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“Ein Schauspiel der Ohnmacht. Die Hauptverursacher der Krise sind gleichzeitig deren Gewinner.”

By admin at 11:39 am on Monday, March 8, 2010

“Den Kampf um eine Neuordnung der Finanzbranche haben Angela Merkel und ihre Kollegen gar nicht erst angetreten.

Die Inszenierung ist immer wieder beeindruckend: Da empört sich Deutschlands Kanzlerin über die „Schande“, dass just jene Banken, „die uns an den Abgrund gebracht haben“, auch aus dem Schuldendebakel der Griechen ein Geschäft machen und verspricht, eine „neue Verfassung für die internationalen Finanzmärkte“

Doch dieses Schauspiel ist zutiefst verlogen. Tatsächlich sind Merkel, Sarkozy, Obama und ihre Mitstreiter auf diesem Weg bis heute keinen Schritt vorangekommen. Der moralische Protz ihrer Versprechungen steht im umgekehrten Verhältnis zu den tatsächlich ergriffenen Maßnahmen und verstellt den Blick auf ein Politikversagen, dass eher früher als später das ganze Netz der globalisierten Wirtschaft zu zerreißen droht.

Die Hauptverursacher der Krise sind nun sogar die Gewinner und schanzen sich schon wieder zweistellige Millionengehälter zu. Und immer sichtbarer wird, dass die Fehlentwicklung der globalisierten Finanzwelt einer kleinen Clique aus den Führungsetagen von etwa 15 globalen Finanzkonzernen eine Macht in die Hände gespielt hat, die sich jeder demokratischen Kontrolle entzieht.

So erhielt allein die Deutsche Bank über die Rettung der US-Versicherung AIG, deren Bonusjägern die Deutschbanker ihre Risiken aus dem US-Hypothekengeschäft angedreht hatten, mehr als zehn Milliarden Dollar. Mindestens noch einmal die gleiche Summe kassierte die Bank aus den übrigen Rettungsaktionen und genauso profitierten die Kollegen bei Goldman Sachs. Dabei waren gerade diese Geldriesen zuvor führend bei der Vermarktung jener „toxischen“ Kreditpakete, die bis heute die Bilanzen ihrer Kunden verheeren. Schlimmer noch: Während die Goldmänner und die Deutschbanker noch die faulen Kredite bei den weniger smarten Kollegen in Landesbanken oder Pensionsfonds unterbrachten, setzten die Handelsstrategen derselben Unternehmen bereits seit Herbst 2006 im großen Stil auf den Ausfall eben dieser Anlagen. Als der Wertverfall der von ihnen selbst vermarkteten Papiere dann eintrat, machten sie darauf noch einmal Gewinn – ein ungeheuerlicher Vorgang, der in der übrigen Wirtschaft völlig undenkbar wäre. Hersteller von Konsumgütern haften für Schäden aus fehlerhaften Produkten selbst dann, wenn kein Verschulden vorliegt. Hier aber wurden skrupellos Produkte vermarktet, von denen die Verkäufer wissen mussten, dass sie ihren Kunden gigantische Verluste einbringen würden.

Allein schon diese Episode dokumentiert, dass sich die Gemeinde der Investmentbanker und ihrer Mittäter bei Rating-Agenturen und Hedgefonds zu einer Parallelgesellschaft entwickelt hat, die Normen und Werte der übrigen Gesellschaft für sich nicht gelten lässt. Gleichzeitig gelingt es ihnen aber bis heute, den politischen Prozess rund um ihre Geschäfte beliebig zu manipulieren. Simon Johnson, vormals Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, beschrieb die Plünderung der Staatskassen zur Stützung des Bankensystems darum als „Silent Coup“, als stillen Staatsstreich einer kleinen Clique von Finanzmanagern wider die Grundregeln von Marktwirtschaft und Demokratie.

Doch den dazu nötigen Machtkampf haben Merkel und ihre Kollegen gar nicht erst angetreten.

Dieses Versagen der Politik zeigt an, dass weit mehr auf dem Spiel steht als Konjunktur und Staatsfinanzen. Je länger die Finanzoligarchen die Regierungen derart vorführen, umso mehr verkommt die Demokratie zu einem Schauspiel der Ohnmacht, das die Bürger gefährlichen Populisten in die Arme treibt. Schuld daran ist jedoch auch die Trägheit der Vielen, die sich zwar ärgern, aber ihre demokratische Teilhabe allenfalls auf die nächste Wahl beschränken. „Die wichtigste Lehre der Krise sollte sein, dass wir Banken keinen politischen Einfluss mehr geben dürfen, wie müssen die Macht der Wall Street brechen“, fordert Krisenexperte Johnson. Damit sind die Regierungen allein offenkundig überfordert. Es wird Zeit sich einzumischen. Wer das versäumt, bekommt vermutlich schon bald die Krise, die er verdient.”

(Erschienen im gedruckten “Tagesspiegel” vom 07.03.2010)

Hier steht der komplette Artikel:
http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/Finanzkrise-Angela-Merkel;art141,3049950

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