Regelmäßig erreichen uns Meldungen über Abschiebungen in den Kosovo. Von der „Beendigung des Aufenthalts“ betroffen sind Menschen, die den größten Teil ihres Lebens in Deutschland verbracht haben oder sogar hier geboren sind. Die „Geduldeten“ kamen vor mehr als 20 Jahren als Bürgerkriegsflüchtlinge zu uns. Ihre Kinder und Enkel sind hier geboren. Viele von ihnen gehören den ethnischen Minderheiten der Roma oder Aschkali an. Und das ist das Problem.
Sie hatten (haben) es oft nicht leicht in Deutschland. Traumatisiert durch Bürgerkrieg und Flucht wurden sie mit einer fremden Kultur und mit ganz anderen Lebensumständen konfrontiert. Sie mussten eine völlig fremde Sprache erlernen und lebten (leben) in ständiger Sorge, ob die Ausländerbehörde ihnen den Aufenthalt verlängert und ob sie die Arbeitserlaubnis erhalten oder behalten dürfen. Bei den meisten Familien kamen (und kommen) Geldsorgen dazu, zumal nicht jeder Flüchtling eine Arbeitserlaubnis hatte (und hat). Immer wieder mussten (müssen) sie nicht unerhebliche Geldbeträge bei Behörden hinblättern, für die Beschaffung von Papieren und Stempeln. Sie mussten (müssen) häufig das für sie zuständige Konsulat in Düsseldorf oder sonstwo aufsuchen und die zuständige Ausländerbehörde. Meist galt (gilt) für diese Menschen die sogenannte „Residenzpflicht“; das heißt, die Betroffenen dürfen sich z.B. nur in Nordrhein-Westfalen aufhalten und bewegen. Ein Verstoß gegen die Residenzpflicht gilt als Straftat. Beispielsweise bedeutet das für jemanden, der in Meschede wohnt, dass der Besuch eines Verwandten in Hessen ein „krimineller Akt“ ist und zum Verlust der Duldung und als weitere Folge zur Abschiebung führen kann. Und das ist ein Problem.
Die Kinder der Flüchtlinge hatten (haben) es in der Schule sicher nicht leicht. Sprachdefizite, die die Eltern häufig nicht wett machen konnten (können), vielleicht auch Bildungs- und Verständnisdefizite, der ständige Kampf ums Überleben und um das „Hierbleibendürfen“, zermürben die Familien. Diese Sorgen gehen auch an den Kindern und Jugendlichen nicht spurlos vorüber. Hinzu kommt, dass manche Jugendliche im Alter von 16 Jahren schon Geld verdienen mussten (müssen), um die Familie zu ernähren; denn Väter oder Mütter erhielten (erhalten) nicht immer eine Arbeitserlaubnis. Auch das ist ein Problem.
Der Balkanstaat Kosovo proklamierte Anfang 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien. Serbien betrachtet den Kosovo aber weiter als seine Provinz. Die Lage ist alles andere als entspannt. Niemand weiß, ob und wann es dort wieder zu einem Krieg kommt. Das ist ein Problem.
Deutschland erkennt den Kosovo als unabhängigen Staat an. Die beiden Länder haben im April 2010 einen Vertrag abgeschlossen, das sogenannte „Rückübernahmeabkommen“.
Klick:
http://www.proasyl.de/de/presse/detail/news/rueckuebernahmeabkommen_deutschland_kosovo_unterzeichnet/
Besonders brisant dabei ist, dass dieses Vertragswerk in erster Linie die „ungeliebten“ Roma und Aschkali sowie andere Minderheiten betrifft.
Über deren Situation schreibt Amnesty International: „Diskriminierung ist ein großes Problem im Kosovo, von dem verschiedene Personengruppen – darunter ethnische Minderheiten, Frauen und Mädchen und Homosexuelle – vielfältig betroffen sind. Unter den ethnischen Minderheiten sind besonders Roma von Diskriminierung betroffen.
Auch die Strategie der kosovarischen Regierung für die Integration der Roma, Aschkali und Ägypter (RAE – Roma, Ashkali, Egypt) für die Jahre 2009-2015 vom Dezember 2008 geht davon aus, dass diese Gemeinschaften im Alltag vielfach diskriminiert werden. Nach den der Strategie zugrunde liegenden Analyse sind Roma, Aschkali und Ägypter in den Bereichen Bildung, Arbeit, Gesundheitsversorgung, Wohnen und bei der Registrierung benachteiligt sowie bei der Reintegration nach der Rückkehr aus dem Ausland. Diese Analyse der Situation der Roma deckt sich mit den
Erkenntnissen von Amnesty. Obwohl bestimmte Gesetze oder administrative Vorschriften für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen gelten, sind Roma davon in besonderer Weise negativ berührt. Amnesty wendet sich gegen die zwangsweisen Rückführungen von Roma in den Kosovo. Diskriminierung von Roma ist im Kosovo so schwerwiegend, dass Roma ein Leben in Sicherheit und Würde dauerhaft im Kosovo nicht möglich ist.“
Klick:
http://www.amnesty.de/asylpolitik/2010/5/situation-der-roma-im-kosovo
Gerade auch in Anbetracht des neuesten Flüchtlingsstroms von Roma aus Mazedonien und Serbien ist eine europäische Lösung des Minderheiten-Problems überfällig. Aber offenbar wollen sich die Regierungen damit nicht ernsthaft beschäftigen. Schließlich handelt es sich ja bei Roma und Aschkali nur um kleine, heimatlose Bevölkerungsgruppen ohne Geld, Land, Lobby und Macht. Das ist das Problem!
Und nun noch ein Hinweis: SPD und Grüne im Landtag NRW laden am Dienstag dem 30.10.2012 um 16.00 Uhr zu einem Fachgespräch über die Situation der Minderheiten im Kosovo ein. Moderiert wird die Veranstaltung von den MdL Monika Düker und Thomas Stotko. Zu den Referenten gehört u.a. der Bundesminister a.D. Christian Schwarz-Schilling. Vielleicht ein Hoffnungsschimmer am dunklen Horizont?