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SBL: Merz soll Konsequenzen aus Bundesverfassungsgerichtsurteil ziehen

By admin at 12:17 pm on Thursday, July 5, 2007

Einen offenen Brief an den derzeitigen Bundestagsabgeordneten des Hochsauerlandkreises haben die beiden Kreistagsmitglieder der Sauerländer Bürgerliste, Matthias Schulte-Huermann und Reinhard Loos, geschrieben. Darin fordern sie den CDU-MdB Merz auf, selbst unverzüglich alle Nebentätigkeiten offenzulegen, also nicht auf die Veröffentlichung durch den Präsidenten des Bundestags zu warten. Die gestrige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts habe eindeutig festgestellt:

„Das Volk hat Anspruch darauf zu wissen, von wem – und in welcher Größenordnung – seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen“.

Die Transparenz sei kein Selbstzweck, sondern soll der Meinungs­bildung dienen, ob Abgeordnete gegebenenfalls anderen Interessen verpflich­tet sind, die im Gegensatz zur Unabhängigkeit des Mandates stehen

Außerdem legen die beiden Mitglieder der SBL-Kreistagsfraktion dem Sauerländer CDU-Politiker einen Rücktritt aus dem Bundestag nahe. Denn im Abgeordnetengesetz heißt es: „Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages.“ Die dagegen von Merz beim Bundesverfassungsgericht gestellten Anträge seien von allen acht Verfassungsrichtern abgelehnt worden. Das Verfassungsgericht habe sich sogar besonders mit den Tätigkeiten des Sauerländer CDU-Abgeordneten befaßt und festgestellt, dass bereits seine Tätigkeit als Rechtsanwalt mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit umfasse und mehr Verdienst einbringe als das Mandat als Bundestags­abgeordneter. Hinzu kommen zahlreiche Funktionen in Aufsichtsräten und Beiräten. Die Tageszeitung „Die Welt“ berichtete im Oktober, daß Merz 18 solcher „Nebentätigkeiten“ habe, aus denen er laut „Manager Magazin“ pro Jahr ca. 2 Mio Euro an Einnahmen erzielt. Die Tätigkeit als Bundestags­abgeordneter sei nach dem Eindruck der SBL für Merz längst zum Nebenjob geworden.

Besonders bemerkenswert sei, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil Merz’ eigene Schilderung über das ihm vom Großkonzern RAG erteilte Mandat als Musterbeispiel für Interessen­kollision aufgreift.

Die Ausführungen von Herrn Merz hätten “in exemplarischer Weise“ gezeigt, dass es vielfältige Möglichkeiten gebe, „politischen Einfluss durch ein Bundestagsmandat für die außerhalb des Mandats ausgeübte Berufstätigkeit gewinnbringend zu nutzen, und gerade von dieser Möglichkeit gehen besondere Gefahren für die Unabhängigkeit der Mandatsausübung und die Bereitschaft, das Mandat in den Mittelpunkt der Tätigkeit zu stellen, aus.“

Für jeden Bundestagsabgeordneten (einschl. Büro) entstünden der Allgemeinheit Kosten von jährlich ca. 1 Mio Euro. Dieses Geld sollte jemandem zufließen, der den Einsatz für die Bürgerinnen und Bürger als seine Hauptaufgabe ansieht – ohne solche sogar für das Bundesverfas­sungs­gericht auffälligen Interessenkollisionen wie bei diesem CDU-Politiker.

Hier steht der komplette Text des Offenen Briefes:

Herrn
Friedrich Merz MdB
Zur Dicken Eiche 2
59823 Arnsberg-Niedereimer

Meschede, den 05.07.2007



Offener Brief: Aufforderung zur Offenlegung aller Tätigkeiten und zum Rücktritt aus dem Bundestag

Sehr geehrter Herr Merz,

die Kreistagsfraktion der Sauerländer Bürgerliste begrüßt das gestrige Urteil des Bundes­verfassungsgerichts zur Transparenz der Einkünfte von Abgeordneten sehr. Damit befinden wir uns in guter Gemeinschaft mit fast allen Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Mit dem neuen „Verhaltenskodex“ für die Bundestagsabgeordneten soll eine lang vermißte Transparenz erreicht werden: „Das Volk hat Anspruch darauf zu wissen, von wem – und in welcher Größenordnung – seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen“ (Ziffer 274 der gestrigen Entscheidung). Die Transparenz ist kein Selbstzweck, sondern soll der Meinungs­bildung dienen, ob Abgeordnete gegebenenfalls anderen Interessen verpflich­tet sind, die im Gegensatz zur Unabhängigkeit des Mandates stehen.

Dabei soll die Offenlegung legitime wirtschaftliche Betätigungen nicht einschränken, jedoch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern vollständige Transparenz herstellen. Ein Sitz im Parlament ist mit besonderen Privilegien verbunden, die ein Normalbürger nicht hat. Deshalb ist es nur konsequent, wenn ein Abgeordneter auch Pflichten unterliegt, die für andere nicht gelten. Den Wählerinnen und Wählern muss es möglich sein, sich über eventuelle Abhängig­keiten zu informieren. Die Kenntnis über solche Abhängigkeiten erhellt den Hintergrund, auf dem politische Entscheidungen fallen.

Das Ansehen des HSK hat Schaden genommen, weil ausgerechnet der direkt gewählte MdB unseres Kreises sich nicht an diese von einer breiten Mehrheit des Deutschen Bundestages beschlossene Regelung halten will und sogar vor dem Bundesverfassungsgericht dage­gen geklagt hat. Seit der gestrigen Entscheidung der Karlsruher Richter hat diese Verschleie­rungs­strategie nun ein Ende. Ihre Internetseiten enthalten zwar zahlreiche Angaben über Ihre vergangenen Berufstätigkeiten, aber keinen einzigen Hinweis auf Ihre derzeitigen bezahlten Jobs außerhalb des Parlaments.

Wir fordern Sie daher auf, Herr Merz, selbst unverzüglich alle Ihre Nebentätigkeiten gegen­über den Bürgerinnen und Bürgern offenzulegen. Bekanntlich sind Sie als „Partner“ in einer großen internationalen Anwaltskanzlei tätig; hinzu kommen zahlreiche weitere „Nebenjobs“. Laut einem Bericht der Tageszeitung „Die Welt“ vom 13.10.2006 sollen Sie 18 „Nebentätigkeiten“ nachgehen, für die Sie laut einem Bericht des „Manager Magazin“ vom Juli 2006 ca. 2 Mio Euro erhalten. Seit diesen Berichten bekannter konservativer Medien haben Sie aber nach unserer Kenntnis noch weitere Tätigkeiten aufgenommen, so jüngst die Berufung in den Aufsichtsrat der AXA Versicherungs AG.

Selbstverständlich steht es Ihnen frei, Herr Merz, diese sicherlich sehr einträglichen Gele­genheiten zum Geldverdienen zu nutzen. Allerdings steht ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages in einer besonderen Verantwortung gegen über den Bürgerinnen und Bürgern, die ihn in den Bundestag entsandt haben. Wir können nicht glauben, dass jemand, der für so viele Institutionen bezahlt tätig ist, gleichzeitig unabhängig die Interessen der Bürgerinnen und Bürger des HSK in Berlin vertreten kann – ganz abgesehen von den zeitlichen Möglich­keiten. Zu welch seltsamen Konstellationen dies führen kann, wurde deutlich, als Sie in der NRW-Landesgruppe der CDU-Abgeordneten als Beauftragter der RAG auftraten. Ihr Mandat als Bundestagsabgeordneter scheint schon lange nicht mehr Ihre Haupttätigkeit zu sein.

In § 44a Abs. 1 des Abgeordnetengesetzes heißt es jedoch: „Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages.“ Auch gegen diese sog. Mittelpunktregelung haben Sie beim Bundesverfassungsgericht geklagt. Ihre diesbezüg­lichen Anträge wurden jedoch von allen 8 Verfassungsrichtern abgelehnt.

Gegen diese Mittelpunktregelung verstoßen Sie offensichtlich. In der gestern veröffentlichten Entscheidung des Verfassungsgerichts wird ausdrücklich festgestellt (Ziffer 126), dass bereits der Anwaltsberuf Sie zu mehr als der Hälfte Ihrer Arbeitszeit in Anspruch nimmt und Sie daraus mehr verdienen als aus Ihrem Bundestagsmandat. Hinzu kommen die zahl­reichen Posten in Aufsichtsräten, Beiräten und ähnlichen Gremien. Was bleibt da noch für Ihr Abgeordnetenmandat – außer gelegentlichen Fototerminen?

Besonders bemerkenswert ist, dass das Bundesverfassungsgericht Ihre eigene Schilderung über das Ihnen vom Großkonzern RAG erteilte Mandat als Musterbeispiel für Interessen­kollision aufgreift. Dazu schreiben die Richter wörtlich über Sie (Ziffern 224 ff.):

„Sowohl Angestelltenverhältnisse im Bereich der freien Berufe als auch die freien Berufe selbst bieten vielfältige Möglichkeiten, politischen Einfluss durch ein Bundestagsmandat für die außerhalb des Mandats ausgeübte Berufstätigkeit gewinnbringend zu nutzen, und gerade von dieser Möglichkeit gehen besondere Gefahren für die Unabhängigkeit der Mandatsausübung und die Bereitschaft, das Mandat in den Mittelpunkt der Tätigkeit zu stellen, aus.

Der Vortrag des Antragstellers zu 5) zeigt dies in exemplarischer Weise.

…

Der Antragsteller zu 5) hat damit nicht nur deutlich gemacht, was ohnehin offensichtlich ist, dass nämlich die Mitarbeit eines Mitglieds – besonders einen prominenten Mitglieds – des Deutschen Bundestages in einer Rechtsanwaltskanzlei für diese und für die poten­tiellen Mandanten mindestens unter anderem deshalb von Interesse ist, weil man sich von dessen politischen Erfahrungen, Verbindungen und Einflussmöglichkeiten etwas ver­spricht. Er hat auch dargestellt, dass die mit der Ãœbernahme des geschilderten Man­dats verbundene Interessenkonstellation ihn veranlasst hat, als Bundestagsmitglied einzelnen Kollegen gegenüber eine Art – parlamentsrechtlich nicht vorgesehener – Befangenheits­erklärung dahingehend abzugeben, dass er sein Abgeordnetenmandat in der betreffen­den Angelegenheit nicht mehr beziehungsweise nicht mehr in regulären Sitzungen, son­dern nur noch in Hintergrundgesprächen mit dem “einen oder anderenâ€? ausüben werde.“

Wegen der Interessenkollisionen und des Verstoßes gegen die Mittelpunktregelung wäre es konsequent, wenn Sie jetzt umgehend Ihren Rücktritt aus dem Deut­schen Bundestag erklären. Für jeden Abgeordneten (einschl. Büro) entstehen der Allgemeinheit Kosten von jährlich ca. 1 Mio Euro. Dieses Geld sollte jemandem zufließen, der den Einsatz für die Bürgerinnen und Bürger als seine Hauptaufgabe ansieht – ohne solche sogar für das Bundesverfas­sungs­gericht auffälligen Interessenkollisionen wie bei Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen

gez. gez.
Reinhard Loos Matthias Schulte-Huermann

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