Über Abschiebungen, Bürgermeister, Jobvermittler und Geld
Kommen Jobvermittler bei Abschiebungen zum Einsatz? Wenn ja, aus welchem Etat werden sie dafür finanziert?
Mit dieser Frage setzt sich Reinhard Loos, der Fraktionssprecher der Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW), wiederholt auseinander. Dafür hat er Grund und Anlass.
Klick:
http://sbl-fraktion.de/?p=7792
und
http://sbl-fraktion.de/?p=8431
Mittlerweile liegen weitere Antwortschreiben vom Landrat des Hochsauerlandkreises und vom Bürgermeister der Stadt Brilon vor. Damit setzen wir uns jetzt auseinander.
U.E. ergeben sich die Gesichtspunkte sachfremder Personal-Einsatz ggf. mit der Folge von sachfremd verwendeten Mitteln und – zusammengefasst – folgendes Bild:
• Mitarbeiter/innen der Städte und Gemeinden „können im Einzelfall“ bei Abschiebungen mit „unterstützenden und begleitenden Tätigkeiten“ zum Einsatz kommen. (Die Stadt Brilon bedient sich dafür der Umschreibung: „… haben den Einsatz der HSK-Ausländerbehörde im Rahmen des Liegenschaftsmanagements begleitet bzw. im Rahmen der Aufgabenumsetzung nach dem PsychKG situativ ergänzt.“)
• Den Bürgermeistern steht frei, ob sie ihre Mitarbeiter/innen aus dem Aufgabenbereich Arbeitsvermittlung/Fallmanagement zu 100% im Jobcenter einsetzen.
• In Brilon wurde im vergangenen Jahr (mindestens) ein Arbeitsvermittler für das städtische Ordnungsamt mindestens 10mal im Bereitschaftsdienst eingesetzt. (Wird der betreffende Beschäftigte zu 100% aus Bundesmitteln bezahlt?)
• 18 von 88 bei den Stadt- bzw. Gemeindeverwaltungen beschäftigten Mitarbeiter/innen im Aufgabenbereich Arbeitsvermittlung/Fallmanagement wurden im Jahr 2017 „mit einem anteiligen Stellenteil mit dem Bund abgerechnet“, die anderen 70 mit vollem Stellenanteil.
• Aus Sicht des Landrats gab es für Rückforderungsansprüche des Bundes keine Veranlassung.
Nun wird es ausführlicher und dementsprechend etwas mühseliger.
Landrat Dr. Schneider schreibt
Landrat Dr. Karl Schneider bzw. die Organisationseinheit Jobcenter des Hochsauerlandkreises beantwortete nun die Anfrage (siehe Link ganz oben!) der SBL/FW so:
„Ihre Anfrage vom 27.03.2018
…
I. Die Durchführung von Abschiebungen obliegt ausschließlich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ausländerbehörde HSK. Unterstützende und begleitende Tätigkeiten können im Einzelfall vor Ort von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Städte und Gemeinden erbracht werden.
II. Der Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Jobcenter obliegt der Organisations- und Personalhoheit des Bürgermeisters in der entsprechenden Delegationskommune. Insoweit steht es dem Bürgermeister frei, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu 100% oder mit bestimmten Stellenanteilen im Jobcenter einzusetzen. Sofern ein Einsatz im Jobcenter nicht zu 100% erfolgt, werden auch die individuellen Personalkosten mit dem Bund nur anteilig abgerechnet und refinanziert.
Die von Ihnen mit Anfrage vom 27.03.2018 aufgeworfenen Fragen beantworte ich wie folgt:
1) Nach Auswertung der personellen Besetzungslisten der Städte und Gemeinden in der Region wurden im Jahr 2017 88 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Aufgabenbereich Arbeitsvermittlung/Fallmanagement beschäftigt. Davon wurden 70 Personen mit einem Stellenanteil von 100% und 18 Bedienstete mit einem anteiligen Stellenanteil mit dem Bund abgerechnet. …
4) Für Rückforderungsansprüche des Bundes gab es keine Veranlassung.
5) Die Einsätze sind mit der Delegationssatzung vereinbar, da diese keine entgegenstehenden Regelungen enthält.
6) Die Personalhoheit obliegt den Bürgermeistern der Städte und Gemeinden, insofern besteht keine Verpflichtung zu vorherigen “Anmeldung“. Details zu der konkret von Ihnen angesprochenen Problematik haben Sie bereits mit der Antwort von Herrn Bürgermeister Dr. Bartsch am 11.01.2018 erhalten (vgl. Anlage). …”
Das war der erste Streich.
Rats- und Kreistagsmitglied Loos schreibt
Und jetzt die Anfrage, mit der sich Reinhard Loos als Ratsmitglied der Briloner Bürgerliste (BBL) am 18.11.2017 an den Bürgermeister der Stadt Brilon gewandt hatte:
“Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
die Antworten des Bürgermeisters vom 05.09.2017 auf die Anfrage des Unterzeichners vom 18.08.2017 haben sich als teilweise falsch herausgestellt. Denn der Arbeitsvermittler des Jobcenters der Stadt Brilon hat in einer öffentlichen Verhandlung beim Amtsgericht Brilon am 30.10.2017 selbst ausgesagt, dass er in der Nacht vom 15.05. auf den 16.05.2017 ab 03:50 Uhr bei einer Abschiebung in der Briloner Innenstadt im Einsatz war und er in dieser Nacht Bereitschaftsdienst für das Ordnungsamt hatte. Da er auch um 04:50 Uhr noch am Ort der Abschiebung gesehen wurde, muss er sich mindestens eine Stunde lang dort aufgehalten haben.
Der in derselben Gerichtsverhandlung ebenfalls als Zeuge geladene Hausmeister war mindestens ab 03:00 Uhr im Einsatz und wurde auch um 04:50 Uhr noch in dem Haus, in dem die abgeschobene Familie wohnte, gesehen. Es handelte sich also nicht “lediglich um das Aufschließen einer Tür” “im Vorfeld einer Abschiebung”.
Daraus ergeben sich folgende weitere Fragen zu diesem Fall:
…
2. Wie oft wurde dieser Arbeitsvermittler bereits als Bereitschaftsdienst für das städtische Ordnungsamt eingesetzt?
3. Wird der Arbeitsvermittler auch in Zukunft noch als Bereitschaftsdienst für das städtische Ordnungsamt eingesetzt werden?
4. Welche Tätigkeiten hat der Hausmeister während seines etwa zweistündigen Einsatzes bei der Abschiebeaktion am 15./16.05.2017 ausgeführt?
5. Der Arbeitsvermittler wird aus Bundesmitteln bezahlt. Im letzten Jahr wurden im HSK insgesamt etwa 1,7 Mio Euro den für die Vermittlung und Aktivierung von Arbeitslosen bestimmten Sachmitteln entzogen und für die Aufstockung des Teil-Etats für Personal und Verwaltungskosten verwendet. Durch sachfremde Einsätze von Mitarbeitern des Jobcenters steigt der Bedarf für diese sog. Umschichtung.
Welche Erstattung aus dem Etat des städtischen Ordnungsamtes an das SGB II-Budget erfolgt für sachfremde Einsätze des Arbeitsvermittlers?…”
Bürgermeister Dr. Bartsch schreibt
Was in unserer kleinen Doku jetzt noch fehlt, ist die Antwort aus dem Rathaus in Brilon. Hier ist sie:
„auf Ihre o. g. Anfrage erteile ich Ihnen hiermit folgende Informationen:
2. Die Person hat in 2017 zehnmal Rufbereitschaft für die Ordnungsbehörde abgeleistet.
3. Ja.
4. Der Hausmeister hat die Tür der Liegenschaft geöffnet. Auf Verlangen der Ausländerbehörde ist er weiter vor Ort geblieben und hat nach Beendigung der Maßnahme das Gebäude wieder abgeschlossen. Im Verlauf der Abschiebung ergab sich eine Gefahrensituation für ein Familienmitglied, der Hausmeister hat mit zwei Polizeibeamten versucht, einen möglichen Absturz zu verhindern. Aufgrund der besonderen Gefährdungslage wurde von der Polizei der Mitarbeiter der Rufbereitschaft des Ordnungsamtes im Rahmen der Aufgabenumsetzung nach dem PsychKG anlassbezogen hinzugezogen.
5. Die Personalkosten sind für das Jahr 2017 noch nicht mit dem Bund abgerechnet. Die Kosten der Rufbereitschaft werden darin auch nicht enthalten sein. Außerdem erfolgt die Abrechnung der SGB II-Stellenanteile lediglich mit pauschal 98 %‚ um ggf. angefallene Überstunden auszugleichen. Die Rufbereitschaft findet außerhalb der Dienstzeit statt. Während der Dienstzeit erfolgt keine Tätigkeit für die Ordnungsbehörde. Sämtliche für die Rufbereitschaft aufgewendeten Pauschalbeträge für die Abgeltung der Rufbereitschaft werden für alle im Bereich der Rufbereitschaft eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Produktgruppe 0201 Öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgewiesen.
…”
Die Antwort des Bürgermeisters enthält leider mehrere gravierende inhaltliche Fehler. So beginnt die “Dienstzeit” eines Beamten mit der ersten Berufung ins Beamtenverhältnis (§ 6 LBeamtVG) und dauert bis zur Pensionierung. Der Einsatz der Arbeitsvermittlers wurde also doch während der Dienstzeit ausgeführt. Und wenn während der Rufbereitschaft eines Beamten eine “Heranziehung zur Dienstleistung” erfolgt, wied diese Zeit sogar auf die wöchentliche “Arbeitszeit” des Beamten angerechnet (§ 6 AZVO). Soll hier vernebelt werden?
Tatsache ist, dass der Arbeitsvermittler, dessen Personalkosten mit dem Bund abgerechnet werden, während seiner Dienstzeit vom Briloner Bürgermeister für Bereitschaftsdienste des Ordnungsamtes eingesetzt wird und einen Teil seiner Arbeitszeit sogar für die Mitwirkung an der Abschiebung einer gerade aus einem Krankenhaus entlassenen Mutter und ihrer beiden Söhne erbracht hat!
Wenn sich weitere „Instanzen“ zu diesem unglaublichen Vorfall äußern sollten, schreiben wir gerne eine Fortsetzung.