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“Überragendes öffentliches Interesse” gegen “Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen” ???

By admin at 4:11 pm on Tuesday, September 2, 2025

Windenergie ist ein wichtiger Bestandteil für den Ausstieg aus fossilen Energien. Allerdings scheint nicht immer die richtige Abwägung mit den Belangen des Naturschutzes stattzufinden. Ein drastisches Beispiel dafür liefert die Antwort des Landrats vom 02.09.2025 auf eine schriftliche Anfrage der SBL-Kreistagsfraktion vom 17.08.2025. Wir dokumentieren hier einige der Fragen und Antworten:

Sehr geehrter Herr Landrat,
nach einem Bericht der Lokalpresse vom 15.08.2025 (s. Anlage) wurden am Windsberg (im Briloner Stadtgebiet) während des Schutzzeitraums nach § 39 BNatSchG umfangreiche Rodungsarbeiten für ein Windenergieprojekt vorgenommen. Es handelt sich um ein Projekt der Stadtwerke Brilon;
Vorsitzender des Verwaltungsrats der Stadtwerke ist der Briloner Bürgermeister.
Durch diese Rodungsaktion erfolgte ein massiver Eingriff in die Brutperiode vieler Vogelarten.

2. Wer hat wann und wie und bei wem die Genehmigung der Rodungsarbeiten beantragt?
“Die PHILMA Ventus Service GmbH & Co. KG hat bei der Unteren Umweltschutzbehörde/Immissionsschutz eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 4 BlmSchG für die Errichtung und den Betrieb von einer Windenergieanlage (WEA 08) beantragt. Die Genehmigung wurde am 30.09.2024 erteilt. Sie umfasst als Nebenbestimmung auch die Rodung innerhalb des Zeitraum vom 01 .03. -30.09., sofern vorab durch den ökologischen Baubegleiter ein Brutvorkommen planungsrelevanter Vogelarten ausgeschlossen wird.”

3. Wer ist bei diesem Projekt als sog. ökologischer Baubegleiter tätig, wie, von wem und wann wurde er ausgewählt, über welche Qualifikationen verfügt er, und in welcher Beziehung steht diese Person zu Gesellschaften der Stadt Brilon und zur Kreisverwaltung?
“Das ÖBB ist vom Genehmigungsinhaber beauftragt. Als Fachgutachter kann die UNB die Eignung bestätigen. Die UNB steht in keiner Beziehung zum ÖBB, fordert jedoch, dass dieser grundsätzlich fachlich und unabhängig handelt.”

4. Welche Vogelarten und ihre Brutplätze wurden von dieser Person in dem relevanten Gebiet überprüft, wann, wie und mit welchen Ergebnissen?
“An 12 Terminen zwischen dem 18.03.2025 bis 08.08.2025 wurde eine vollständige Erfassung der Brutvogelarten im Sinne einer Siedlungsdichteuntersuchung (in Anlehnung an Südbeck et al., 2005) durchgeführt und darüber hinaus der Verlauf des Brutgeschehens
dokumentiert. Bis zum 04.07.2025 waren Bruten nachweisbar. Danach kommt der ÖBB zu folgenden Ergebnissen:
• 21.07.25 war das Brutgeschehen überwiegend abgeschlossen, Neuntöter, Baumpieper, Domgrasmücke und Goldammer mit flüggen Jungen noch im Gebiet. Bauflächen WEA 07 komplett und WEA 08 Teilflächen zum Mulchen freigegeben (ein Bereich nördlich der WEA8
• 03.08.25 Zusätzliche Randflächen an WEA 10 und 11 zum Mulchen freigegeben, auch dort keine Bruten mehr.
• 08.08.25 Späte Amsel-Brut nördlich WEA 08 ist ausgeflogen. Freigabe der letzten Teilfläche zum Mulchen.”

6. Welche zwingenden Hindernisse bestanden, mit den Rodungsarbeiten bis zum Ende des gesetzlichen Schutzzeitraums zu warten?
“Dies steht im Sinne des beschleunigten Windenergieausbaus. Gemäß § 39 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2b BNatSchG gelten die Verbote des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 nicht für Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse nicht auf andere Weise oder zu anderer Zeit durchgeführt werden können, wenn sie behördlich zugelassen sind. Hierdurch tritt der allgemeine Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen hinter das überragende öffentliche Interesse des Windenergieausbaus (§ 2 EEG). Hinsichtlich der besonders geschützten und bestimmten Tier- und Pflanzenarten soll gemäß der Vollzugsempfehlung zu § 6 WindBG anstelle der pauschalen Bauzeitenbeschränkungen insbesondere die ÖBB in Betracht kommt. Diese war vorliegend auch wirksam, da das Brutgeschehen dokumentiert wurde und die Brutplatzbindung planungsrelevanter Arten als aufgelöst gutachterlich festgestellt wurde.”

7. Durch das Verfahren beim OVG in Münster am 02.09.2024 zum „unechten“ Repowering der WEA am NSG Goldbachtal ist bekannt, dass die Kreisverwaltung bei einigen Antragstellern für Windenergieprojekte mit extrem kurzen Bearbeitungszeiten von wenigen Stunden oder Tagen handelt. Auf diese Weise ist keine sorgfältige Prüfung und Abwägung möglich. Diese „spezielle“ Verfahrensweise wurde vom OVG sehr deutlich kritisiert.
Wie und wann hat die Kreisverwaltung hier auf welche und wann und vom wem gestellten Anträge in diesem Projekt reagiert?
“Die Untere Naturschutzbehörde hat am 22.03.2024 negativ Stellung genommen und nach Nachreichung der Antragstellerin vom 08.08.2025 abschließend am 12.09.2024 Stellung genommen. Dieses Vorhaben konnte sachgemäß von der Unteren Naturschutzbehörde geprüft werden.”

8. Hält der Landrat die in diesem Projekt vorgenommenen Abwägungen zwischen Natur- und Artenschutz einerseits und den Interessen der künftigen Betreiber andererseits für angemessen, und wie begründet er seine Einschätzung?
“Ich halte die vorgenommenen Abwägungen für angemessen. Besonders geschützte Arten wurden berücksichtigt und bei allen Maßnahmen wurde geltendes Recht beachtet.”

9. Welche Unterschiede im Ablauf hätte es gegeben, wenn es sich hier nicht um einen so verwaltungs- und politiknahen Antragsteller bzw. Planer gehandelt hätte?
“Keine. Das Verfahren wurde regulär seitens der Unteren Naturschutzbehörde bearbeitet. Eine Verwaltungs- oder Politiknähe der Philma Ventus Service GmbH & Co. KG war den zuständigen Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen der Unteren Naturschutzbehörde nicht bekannt.”


Einige Anmerkungen zu den Antworten:

1) Es wurde nicht beantwortet, wer als Ökologischer Baubegleiter tätig ist (Frage 3).
2) Es fehlt eine inhaltliche Antwort, warum man mit der Rodung nicht bis Anfang Oktober warten konnte (Frage 6). Die (fragwürdigen!) Kernsätze lauten: “Dies steht im Sinne des beschleunigten Windenergieausbaus. Gemäß § 39 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2b BNatSchG gelten die Verbote des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 nicht für Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse nicht auf andere Weise oder zu anderer Zeit durchgeführt werden können, wenn sie behördlich zugelassen sind. Hierdurch tritt der allgemeine Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen hinter das überragende öffentliche Interesse des Windenergieausbaus (§ 2 EEG).”
3) Es ist völlig unglaubwürdig, dass der Kreisverwaltung die “Verwaltungs- oder Politiknähe” des Antragstellers nicht bekannt gewesen sein soll (Frage 9). Denn die “Philma Ventus Service GmbH & Co. KG” ist eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke Brilon, und die Geschäftsadressen sind identisch…
4) Einige Daten können nicht stimmen, wie besonders in der Antwort auf Frage 7 auffällt.
5) Die Antwort auf Frage 7 zum Ablauf in der Kreisverwaltung ist sehr dürftig und völlig unzureichend.

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