Kommentar zum Artikel „Umweltprozess eingestellt: Schuldige am PFT-Skandal nicht verurteilt“ (WAZ-Gruppe vom 11. April 2013)
Dieser Artikel [http://www.derwesten-recherche.org/2013/04/umweltprozess-eingestellt-schuldige-am-pft-skandal-nicht-verurteilt] von David Schraven – vermutlich unter Mithilfe von Harald Friedrich entstanden – erinnert an die Methode der Fa. GW Umwelt. Einer Menge brauchbarer und richtiger Inhaltsstoffe (für die Düngung bzw. an Fakten) wird eine gehörige Dosis potenziell giftigen Materials aus zweifelhafter Quelle untergejubelt. Damit lässt sich viel Geld verdienen, ähnlich wie es die Fa. GW Umwelt jahrelang mit dem von ihr vertriebenen „Bodenverbesserern“ gemacht hat. Mit dem hier angesprochenen Artikel kann man im übertragenen Sinne Quote machen und das Ziel verfolgen, alte Rechnungen zu begleichen.
So wird zwar richtig beschrieben, wie 2006 die Möhne-, Ruhr- und Trinkwasserverseuchung mit PFT aufgedeckt wurde und die Fa. GW Umwelt als Verursacher identifiziert wurde, aber sogleich wird vermischt, die Wahrheit verdünnt und der Eindruck erweckt, als wäre dies Nebensache, gemessen an den angeblichen „Verbrechen“ des Ruhrverbandes, der „ungeeignete Anlagen zur Giftentfernung“ betreibt. Dabei ist die Wahrheit relativ einfach, gut untersucht und durchaus nachvollziehbar:
Die Mitte 2006 festgestellte Belastung des Möhne-Flusses und der Möhne-Talsperre mit Werten bis zum sechsfachen des Vorsorgewertes an PFT für Trinkwasser (0,1 µg/l) wurde nahezu alleine durch den Eintrag von PFT in Form der Verbindung PFOA aus den Flächen, auf denen der angebliche Dünger “Terrafarm” aufgetragen wurde, verursacht. Diese Flächen liegen im näheren Einzugsbereich der Möhne, besonders bei Brilon-Scharfenberg und bei Rüthen. Dies haben Untersuchungen des LANUV, des Hygiene Institutes, des Instituts für Umwelt-Analyse (IFUA) und auch des Ruhrverbandes zwei-felsfrei ergeben.
So teilte das LANUV der Staatsanwaltschaft Bielefeld brieflich am 3.9.2008 mit:
“Insgesamt kann festgestellt werden, dass die durch Bodenverunreinigungen bedingte und auf „Bioabfälle“ der Firma GW Umwelt zurückgeführte PFOA-Belastung im Rohwasser des Wasserwer-kes Möhnebogen nachweislich zu einer Überschreitung des gesundheitlichen Orientierungswertes (GOW) von 0,1 μg/l (PFOA) geführt hat…..Anhand der vorliegenden Messwerte und bei realistischen und im Untersuchungszeitraum tatsächlich gemessenen Abflussbedingungen durch Frachtberechnungen kann festgestellt werden, dass die beim Wasserwerk Möhnebogen gefundenen PFOA-Konzentrationen in Höhe von 0,5 bis 0,6 μg/l zu 100 % durch die ermittelten Emissionen aus den verunreinigten Flächen erklärt werden können.”
Belegt wurde dies im weiteren Verlauf auch dadurch, dass die Giftgehalte in Möhne-Fluß und -Talsperre und auch in der Ruhr deutlich heruntergingen, nachdem eine Sanierungsanlage am Feld bei Scharfenberg in Betrieb ging und das mit PFOA belastete Sickerwasser durch Aktivkohlefilter säuber-te. Damit ist klar, dass durch die Verseuchung dieses Feldes die Trinkwasserbelastung im Wasserwerk Möhnebogen (an der Mündung der Möhne in die Ruhr) verursacht wurde und im Ergebnis 100.000 Menschen oder noch mehr eine um den Faktor 7 höhere Blutbelastung mit PFOA hatten als Men-schen in anderen Regionen.
Dass vor diesem Hintergrund ein „versierter Naturwissenschaftler“ namens Dr. Friedrich behauptete, dass auch die Belastungen an der Möhne durch Klärschlämme des Ruhrverbandes verursacht worden seien, ohne hierfür auch nur den geringsten Beleg beigebracht zu haben, ist höchst ärgerlich und trug wohl entscheidend zur Gerichtsverwirrung und dieser skandalösen Einstellung des Verfahrens bei.
Klar ist, PFT-Verbindungen waren/sind allgegenwärtig. Bis 2006 wurden diese auch ohne jegliche gesetzliche Beschränkung als Betriebsstoff mit wichtigen technischen Eigenschaften eingesetzt. Ihre unangenehmen Eigenschaften (es handelt sich um PBT – Stoffe, d.h. persistent, bioakkumulativ und toxisch) wurden von der Industrie, vom Gesetzgeber und daher auch von den Aufsichtsbehörden zu lange ignoriert. Niemand, auch nicht der Ruhrverband war daher verpflichtet, PFT gezielt zu entfernen. Es wäre auch völlig falsch gewesen, die Reinigung in den großen Kläranlagen des Verbandes durchzuführen. Dies geht effektiv nur durch betriebliche Anlagen, z.B. mit Ionenaustauschern oder durch geschlossene Kreisläufe in den Betrieben. Solange es diese nicht gab oder gibt, wurde oder wird, abhängig von betrieblichen Vorgängen, ständig PFT mit dem Abwasser aus den Kläranlagen in den Vorfluter gelangen.
Nun hat sich der „versierte“ Experte F. damit hervorgetan, dass er seitenweise „interne Papiere“ vorlegte, die hohe Abgaben an PFT aus Betrieben und Kläranlagen des Ruhrverbandes belegen sol-len. Daraus hat er dann Frachten hochgerechnet, wobei unklar war und blieb, ob es sich hierbei um kontinuierlich abgegebene Mengen, statistisch valide berechnete Durchschnittswerte oder einzelne maximale Werte handelt. Es ist doch klar, dass Frachten über längere Zeiträume nur seriös berechnet werden können, wenn für den gesamten Zeitraum die Wertebasis übereinstimmt. Gerade bei zyklischen Produktionen im batch-Verfahren (z.B. Ansetzen galvanischer Bäder und deren stoßweise Abgabe in das Abwasser) werden periodisch hohe Werte emittiert. Rechnet man diese kurzzeitigen Ereignisse mit hohen Werten dann mit der kontinuierlich abgegeben Wassermenge hoch, erhält man beliebig hohe Frachtwerte. Nimmt man Phasen geringerer Emission, erhält man extrem niedrige Werte. Von daher lassen sich Frachtangaben oder abgegebene Mengen von Firmen nur korrekt bilanzieren, wenn diese mit kontinuierlich arbeitenden Probenahmesystemen, z.B. in Form von 24h-Mischproben, genommen wurden.
Es ist selbstverständlich klar, dass man über die vielen Jahre der (leider) legalen Abgabe von PFT in die gesamte Ruhr über Betriebe und Kläranlagen eine größere Menge an PFT zusammenrechnen kann, als dies in der auf eine Dauer von ca. 3 bis 4 Jahren festgestellten PFT-Verklappung auf die Fel-der durch die Fa. GW Umwelt der Fall war. Aber im Falle GW Umwelt wurde das Gift in hoher Dosierung aufgebracht und verursachte entsprechend hohe PFT–Konzentrationen, v.a. in der weniger Wasser führenden Möhne, und beeinträchtigte entsprechend Talsperre und Trinkwasser. Dass das Paderborner Gericht diese Sachverhalte nicht aufklären und auseinanderhalten konnte, ist schon ein beispielloses Versagen und müsste zu dienstlichen und politischen Konsequenzen, v.a. zur Einführung einer besser geschulten Umweltstaatsanwaltschaft führen. Und dass der ehemalige Abteilungsleiter, der vor allem alte Rechnungen begleichen wollte, dieses Paderborner Laientheater aufs Glatteis führen konnte, ist nahezu unglaublich. Auch die Tatsache, dass die kritische Presse nicht in der Lage war differenzierter zu urteilen, sehen wir als Armutszeugnis. Was für ein Fiasko für das Umweltstraf-recht!
Was bleibt: Fast alle Fachverbände und Fachleute sind sich einig, dass die vorübergehende, viel zu hohe PFT-Belastung der Möhne durch die “Bodenverbesserer” der Fa. GW Umwelt verursacht wurden. Zigtausende Tonnen verseuchten Materials wurden auf Feldern v.a. im Einzugsbereich der Möhne aufgebracht. Die Sanierung wird noch mehr als ein Jahrzehnt andauern.
Nur ein ehemaliger leitender Mitarbeiter des Landesumweltministeriums sieht das alles anders. Er behauptet weiter wider besseres Wissen, dass im Einzugsbereich der Möhne andere Einleiter für den überwiegenden Teil der PFT-Vergiftung verantwortlich sind.
Es ist also nicht gelungen, diejenigen, die tatsächlich für den PFT-Skandal verantwortlich sind, strafrechtlich zu verurteilen. Die Staatsanwaltschaft hat die Einstellung des Verfahrens gegen die Leitung der Fa. GW Umwelt beantragt, und das Gericht hat so entschieden. Für das Landgericht Paderborn sind nun alle Beteiligten unschuldig. Und damit gibt es auch kaum Chancen, die Verursacher für die Folgekosten haftbar zu machen. Wer wundert sich da noch, wenn diese Art der Justiz Nachahmer ähnlicher Aktionen hervorbringt?? Staatsanwaltschaften sind nach §§ 146 f. Gerichtsverfassungsgerichtsgesetz weisungsgebundene Behörden. Vielleicht erfahren wir ja noch eines Tages, ob irgendwer der Staatsanwaltschaft die Weisung erteilt hat, die Einstellung dieses Verfahrens zu beantragen? Und ob irgendwer den Ex-Ministerialbeamten “gesteuert” hat?
Paul Kröfges, Landesvorsitzender des BUND in NRW (bis 26.5.13), Windeck
Reinhard Loos, Geschäftsführer der Briloner Bürgerliste, SBL-Kreistagsmitglied im HSK, Brilon