soll.
Das Foto zeigt den bereits fertig gestellten Röhrtalbahnsteig 4 im Bahnhof Neheim-Hüsten. Dort könnten bereits ab 2025 hochmoderne Triebwagen nach Sundern fahren, mit direktem Übergang aus den Zügen der Oberen Ruhrtalbahn.
Daher haben VCD und Lokale Agenda am 18. Juni allen Mitgliedern des Kreistags und des Ausschusses für Wirtschaft, Struktur und Tourismus einen Brief geschrieben, den wir im Folgenden dokumentieren.
“Mit großer Sorge haben wir den jüngsten Vorstoß zur Stilllegung der Röhrtalbahn zur Kenntnis genommen. Wir setzen uns nun schon seit fast 20 Jahren für die Reaktivierung des Schienenpersonenverkehrs (SPNV) zwischen Neheim-Hüsten und Sundern ein. Hierfür sehen wir sehr große Chancen in den nächsten Jahren. Denn in Politik und Gesellschaft ist die Erkenntnis gereift, dass der Verkehrsträger Schiene gestärkt werden muss, da der Verkehrsträger Straße trotz großer baulicher Anstrengungen immer mehr an seine Grenzen kommt. Die Verkehrswende kommt derzeit auf technischer, politischer, städtebaulicher und nicht zuletzt Nutzer-Ebene sowie aus Gründen des Gesundheitsschutzes, Klimawandels und der Lebensqualität immer mehr in Gang. Gleichzeitig sind die finanziellen Grundlagen für den SPNV langfristig von Bund und Ländern gesichert. Daher wäre eine Stilllegung einer Bahnstrecke rückwärtsgewandt und unzeitgemäß!
Die Kosten einer Reaktivierung der Röhrtalbahn wurden im Jahr 2011 gutachterlich abgeschätzt, ebenso der volkswirtschaftliche Nutzen dieser Maßnahme nachgewiesen. Konsequenterweise wurde die Röhrtalbahn daraufhin auf Vorschlag der Städte Arnsberg und Sundern, des HSK und des Regionalrats in den vordringlichen Bedarf des SPNV-Bedarfsplanes des ZRL aufgenommen.
Als nächster planerischer Schritt muss nun eine detaillierte Untersuchung der Kosten und eine aktualisierte Kosten-Nutzen-Rechnung erfolgen, woraufhin die Aufnahme in den ÖPNV-Bedarfsplan des Landes NRW erfolgen wird. Die ZRL-Verbandsversammlung hat die hierfür erforderlichen Mittel im April 2019 freigegeben! Nach Abschluss dieser Untersuchungen können Fördergelder für die notwendigen Baumaßnahmen an die RLG fließen.
Schon ab Mitte der 2020er Jahre könnte nach Angaben des ZRL der Personenverkehr auf der Röhrtalbahn wieder in Betrieb genommen werden – und dies alles bei Entlastung der kommunalen Kassen, insbesondere des RLG-Miteigentümers HSK!
Die finanzielle Lage des kommunalen Unternehmens RLG – das ja in weiten Teilen des HSK und des Kreises Soest auch den Busverkehr sicherstellen muss – würde sich durch die Einnahmen aus den Trassengebühren für den Personenverkehr auf der Schiene (ca. 5 – 6 Euro pro gefahrenem Zug-km auf der Röhrtalbahn – dies entspricht etwa 700.000 Euro pro Jahr!) nachhaltig verbessern. Außerdem gäbe es auch eine beachtliche Wertsteigerung der RLG-eigenen Röhrtalbahn durch die Investitionen für die Reaktivierung (inklusive Bahnsteige), die komplett aus den Regionalisierungsmitteln des Bundes erfolgen wird!
Die Verbesserung der RLG-Einnahmesituation durch die SPNV-Reaktivierung schafft zudem eine günstigere wirtschaftliche Lage der RLG und/oder neue Spielräume für den RLG-Busverkehr im HSK.
Kosten entstehen also durch die Reaktivierung für den Kreis nicht, das Gegenteil ist der Fall!
Lehnt man dieses Angebot im HSK nun ab (obwohl man sich seit Jahren genau dafür eingesetzt hat!), fließen diese Investitionsmittel in andere Regionen und verbessern dort den Nahverkehr – nicht aber in unserer Heimat! Steuermittel würden dadurch nicht eingespart.
Zusätzlich dürfte die Annahme des Antrages zur Stilllegung der Röhrtalbahn durch den Kreistag dazu führen, der RLG ihr Geschäftsmodell zu entziehen, denn die Strecke müsste zur Übernahme durch andere Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) ausgeschrieben werden!
Das schafft interessante Perspektiven für konkurrierende Bahnunternehmen. Im besten Fall würde dann die Röhrtalbahn im Besitz eines anderen Bahnunternehmens als der RLG für den Personenverkehr reaktiviert, im schlechten Fall bliebe zunächst alles, wie es derzeit ist, und im schlechtesten Fall könnte dieses neuen EIU die Trasse und die Filetgrundstücke (z. B. Sundern-Innenstadt und Hachen mit Bahnhöfen zentral im Ort, Stemel mit direktem Zugang zum Sorpesee-Radweg) gut vermarkten.
Den Kommunen wären jedoch zunächst alle stadtplanerischen Möglichkeiten entzogen, diese Flächen gemeinsam mit der RLG zu entwickeln!
Für die Errichtung eines Radweges auf der Röhrtalbahn-Trasse gibt es hingegen weder einen Bedarf noch ist bislang ansatzweise die Höhe der Kosten bekannt. Wir haben bei einigen Bahntrassenradwegen die Kosten recherchiert und kamen stichprobenhaft auf Kosten von 200.000 bis 300.000 Euro pro km, was für das Röhrtal einen Betrag von ca. 3 bis 4 Mio. Euro bedeuten würde – nur für den Bau des Radweges, nicht für den Abbau der Bahnstrecke. Dazu kommen noch die Kosten für die Entsorgung von 14 km Holz-Bahnschwellen (Sondermüll Kategorie IV)!
Völlig unklar ist auch, wer die Trägerschaft eines solchen Radweges übernehmen soll. Ist daran gedacht, den Etat des Hochsauerlandkreises hiermit zu belasten?
Da Fahrrad und Bahn sich optimal ergänzen, so wie es bei der Oberen Ruhrtalbahn und dem Ruhrtalradweg der Fall ist, sollten sie generell nicht in Konkurrenz zueinander gesetzt werden.
Im Röhrtal besteht seit Jahrzehnten ein durchgehender Radwanderweg, der Bestandteil des Radnetzes NRW (R-Netz, Knotenpunktsystem) ist. Darüber hinaus gibt es alternative Wegstrecken auch für Alltagsradler, z. B. von Hüsten durch die gesamte Ortsdurchfahrt Müschede, von Reigern bis Hachen die B229 straßenbegleitend, zwischen Hachen und Stemel sowie neuerdings durch die gesamte Ortsdurchfahrt Stemel bis zum Ortseingang Sundern entlang der L519.
Zusätzliche Optimierungen sind konkret in Planung, z. B. im Bereich der Stadt Sundern die Asphaltierung der gesamten Strecke des R-Weges zwischen Sundern und Hachen sowie der Anschluss des Gewerbegebietes „Dümpel“ für Alltagsradler.
Ein Radweg auf der Röhrtalbahntrasse würde zudem an den Kreuzungen mit der Landes- und Bundesstraße im Röhrtal eine Sicherung mit Ampelanlagen erforderlich machen, um Radfahrern – egal, ob Alltagsradlern oder Familien- oder Gruppenradlern – überhaupt eine Überquerung der vielbefahrenen Relation B229/L519 zu ermöglichen. Dies würde für Kfz und auch für die Busse zu zahlreichen Stopps führen (nicht nur zweimal pro Stunde, wie bei den Personenzügen)!
Keineswegs ist übrigens seitens der RLG daran gedacht, nach der Reaktivierung des Schienenpersonenverkehrs den Busverkehr im Röhrtal komplett einzustellen. Es kommt z. T. sogar zu einer Angebotsausweitung, da das Oberdorf von Müschede erstmals durch eine neue Stadtbuslinie in einem Halbstundentakt an Neheim und Hüsten angebunden würde – zusätzlich zum Schienenverkehr auf der Röhrtalbahn. Dies ist bereits in der Potentialanalyse aus dem Jahr 2011 nachzulesen.
Zudem wurde bei der Modernisierung des Bahnhofs Neheim-Hüsten die Röhrtalbahn bereits berücksichtigt. Denn das Gleis 4 am neuen Mittelbahnsteig ist so konzipiert, dass von dort aus die Röhrtalbahn starten kann. Damit ist eine wesentliche bauliche Vorleistung bereits erbracht.
Wir appellieren daher an Sie: Blockieren Sie nicht den Weg für eine Reaktivierung der Röhrtalbahn! Die Vielzahl der derzeitigen Reaktivierungsvorhaben in NRW und bundesweit zeigt, dass wir uns hier in guter Gesellschaft befinden. Bei einem Verzicht auf die Reaktivierung der Röhrtalbahn würden keine Steuergelder gespart, sondern woanders investiert, nicht aber in unserer Heimat und in unsere RLG. Stärken Sie den Wirtschaftsstandort HSK!
Nur mit einer starken, gut ausgebauten Bahn und dem darauf ausgerichteten Busverkehr kann der Verkehr im Sauerland umweltverträglicher und für Pendler, Touristen, Schüler attraktiver gestaltet und gleichzeitig der Verkehrsträger Straße entlastet werden. Dies wäre auch ein guter Beitrag zum Klimaschutz!