Förderprojekt gegen Ärztemangel: Außer Spesen nichts gewesen?
Das Projekt
Der Hochsauerlandkreis und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Hochsauerlandkreises (WFG) setzen sich intensiv mit dem drohenden Ärztemangel in unserem Landkreis auseinander. Diese Bemühungen findet die Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) erfreulich und richtig.
Die WFG hatte vor einiger Zeit das Projekt „Ärztin PLUS“ eingebracht, auch mit dem Ziel, die Gleich-stellung von Frauen zu fördern, indem attraktive und familienfreundliche Arbeitsplätze angeboten werden. Für diese Maßnahme wurden Fördermittel aus dem Europäischen Sozialfond und Bundesmitteln bewilligt.
Die Fördergelder
Wie SBL-Fraktionssprecher Reinhard Loos kürzlich aufgrund seiner Nachfrage im Ausschuss für Wirtschaft, Struktur und Tourismus nachträglich aus einer Anlage zum Protokoll der Ausschusssitzung erfuhr, sind für die Wirtschaftsförderungsgesellschaft und damit für den HSK wesentlich höhere Kosten für die Durchführung des Förderprojekts entstanden als geplant. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid für die Fördergelder wurde teilweise widerrufen mit der Begründung, dass die Ziele des Projekts nicht vollständig erreicht worden sind.
Die SBL-Anfrage
Mittlerweile ist das Projekt „Ärztin PLUS“ abgeschlossen. Über die Ergebnisse gibt es bisher aus dem Kreishaus kaum Informationen. Daher richtete sich die SBL-Kreistagsfraktion am 19.01.2016 mit folgenden Fragen an Landrat Dr. Karl Schneider:
1. Welche Ziele wurden mit dem Förderprojekt „Ärztin PLUS“ erreicht?
2. Welche Ziele wurden nicht erreicht? Warum wurden diese Ziele nicht erreicht?
3. Welche nachhaltigen Auswirkungen hat das Projekt jetzt?
4. Wofür sind die Kosten von insgesamt 188,1 TEuro entstanden?
5. Wie und wann wurden die Gremien des HSK bisher über die für den Kreis durch die Halbierung des Förderanteils entstandenen Mehrkosten und die nicht ganz gelungene Projektdurchführung informiert?
Die Antwort
Mit Datum vom 28.01.2016, versandt am 08.02.2016, antwortete die Verwaltung bzw. die WFG.
Das Ergebnis in Kurzfassung:
Die intensiven Bemühungen der WFG blieben weitgehend ergebnislos, u.a. aufgrund der unterschiedlich langen Abstimmungsbedarfe und -prozesse der Krankenhäuser. Schade!
Die Folge:
Der Bewilligungsbescheid für das Projekt wurde teilweise widerrufen. Die Förderung wurde gekürzt. In Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt es also im Hochsauerlandkreis offenbar keine erkennbaren Fortschritte. Schade!
Die Antwort komplett:
„Ihre Anfrage gern. § 11 GeschO für den Kreistag des Hochsauerlandkreises;
hier: Förderverfahren „Ärztin PLUS”, Anfrage vom 19.01.2016
Sehr geehrter Herr Loos,
zu Ihrer o.g. Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1. Welche Ziele wurden erreicht?
Die WFG beabsichtigte, durch das Projekt ÄRZTIN PLUS in den beteiligten Krankenhäusern strukturelle und individuelle Hemmnisse bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu identifizieren, und die Betriebe für das Thema alternative Arbeitszeitmodelle und Kinderbetreuungskonzepte zu öffnen. Dadurch sollten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den kooperierenden Häusern verbessert und attraktive Arbeitsplätze geschaffen werden. Zielgruppen waren Ärztinnen, medizinisches Fachpersonal sowie die Leitungsebenen der Krankenhäuser und die Mitarbeitervertretungen.
Das Konzept schloss zunächst 10 Krankenhäuser aus dem Hochsauerlandkreis ein, von denen vier Häuser durch Schließung, Interessenverlagerung oder Umstrukturierungen keine Beteiligung mehr zusagen konnten.
In sechs Häusern wurden Betriebsbefragungen durchgeführt, die Ausgangspunkt für unterschiedliche Bausteine (Beratungsangebot für Elternzeitlerinnen, Fortbildungen für Personaler zum Thema familienfreundliche Arbeitszeiten, Entwicklung neuer Kinderbetreuungsmodelle) bildeten.
In allen Häusern wurde Öffentlichkeitsarbeit zur Bewerbung des Projekts gemacht, um alle Mitarbeitenden für das Thema zu sensibilisieren.
Zu den Betriebsbefragungen wurden in allen Häusern Vorgespräche geführt, um noch die Möglichkeit zu individuellen Zusatzfragen zu geben.
Ein Haus hatte konkretes Interesse am Baustein Kinderbetreuung. Es wurden erste Schritte zur Einrichtung einer Kinderbetreuung entwickelt. Nach Personalwechsel wurde signalisiert, dass das Haus seine Überlegungen geändert hatte. Die Projektergebnisse wurden den Häusern mitgeteilt, um ein weiteres Vorgehen innerhalb der Häuser abzustimmen.
Die Ergebnisse der Betriebsbefragungen wurden nach der Auswertung auf Wunsch der Häuser nicht untereinander kommuniziert, um keine evtl. hausinternen Problemstellungen in die Öffentlichkeit zu kommunizieren.
Allen Häusern wurde ein Fortbildungsangebot zum Thema familienfreundliche Arbeitszeiten
gemacht, was aber nicht wahrgenommen wurde.
Es wurden Infobroschüren zum Thema Familienfreundlichkeit, Elternzeit und Fortbildung erstellt.
2. Welche Ziele wurden nicht erreicht? Warum wurden diese Ziele nicht erreicht?
Der Projektansatz sah vor, dass das Bausteinangebot freiwillig zu nutzen war. Beabsichtigt war eine enge Verzahnung der Häuser innerhalb der Projektschritte, die regelmäßige Runde Tische mit den Personalverantwortlichen, Jugendämtern und Kitas vorsah. Es wurde jedoch deutlich, dass die Unternehmen einen unterschiedlich langen Abstimmungsbedarf hatten, der eine konzertierte Aktion nicht zuließ. Allein die Abstimmungsprozesse und letztlich die Befragung haben an fast allen Häusern wesentlich länger gedauert als erwartet, verursacht auch durch Veränderungen in den Zuständigkeitsbereichen innerhalb der Häuser, einer verschobenen Interessenlage zum Thema oder durch Fusionsprozesse.
Dies ist dem Bundesverwaltungsamt (BVA) mitgeteilt worden. Die nicht erreichten, für den Projekterfolg geforderten Kennzahlen waren für das BVA Grund, den Bewilligungsbescheid nach der Prüfung des Schlussverwendungsnachweises teilweise zu widerrufen.
3. Welche nachhaltigen Auswirkungen hat das Projekt jetzt?
Ein Haus hat sich dem Zertifizierungsprozess FFU unterzogen.*
Ein fusioniertes Klinikum bewirbt auf seiner Homepage speziell beim Thema Familie und Beruf seine diesbezüglichen Bedingungen und Dienstleistungen für die Mitarbeitenden.
4. Wofür sind die Kosten von insgesamt 188,1 T Euro entstanden?
Die Kosten setzen sich für den Zeitraum von Juli 2011 bis Juni 2014 wie folgt zusammen:
Personalkosten
(0,75 Stelle Projektleitung,
0,25 Stelle Finanztechnische Abwicklung,
vorhandenes Personal, das durch das Projekt tlw. refinanziert wurde) 164.900,47 EURO
Reisekosten 948,70 EURO
Sachausgaben
(Standbeteiligung Medica, Druckkosten, Satz & Layout, etc.) 9.947,07 EURO
Verwaltungsgemeinkostenpauschale
(Miete, Strom, Telekommunikation, etc.) 12.305,82 EURO
5. Wie und wann wurden die Gremien des HSK bisher über die für den Kreis durch die Halbierung des Förderanteils entstandenen Mehrkosten und die nicht ganz gelungene Projektdurchführung informiert?
ÄRZTIN PLUS war kein Projekt des Hochsauerlandkreises, sondern der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hochsauerlandkreis mbH. Die Gremien der WFG, der Aufsichtsrat und die Gesellschafterversammlung, wurden anlässlich ihrer ordentlichen Sitzungen am 21.05.2015 bzw. 22.06.2015 über den teilweisen Widerruf des Bewilligungsbescheides und die Kürzung der Förderung informiert.“
* Mit “Zertifizierungsprozess FFU” ist offensichtlich das Zertifikat “Familien-Freundliches-Unternehmen im Hochsauerlandkreis” gemeint, das jährlich etwa 10 Betriebe von der WFG erhalten.