Am gestrigen Donnerstag fand ein denkwürdiger Strafprozess beim Amtsgericht Brilon sein Ende. Seit fast einem Jahr lief dort ein Verfahren, das von der Leitung der Kreispolizeibehörde Meschede gegen SBL-Kreistagsmitglied Reinhard Loos eingeleitet worden war.
Auslöser war ein Bagatellunfall auf dem Gelände einer Tankstelle in Brilon gewesen, der sich am 14. Februar 2012 ereignet hatte. Beteiligt war der Sohn von Reinhard Loos. Er rief seinen Vater an, damit dieser ihn – wie früher schon bei anderen Anlässen – als Rechtsbeistand unterstützte. Jeder Beschuldigte hat laut Strafprozessordnung das Recht, in jeder Phase einen Rechtsbeistand zu konsultieren, auch schon vor der ersten polizeilichen Vernehmung. Obwohl sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft später ausdrücklich feststellten: „Die von Herrn Loos in dem Zusammenhang vorgetragene Interessenvertretung für seinen Sohn als Rechtsbeistand ist legitim“, verhinderten die an der Unfallstelle anwesenden Polizeibeamten jedes Gespräch zwischen Reinhard Loos und seinem Sohn. Eine dagegen am 19.02.2012 eingelegte Dienstaufsichtsbeschwerde ist nach etwa 17 Monaten immer noch unbeantwortet.
Schlimmer noch: Ein schwergewichtiger Polizeibeamter ging auf Reinhard Loos zu und stieß ihn mit beiden Armen so, dass er das Gleichgewicht verlor und zu Boden ging. Deswegen stellte Reinhard Loos Strafanzeige. Die „Ermittlungen“ stellte die Staatsanwaltschaft Arnsberg aber nach kurzer Zeit ein und lehnte die Eröffnung eines Verfahrens gegen den Polizeibeamten ab.
Statt dessen wurde nun die Leitung der Kreispolizeibehörde in Meschede aktiv. Sie stellte Strafanzeige gegen Reinhard Loos wegen „falscher Verdächtigung“. Die an der Unfallaufnahme beteiligten Polizeibeamten behaupteten als „Zeugen“ in ihren schriftlichen Aussagen, Reinhard Loos wäre der beteiligten Polizeibeamtin R. immer näher gekommen, auch als die bereits zurückgegangen sei, so dass sie sich bedrängt gefühlt habe. Daraufhin hätte der Polizeibeamte G. schützend seinen Arm zwischen sie und Reinhard Loos gelegt…
Die Staatsanwaltschaft Arnsberg erstellte aufgrund der Strafanzeige der Kreispolizei einen Strafbefehl über 3.000 Euro, den das Amtsgericht Brilon unterschrieb und Reinhard Loos am 14.08.2012 zustellen ließ. Erst dadurch erfuhr er von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren.
Der Beschuldigte wurde von Polizei und Staatsanwaltschaft nie zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen gehört, er hatte keine Gelegenheit sich zur Sache zu äußern. Der Anspruch auf „rechtliches Gehör“ ist aber in der Strafprozessordnung garantiert. Wenn eine Staatsanwaltschaft diesen obligatorischen Schritt ignoriert, ist das in einem demokratischen Rechtsstaat sehr bedenklich.
Gegen den Strafbefehl legte Reinhard Loos am 16.08.2012 fristgerecht Einspruch ein. Im September nahm er Akteneinsicht und entdeckte dabei auch eine CD, auf der eine Videoaufnahme sein sollte. Zwar behaupteten sowohl die Polizei als auch die Generalstaatsanwaltschaft in ihren in den Akten enthaltenen Stellungnahmen, der Vorgang sei auf dem Video nicht zu sehen. Das glaubte der Beschuldigte aber nicht. Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang es ihm schließlich, in den Räumen des Gerichts auch das Video anzusehen, das auf dem Tankstellengelände aufgenommen worden war. Darin bestätigte sich der von ihm geschilderte Ablauf deutlich, ebenso wie die Unwahrheit der Aussagen der Polizeibeamten.
Erst am 18.02.2013 kam es zur ersten Hauptverhandlung, in der Reinhard Loos einen Ablehnungsantrag gegen die Richterin A. stellte. Es handelte sich um eine “Richterin auf Probe”, die jederzeit von ihrer vorgesetzten Dienststelle (Landgericht Arnsberg) hätte versetzt oder abgelöst werden können. Die Richterin erklärte in einer Stellungnahme z.B., sie hätte den von der Staatsanwaltschaft erstellten Strafbefehl nach „Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnung“ unterschrieben.
Der Ablehnungsantrag gegen die Richterin wurde zwar abgelehnt, aber trotzdem wurde die Richterin anschließend „ausgewechselt“. Nach fast 5 Monaten Unterbrechung wurde das Verfahren am 11.07.2013 fortgesetzt. Nun führte der Amtgserichtsdirektor S. selbst den Vorsitz. Auch der Staatsanwalt war jetzt ein anderer.
Im Verlauf der Verhandlung wurde dann das von den Überwachungskameras der Tankstelle aufgezeichnete Video vorgeführt. Dort war deutlich zu sehen, dass erst die Polizeibeamtin R. und dann der schwergewichtige Polizeibeamte G. auf Reinhard Loos zuging. Aus der Bewegung heraus stieß G. beide Arme heftig gegen Reinhard Loos, der sich vorher nicht von der Stelle bewegt hatte. Nachdem sich der Staatsanwalt das Video ungefähr 20mal angesehen, den Richter lange Zeit ratlos angeschaut und einige hektische Telefonate geführt hatte, beantragte der Staatsanwalt selbst den Freispruch des Angeklagten. Die zahlreichen als Zeugen geladenen Polizeibeamten wurden nicht mehr vernommen.
Der Richter verkündete den Freispruch, entschuldigte sich beim Angeklagten für die Ermittlungsfehler der Polizei und stellte fest, das „hätte nicht passieren dürfen“.
Fortsetzung wird folgen …