Viele Fragen zur Ziegenhaltung
Tierleid berührt viele Menschen. Das zeigt sich deutlich bei den Ereignissen um den Bio-Ziegenhof in Brilon-Scharfenberg. Dort sollen die Haltungs- und Lebensbedingungen für Milchziegen und Lämmer und für Hofhunde erbärmlich sein, auch mit der Folge, dass viele Ziegen qualvoll verenden.
Mehr Informationen dazu z.B. hier:
http://www.bioland.de/ueber-uns/landesverbaende/nordrhein-westfalen/nrw-detail/article/hintergrundinformationen-ziegenbetrieb-in-brilon.html
Bioland hat auch mitgeteilt, dass der Verband vor der Kündigung selbst eine Kontrolle des Hofes durch einen unabhängigen Gutachter veranlasst hatte, mit sehr bedenklichen Ergebnissen.
Der Eigentümer des Betriebes sieht sich nach dem Bekanntwerden der auch mit Fotos und Videos unterlegten Vorwürfe massiven Anschuldigungen ausgesetzt. Doch nicht nur der Tierhalter ist ins Kreuzfeuer geraten. Fragen, wieso offensichtliche Missstände nicht abgestellt worden sind, muss sich auch das Kreisveterinäramt gefallen lassen.
Thema im Umweltausschuss
Die Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) hatte am 09.01. und am 14.02.2017 beantragt, die beiden „Skandal-Ziegenhöfe“ in Medebach und in Brilon auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten zu nehmen. Die Kreisverwaltung folgte den Anträgen und erstellte zwei Vorlagen. Die eine beschäftigt sich mit dem Hof im Stadtgebiet Medebach, die andere mit der Ziegenhaltung in Brilon-Scharfenberg, an der Möhneburg. Der Ausschuss befasst sich voraussichtlich bei seiner Sitzung am 9. März im Kreishaus in Meschede mit den zwei Anträgen bzw. Vorlagen. Beginn ist um 17.00 Uhr. Die Sitzung ist öffentlich; allerdings dürfen die ZuhörerInnen keine Fragen stellen.
Fragen über Fragen
Die Erläuterungen des Kreisveterinäramts zu der Situation bei der Ziegenhaltung auf dem Hof in Brilon erklären einiges aber längst nicht alles. Aus diesem Grund wandte sich Reinhard Loos, Sprecher der Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW), am 28.02. mit einer umfangreichen Anfrage an den Landrat. Wen`s interessiert, hier sind die diversen Fragen der SBL/FW:
„Anfrage gemäß § 11 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Kreistags Thema: Vorlage 9/687 – Ergänzende Fragen zur Ziegenhaltung auf dem Hof B. in Brilon
Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrter Herr Ausschussvorsitzender,
wir bedanken uns für Erarbeitung der Vorlage 9/687. Wir haben sie mit großem Interesse gelesen. Gleichwohl wirft der Inhalt etliche weitere Fragen auf. Viele Menschen hat das Schicksal der Tiere schockiert. Wir fassen hier diverse Fragen zusammen und bitten – wegen der anstehenden Beratungen im Kreistag und im Umweltausschuss – um zeitnahe Beantwortung.
I. Kontrollen und Maßnahmen
1. Wer hat das Veterinäramt Anfang 2016 auf Bestandsprobleme in dem Ziegenhof in Brilon- Scharfenberg hingewiesen?
2. Etwa 90% der Ziegen auf diesem Hof sollen mit dem Erreger einer „chronischen Infektionskrankheit“ infiziert sein. Um welche Infektionserkrankung(en) handelt es sich genau?
3. Was genau unternahmen Kreisveterinäramt und Hofbesitzer, nachdem Ihre Mitarbeiter/innen „Anfang 2016“ (aufgrund eines Hinweises) bei rund 90 % der Ziegen auf dem BioHof in Brilon-Scharfenberg die Infektionskrankheit diagnostiziert hatte? (Z.B. Aufforderung an den Hofbetreiber, die kranken Tiere zu behandeln und die gesunden vorbeugend impfen zu lassen?)
4. Wurden und werden die gesunden Tiere von den erkrankten Tiere separiert? Wurden und werden hochgradig erkrankte Tiere aus dem Bestand entfernt und durch den Hoftierarzt fachmännisch getötet oder etwa der Schlachtung zugeführt? Oder wurde und wird gewartet, bis sie einen „natürlichen“ Tod sterben?
5. Welches waren die Gründe, die Bestandsbetreuung von angestellten Doktorandinnen auf einen Hoftierarzt zu wechseln?
6. Ist der Hoftierarzt nur im Bedarfsfall vor Ort? Oder begutachtet er regelmäßig den gesamten Tierbestand dieses Betriebes?
7. Kam es Ihres Wissens zu Meldungen und Beanstandungen durch den Hoftierarzt?
8. Wusste das Veterinäramt von der den ganzen Sommer draußen gehaltenen Herde von ca. 250 bis 300 Tieren?
9. Haben der Tiergesundheitsdienst bzw. die auf dem Hof beratenden Mitarbeiter der LWK NRW ausreichende Erfahrung in der Sanierung von Milchziegenherden? Wieso wurde kein Fachmann, z.B. der Uni Gießen, hinzugezogen? Wurden im Rahmen der Kontrollen auch die übergeordnete Behörde bzw. Abteilungen des Ministeriums hinzugezogen? Ist der Verdacht gerechtfertigt, dass – wenn bei einem solchen Risikobetrieb der Hoftierarzt im gesamten Jahr 2016 nur 11mal auf dem Betrieb war – es hier zu massiven Tierschutzverstößen im Umgang mit schwer kranken Tieren gekommen sein kann?
10. Welche Erkenntnisse haben Sie über den Weg der Einschleppung und über die Ausbreitung der Krankheit? Wie konnte es unter dieser angeblich fachlichen Betreuung geschehen, dass zugekaufte Ziegen Tierseuchen in den Bestand brachten? Warum wurden keine Ziegen aus CAE-unverdächtigen Beständen gekauft? Wurde anhand der Ohrmarken der infizierten Tiere der Herkunftsbetrieb ermittelt?
11. Gab und gibt es seitens des Tierhalters, der Behörden und der Veterinärärzte vorbeugende Maßnahmen, damit sich die im Bestand grassierende Krankheit nicht weiter ausbreitet und keine neuen Krankheiten und Seuchen entstehen? Welche?
12. Die Bilder und Videos vom Betrieb lassen sowohl auf CAE als auch auf Pseudotuberkulose im Bestand schließen. Beide Krankheiten sind auf Ziegenmilchbetrieben nicht selten. Für CAE fand eine Studie der TU München Raten bis 15%; ähnliches gilt für PseudoTB (https://edoc.ub.uni-muenchen.de/17473/1/Sieber_Philipp_L.pdf, S. 6 f. u. 11 f.).Wie ist es zu erklären, dass offensichtlich in anderen Betrieben die Rahmenbedingungen wie Bestandsbetreuung, Tierwohl und Fütterung so signifikant besser sind, dass dort mit diesen Erkrankungen gelebt werden kann, ohne dass es zu solch gravierenden Bildern kommt?
13. Bilder der toten Tiere und die zu sehenden Silageballen lassen auch den Verdacht auf Listeriose aufkommen. Wurde im Bestand auch Listeriose (eine meldepflichtige Krankheit) gefunden?
14. Wurden die Ohrmarken der verendeten Tiere vom Entsorger notiert und wurden diese Abgänge mit dem Bestandsregister abgeglichen? Waren alle Ohrmarken mit der „richtigen“ Betriebsnummer versehen? Gab es auf den Ziegenhof in Medebach gestorbene Tiere mit Ohrmarken aus dem Hof in Brilon-Scharfenberg?
15. Wie gut sind die Chancen, dass die Tiere nach entsprechender Behandlung wieder vollständig gesund werden?
16. Aus welchen Gründen hat der Anbauverband Bioland dem Betrieb den Erzeugervertrag Ende 2016 gekündigt?
17. Handelte es sich bei der erwähnten Biokontrolle durch ABCERT am 18.01.2017 um eine angemeldete Kontrolle? Wieso erfolgte diese bereits so kurze Zeit nach der vorherigen Kontrolle Anfang Dezember 2016?
II. Verletzte, abgemagerte und tote Tiere
1. Welches Futter erhalten die Milchziegen, welches die Lämmer?
2. Bilder vom Weidegang der Herde zeigen viele lahmende humpelnde Tiere und es liegen auch Bilder ungepflegter Klauen vor. Wurde der Zustand der Klauen bei den Kontrollen ebenfalls überprüft?
3. Wie erklären Sie sich die Verletzungen und die offenen Wunden der Ziegen, die die Tiere – nach den Fotos zu urteilen – offenbar aufwiesen?
4. Wurde bei den Kontrollen der unsachgemäße Umgang mit Tierkadavern beanstandet? Warum wurde dem Betrieb nicht die Auflage erteilt, entsprechende Kadavertonnen aufzustellen, wenn doch klar war, dass viele Tiere sterben werden?
5. Wieso wurde das Risiko der Krankheitsübertragung durch Schadnager und Haustiere durch nur notdürftig mit Silofolie auf natürlichem Boden gelagerte Kadaver in Kauf genommen?
6. Wie hoch war auf diesem Hof die „offizielle“ Sterberate der Milchziegen im Jahr 2016, wie hoch vermutlich die „inoffizielle“? Wie hoch waren im gleichen Zeitraum die „offizielle und die „inoffizielle“ Sterberate bei den Lämmern?
III. Wie geht es weiter?
1. Wird die Milch der kranken Ziegen weiterhin vermarktet? Wenn ja, gibt es Risiken für die Verbraucher?
2. Deuten wir es richtig, dass der Ziegenbestand des Hofes in Brilon-Scharfenberg bis Anfang 2019 auf natürliche Weise „auslaufen“ soll, oder welche Maßnahmen sind geplant, damit die bisherige Herde bis dahin „vollständig verschwunden“ ist?
3. Sind auch für den Ziegenbetrieb in Medebach tätige Personen daran beteiligt, dass parallel zum „Verschwinden“ der alten Herde eine neue Herde mit gesunden Tieren „in Nordhessen aufgebaut wird“?
4. Wiederholt gab es Berichte über Beziehungen zwischen den beiden in der Diskussion stehenden Ziegenhöfen in Brilon und in Medebach. Gibt es personelle Verbindungen zwischen diesen Betrieben? Wurden oder werden Tiere ausgetauscht?
5. Gibt es verwandtschaftliche, geschäftliche oder ähnliche enge Verhältnisse zwischen einzelnen Amtsveterinären und dem Hofbetreiber in Brilon-Scharfenberg?
7. Wird der Betrieb auch weiterhin ohne jeden Sachkundenachweis Nutztiere halten dürfen?“