Wo sollen die Arnsberger Bürgerinnen und Bürger geimpft werden?
Die SBL hat ja selten Anlass, den Landrat gegen Kritik zu verteidigen – wobei es überhaupt selten vorkommt, dass in der heimischen Presse kritische Äußerungen über den Landrat veröffentlicht werden.
Aber diesmal ist alles anders. Es geht um den Standort und um die Tätigkeit des Impfzentrums gegen Covid-19 (Corona). Das wurde in der Olsberger Konzerthalle eingerichtet. Eigentlich sollte es ab 15. Dezember genutzt werden. Aber da war noch kein Impfstoff verfügbar. Nun werden richtigerweise zunächst die Bewohner der Alten- und Pflegeheime geimpft. Das geht nicht im Impfzentrum, sondern nur durch mobile Impfteams. Wobei die Vorbereitung nicht so einfach ist, denn vor der Impfung muss jede(r) eine Einwilligungserklärung unterschreiben bzw. Betreuer oder Angehörige, die für sie/ihn handeln können. Nach den von uns eingeholten Informationen wird das Impfzentrum erst ab etwa 15. Januar genutzt werden.
Zuständig für den Betrieb und die Organisation des Impfzentrums ist die Kassenärztliche Vereinigung (KVWL). Deren für die Kreise HSK und Soest zuständige Bezirksstelle sitzt in Arnsberg. Beobachter der Tätigkeit dieser Bezirksstelle haben schon mal den Eindruck gewonnen, dass dort Funktionäre viel Einfluss haben…
Die Konzerthalle in Olsberg ist groß genug für ein Impfzentrum mit 4 Impfstraßen. Aber für viele Einwohner aus Arnsberg und Sundern (vor allem der Ortsteile wie z.B. Allendorf, Hövel, Herdringen, Bachum) ist der Weg sehr weit. Daher liegt es nahe, im HSK eine zweite Impfstelle einzurichten, im Westkreis. Schließlich ist der HSK mit 1.960 km2 der flächengrößte Kreis in NRW, nur wenig kleiner als das gesamte Bundesland Saarland (2.400 km2). Dies wurde auch von den Mitgliedern des Kreisausschusses in der Sitzung am 16.12.2020 so gefordert, und der Landrat sagte zu, sich dafür einzusetzen: „Ich möchte nochmals deutlich machen, dass ich gerne auch im Raum Arnsberg eine Impfstelle sehen würde.”
Nun aber startete der Leiter der KVWL-Bezirksstelle deswegen per Lokalpresse einen Angriff gegen den Landrat, der nichts anderes getan hatte als wie es einmütig von der Kommunalpolitik gefordert worden war. „Die Forderung des HSK gegenüber dem Land NRW, ein zweites Impfzentrum im Westen des Kreises bereitzustellen, ist unrealistisch, wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen und logistisch nicht zu stemmen“, erklärte laut Presse der KVWL-Funktionär. Es sei völlig unverständlich, dass bei dieser Faktenlage jetzt von der politischen Verwaltungsspitze des Kreises der Ruf nach einem weiteren Impfzentrum ergeht. “Nur, wer sich mit der Materie ernsthaft beschäftigt, wird die immense Komplexität einer solchen Massenimpfung unter verschärftem Zeitdruck mit einem besonderen, hoch wirksamen aber sehr schwierig zu lagernden Impfstoff erkennen und schon allein deswegen die Kräfte auf einen Standort bündeln müssen”.
https://www.wp.de/staedte/altkreis-brilon/corona-impfzentrum-olsberg-gnadenlose-kritik-an-hsk-landrat-id231213840.html
Aber wie ist die Faktenlage:
1. Die Einrichtung von Impfzentren ist generell sehr fragwürdig. Wesentliche Teile der Bevölkerung können dort sowieso nicht geimpft werden. Die anderen könnten problemlos ihre Corona-Impfung – wie z.B. bereits die Grippe-Impfungen – bei ihren Hausärzten erhalten. Die schaffen bereits in Deutschland pro “Saison” 20 bis 30 Mio Grippeimpfungen.
Auch die Lagerung des Impfstoffes wäre dafür kein Hindernis. Nach aktuellen Informationen des Herstellers kann der Impfstoff 5 Tage lang bei normaler Kühlschranktemperatur gelagert werden. Solche Kühlschränke gibt es in jeder Arztpraxis. Die könnten ein- oder zweimal pro Woche beliefert werden. Nach der “Aktivierung” muss der Impfstoff dann innerhalb von 6 Stunden verabreicht werden.
https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/BioNTech-gibt-in-Sachen-Impfstoff-Kuehlung-Entwarnung-415201.html
In den Arztpraxen wäre auch die Aufklärung der Patientinnen und Patienten vor der Impfung viel einfacher, weil wichtige Informationen dort bereits bekannt sind.
2. Die Erreichbarkeit des Impfzentrums in Olsberg ist für mehr als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner des Kreises tatsächlich schlecht. Nicht jede(r) hat beliebig ein Kfz zur Verfügung, mit dem – jedes Familienmitglied zu unterschiedlichen Impfterminen! – sie/er mal eben zweimal nach Olsberg und zurück fahren kann.
Die Reisezeiten von den Arnsberger und Sunderner Ortsteilen mit dem ÖPNV zur Konzerthalle betragen für die beiden notwendigen Impfungen insgesamt etwa 14 Stunden. Wer z.B. in Enkhausen wohnt und um 11:30 Uhr in Olsberg seinen Impftermin hat, muss um 8:47 Uhr in den Bus steigen und damit fast 3 Stunden vor dem Impfbeginn sein Haus verlassen. Die Rückkehr würde nach etwa 7 Stunden erfolgen. 3 Wochen später gibt es dieselbe Prozedur noch einmal. Und es gibt noch weit entlegenere Ortsteile!
Wer es nachrechnen möchte: https://www.rlg-online.de/fahrtplaene-angebote/fahrplanauskunft.php
3. Wenn der KVWL-Funktionär die Kosten anführt, so sprechen gerade die nicht gegen einen zweiten Impfort im Kreisgebiet. Das Impfzentrum ist vor allem deswegen so teuer, weil diejenigen, die die KVWL dort anstellt, extrem hohe Vergütungen erhalten: 150 Euro für Ärzte (an Wochenenden sogar 185 Euro) und 38,50 Euro für Medizinisches Personal. Das ginge auch günstiger. Vor allem sind diese Personalkosten nicht davon abhängig, ob 4 “Impfstraßen” in Olsberg oder z.B. je 2 in Olsberg und Arnsberg betrieben werden. Der Mehraufwand für die Sachkosten wäre viel geringer als der Mehraufwand, den die betroffenen Bürgerinnen und Bürger nun für ihre 4 Fahrten z.B. zwischen Enkhausen und Olsberg zu tragen haben!
Fazit:
Wenn die KVWL schon auf solche Impfzentren setzt, dann sollten sie auch bürgernah sein!
Und der Landrat hat nichts anderes gemacht als auf das hinzuweisen, war ihm im Kreisausschuss vorgeschlagen wurde.