Generalplaner gescheitert: SBL fordert Aufklärung und Transparenz
Wie wichtig kritische Fragen im Kreistag und den Ausschüssen sind, zeigt sich gerade wieder am Planungsauftrag für den Neubau von 7 Rettungswachen und einem Notarztstandort im Kreisgebiet. Hierfür hatte die Mehrheit des Kreistags vor 3 Jahren ein Architekturbüro als Generalplaner beauftragt, auf Vorschlag des Landrats und der Kreisverwaltung. Kürzlich wurde für dieses Planungsbüro ein Insolvenzverfahren eröffnet vom Amtsgericht Kassel eine Indolvenzverwalterin eingesetzt und die Vermögensverwaltung angeordnet.
Diese Entwicklung kommt nicht überraschend. Die SBL-Kreistagsfraktion hatte bereits vor der Auftragsvergabe intensiv recherchiert und gravierende Mängel erkannt. Doch leider entschied die Mehrheit anders. Nun hat die SBL-Fraktion eine schriftliche Anfrage an den Landrat gerichtet und verlangt Aufklärung. Im Folgenden dokumentieren wir diese Anfrage.
“Sehr geehrter Herr Landrat,
am 24.08.2022 hat der Kreistag – auf Vorschlag des Landrats und der Kreisverwaltung – mehrheitlich beschlossen, das Unternehmen „RJ Planungsbüro GmbH & Co KG“ (Kassel/Erfurt) mit der Generalplanung für den Neubau von 7 Rettungswachen und einem Notarztstandort zu beauftragen.
Nun ist durch die „Insolvenzbekanntmachungen“ öffentlich bekannt, dass das Amtsgericht Kassel am 21.07.2025 (Az. 666 IN 225/25 e) eine Vorläufige Insolvenzverwalterin für dieses Unternehmen eingesetzt hat und die vorläufige Verwaltung des Vermögens angeordnet wurde.
Wie auch im Protokoll der Kreistagssitzung vom 24.08.2022 (TOP 10) nachzulesen, hatte die SBL-Kreistagsfraktion gegen diese Vergabeentscheidung erhebliche Bedenken, sowohl gegen die Vergabe an einen Generalplaner überhaupt als auch konkret gegen die Vergabe an dieses Unternehmen. Unsere Fraktion hat in dieser Kreistagssitzung die Aufhebung des Verfahrens und die Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens gefordert (was in der gesamten Wahlperiode nur zweimal der Fall war). Wir haben damals die eklatanten Mängel im Bewertungs- und Auswahlverfahren detailliert dargelegt. Der von der Kreisverwaltung eingesetzte Projektsteuerer hatte an der Festlegung der Kriterien und der Bewertung der Angebote einen sehr großen Anteil. Eine Akteneinsicht ergab viele weitere Merkwürdigkeiten und außerdem Zweifel an der Seriösität des Anbieters, ebenso wie eigene Recherchen. So erfüllt das Unternehmen seine Publikationspflichten nur unzureichend, nach dem letzten im „Unternehmensregister“ veröffentlichten Jahresabschluss liegt die Eigenkapitalquote bei nur 0,3%, und ein Gewinn wurde in keinem der vier veröffentlichten Jahresabschlüsse ausgewiesen. Außerdem waren einige Angaben in der Bewerbung offensichtlich unrichtig. Einige weitere Einzelheiten stehen auch in unserer Anfrage vom 26.08.2022.
Leider haben sich unsere damals geäußerten Bedenken nun mehr als bestätigt. Das Ergebnis der vor drei Jahren getroffenen Entscheidung ist desaströs:
• Die Umsetzung der 3. Fortschreibung des Rettungsdienstbedarfsplans wird mindestens 8 Jahre dauern und sich nun weiter verzögern, so dass die sog. Hilfsfristen noch länger nicht eingehalten werden können.
• Die von der Kreisverwaltung genannten Vorteile für die Beauftragung eines Generalplaners (statt Einzelaufträgen bevorzugt an lokale Unternehmen) sind nicht eingetreten; insbesondere wurden nun doch individuelle statt standardisierter Planungen für die einzelnen Objekte vorgenommen.
• Die Kosten steigen erheblich.
• Der Aufwand für die Baubetreuung in der Kreisverwaltung steigt ebenfalls erheblich.
• Die für eines der Neubauprojekte beschlossene Holzbauweise findet nicht statt.
• Es ist noch nicht geklärt, ob und welche speziellen Beziehungen zwischen Projektsteuerer und Generalplaner es möglicherweise gab.
Daher stellen wir folgende Fragen:
1) Wie ist der weitere Ablauf für die 8 Bauprojekte?
2) Wer übernimmt welche Aufgaben des bisher eingesetzten Generalplaners?
3) Mit welchen weiteren zeitlichen Verzögerungen bei den einzelnen Projekten ist zu rechnen?
4) Mit welchen weiteren Kostensteigerungen ist zu rechnen?
5) Welche Zahlungen wurden bisher an den Generalplaner geleistet, welche erfolgen noch, welche Forderungen gibt es (auch seitens der Insolvenzverwalterin)?
6) Welche Zahlungen wurden bisher an den Projektsteuerer geleistet, welche erfolgen noch, welche Forderungen gibt es?
7) Was unternimmt der Landrat, um die Hintergründe des damaligen Vergabevorschlags aufzuklären?
8) Was unternimmt der Landrat, damit künftig bei ähnlichen Vergabeentscheidungen objektive Kriterien für die Auswahl formuliert werden, auch schon für die Vorauswahl?
9) Was unternimmt der Landrat, damit künftig bei ähnlichen Vergabeentscheidungen mehr Transparenz entsteht und damit nicht am Ende nur noch eine von 8 detaillierten Bewerbungen für die abschließende Vergabeentscheidung übrig bleibt?
10) Wer ist bisher und künftig in der Kreisverwaltung dafür zuständig, die wirtschaftliche Seriösität von Unternehmen zu überprüfen, die einen Auftrag im Umfang von mehreren Mio Euro erhalten sollen?
11) Wie stellt sich der Landrat die künftige Zusammenarbeit mit dem Projektsteuerer in diesem Projekt vor?”