Verbrannte Kommunalfinanzen – Fortsetzung
Wie hier berichtet, wurde am Donnerstag beim Landgericht in Arnsberg über die Schadenersatzklage eines bayerischen Holzunternehmens gegen die Stadt Brilon verhandelt.
Das Ergebnis: Das Landgericht entschied, dass die Stadt schadenersatzpflichtig ist.
Der Verlauf der Verhandlung zeigte, dass die Stadt eindeutig vertragsbrüchig geworden war. Das könnte auch noch ein Fall für den Landrat als Kommunalaufsicht werden. Bereits im Jahr 2020 hatten sich zwei Briloner Ratsmitglieder wegen eines anderen Holzliefervertrages an den Landrat gewandt; damals schritt die Kommunalaufsicht jedoch nicht ein.
Worum geht es im aktuellen Verfahren? Im Jahr 2020 gab es wegen massiven Borkenkäferbefalls sehr große Mengen an Fichtenholz, die aus den Wäldern geholt und verkauft werden mussten. Das Problem hatten viele Waldbesitzer.
Die Stadt Brilon schloss im Herbst 2020 mit dem bayerischen Unternehmen zwei Verträge über insgesamt 80.000 Festmeter ab. Es handelte sich um sog. Selbstwerberverträge. Dies bedeutet, dass der Waldbesitzer zum einen Holz verkauft und zum anderen den Vertragspartner beauftragt, die Bäume zu fällen und selbst aus dem Wald abzutransportieren. Es handelt sich also um einen kombinierten Dienstleistungs- und Kaufvertrag. Der Auftraggeber und Verkäufer legt die Flächen fest, aus denen sich der Vertragspartner das Holz holt; den Rest erledigt das Unternehmen. Der zu zahlende Preis entsteht aus der Differenz zwischen dem Wert der Holzes und den Kosten für die Dienstleistungen.
Die zwischen der Stadt Brilon und dem bayerischen Unternehmen abgeschlossenen Verträge enthielten die Klausel, dass die Liefermenge um 30.000 Festmeter gekürzt werden könne, wenn nicht ausreichend Holz zur Verfügung stünde. Andere Gründe zur Reduzierung der Liefermenge waren nicht vereinbart.
Die Verträge hatten eine Laufzeit bis zum 31. Mai 2021. Als Mitte April 2021 noch 35.000 von den vereinbarten 80.000 Festmetern Holz fehlten, wandte sich das Unternehmen an die Stadt Brilon mit der Aufforderung, ihm Flächen zum weiteren Abholzen zu benennen. Die Stadt erklärte jedoch, die Verträge seien bereits “erfüllt” und gab dem Vertragspartner keine Möglichkeit zum weiteren Holzeinschlag. Einigungsversuche scheiterten; die Stadt Brilon bot eine Zahlung von nur etwa 1/10 des nun geforderten Betrages an.
In der Verhandlung stellte das Landgericht fest, dass der einzige denkbare Grund für eine Mengenkürzung – zu wenig Holz vorhanden – nicht vorlag. Die Stadt hatte selbst an anderer Stelle erklärt, dass ausreichend Holz zur Verfügung stünde. Also habe die Stadt den Vertrag rechtswidrig nicht erfüllt und sei daher schadenersatzpflichtig.
Über die tatsächliche Höhe des Schadenersatzes wurde noch nicht entschieden. Ein oder mehrere Gutachter sollen den nun feststellen. Dabei geht es u.a. um den maßgeblichen Zeitpunkt für den Holzwert, um den zu akzeptierenden Anteil an (minderwertigem) Industrieholz und um die Kosten für die Holzfällung und den Transport. Vor der Beauftragung der Gutachter wird das Landgericht jedoch abwarten, ob die Stadt Brilon beim Oberlandesgericht Hamm Berufung einlegt. Dann würde sich das Verfahren voraussichtlich über etwa zwei weitere Jahre hinziehen.
Politisch sollte über den Schadenersatz hinaus nun aber auch geklärt werden,
– wer das dem bayerischen Unternehmen zugesagte Holz tatsächlich erhielt und aufgrund welcher Umstände,
– wer für die Vertragsverletzung verantwortlich und ggf. haftbar ist,
– ob eine Beteiligung des zuständigen politischen Gremiums an den Vertragasabschlüssen erfolgte, oder ob der Bürgermeister eigenmächtig handelte.
Dies könnten spannende Fragen werden. Denn insbesondere wird zu klären sein, ob ein großes heimisches Unternehmen, dem sehr gute Beziehungen ins Briloner Rathaus nachgesagt werden, zusätzliche Holzmengen erhielt. Und in den einsehbaren Tagesordnungen des für solche Angelegenheiten zuständigen Haupt- und Finanzausschusses ist kein Tagesordnungspunkt zu finden, aus dem eine Beteiligung des Gremiums hervorgeht.
Wer das klären kann?
Naheliegend wäre, dass die Presse sich dafür interessiert und investigativ berichtet. Das wäre in vielen Regionen nun selbstverständlich, ist im HSK aber eher unwahrscheinlich. Statt dessen ist die Berichterstattung in der WP über dieses Verfahren ein weiterer Beleg für den Niedergang der Lokalpresse, denn in dem Artikel sind viele “Fakten” falsch, z.B. über die Mengen und über das weitere Verfahren. Kritische Fragen werden dort keine gestellt. Die Situation der Lokalpresse wurde jüngst im Blog “Zoom” erneut analysiert.
Und als zuständige Institution ist nun der Landrat als gesetzliche Kommunalaufsicht gefordert, wie oben schon erwähnt. Auch dort war aber die Konfliktbereitschaft mit dem Kommunen war in den letzten Jahren nicht sehr ausgeprägt…