Die Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste adressierte am 05.05.2020 eine Anfrage zu „Gesundheitlichen Schäden resultierend aus der Tiermast“ an den Landrat bzw. an die Kreisverwaltung.
Klick:
http://sbl-fraktion.de/?p=9500
Am 15.06.2020 beantwortete die Organisationseinheit Wasserwirtschaft die Anfrage der SBL schriftlich.
Wir fassen den Inhalt des Schreibens hier zunächst kurz zusammen. Die komplette Antwort wollen wir Ihnen aber auch nicht vorenthalten.
Zusammenfassung
Zahl der Mastschweine
Im Hochsauerlandkreis (mit seinen rund 260.000 Einwohnern) werden z.Z. fast 60.000 Schweine gemästet, davon allein über 30.000 im Stadtgebiet Marsberg (ca. 20.000 Einwohner). Zweite Kommune in der Mast-Rangfolge ist Sundern mit über 7.000 Tieren, gefolgt von der Kreisstadt Meschede mit fast 6.500 Mastschweinen. In Winterberg und Bestwig kann von Massentierhaltung keine Rede sein. Für Winterberg meldet der HSK 3 Schweine, für Bestwig nur 1.
Antibiotika in der Tiermast = Eine unbekannte Größe
Zum Einsatz von Antibiotika in der Tiermast, auch über den des Reserveantibiotikums „Colistin“, kann der Hochsauerlandkreis keine Angaben machen. Valide Aussagen zu Verbrauchsmengen und zu den eingesetzten Wirkstoffen könnten über die TAM-Datenbank nicht getroffen werden.
Der Tierhalter sei verpflichtet, die Behandlung mit antibiotischen Präparaten in einer zentralen Datenbank (TAM) zu melden. Im Fall einer Überschreitung der bundesweiten Kennzahlen sei der Tierhalter verpflichtet, Maßnahmen zur Senkung des Antibiotikaverbrauchs zu ergreifen.
Nitratwerte – Wie oft und wo werden sie gemessen
Für das 1. Quartal 2020 lägen dem LANUV Stichproben aus mehreren Flüssen vor, z.B. aus der Möhne, Henne und dem Salweybach vor. Für die Bewertung sei das LANUV zuständig. Mehr sagt der HSK in seinem Schreiben zur aktuellen Situation leider nicht aus. Also, keine Angabe! Zwischen 2015 und 2018 wären die Parameter in den Fließgewässern im HSK unauffällig gewesen.
Höchster Nitratwert mit knapp unter 50 mg/l im „Schweineparadies“ Marsberg
Laut Angaben der Behörde liegen die jeweils höchsten Nitratwerte im HSK zwischen 47 mg/l im Stadtgebiet Marsberg und 5 mg/l in Winterberg. Schmallenberg (17 mg/l) weise (bezogen auf die letzten 10 Jahre) als einzige Kommune eine fallende Tendenz bei den Nitratwerten im Trinkwasser auf. In allen anderen Städten und Gemeinden sei der Nitratwert konstant.
Multiresistente Keime und Antibiotikarückstände in Gewässern – 2019/2020 soll eine größere Untersuchung erfolgen
Bezogen auf ausgewählte „EG-Badegewässer“ berichtet der HSK von „geringen Konzentrationen von antibiotikaresistenten Bakterien in einigen Proben“. Derzeit gebe es keine rechtliche Verpflichtung zur Untersuchung von Gewässern auf antibiotikaresistente Bakterien. Eine Bewertung dieser Befunde sei auch nicht möglich.
Ab 2015 bis Ende 2019 seien durch das LANUV aus Oberflächengewässern an 17 verschiedenen Messstellen im HSK mehr als 800 Messwerte für Antibiotika erhoben worden. Für den Zeitraum 2015 – 2018 lägen mehr als 40 Zustandsbewertungen vor. Das Ergebnis: Ausschließlich gute oder bessere Zustandsbewertungen.
Das LANUV hätte für 2019/2020 eine größere Untersuchungsstudie angekündigt.
(Zwischenergebnisse könnten ja vielleicht schon vorliegen?)
Und nun die vollständige Antwort des HSK an die SBL vom 15.06.2020:
„Sehr geehrter Herr Loos,
Zu Ihren Fragen nehme ich wie folgt Stellung:
Frage 1:
Ist im 1. Quartal 2020 die Zahl der Mastschweine im Stadtgebiet Marsberg weiter gestiegen? Wenn ja, um wie viele Tiere?
Laut aktueller Auswertung der Fachsoftware BALVI werden im Stadtgebiet Marsberg 30.417 Mastschweine gehalten. Die Auswertung basiert auf den Zahlen der rechtlich vorgeschriebenen Stichtagsmeldungen zu Beginn des Kalenderjahres. Die Zahl der Mastschweine hat sich somit gegenüber der letzten Auswertung, bei der rund 32.000 Mastschweine ermittelt wurden, nicht erhöht.
Frage 2:
Wie viele Mastschweine werden aktuell im gesamten Kreisgebiet gehalten? Wie verteilt sich der Tierbestand auf die einzelnen Städte und Gemeinden?
Lt. aktueller Auswertung der Fachsoftware BALVI werden im HSK 58.154 Mastschweine gehalten, die sich auf die Städte und Gemeinden wie folgt verteilen:
Stadt/Gemeinde Anzahl Mastschweine
Arnsberg 291
Brilon 5.731
Hallenberg 33
Marsberg 30.417
Medebach 435
Meschede 6.447
Olsberg 162
Schmallenberg 3.124
Sundern 7.254
Winterberg 3
Bestwig 1
Eslohe 4.256
Frage 3:
Welche Mengen Antibiotika mit welchen Wirkstoffen sind im Jahr2019 und im ersten Quartal 2020 im HSK in der Schweinemast eingesetzt werden?
Nach den gesetzlichen Vorgaben müssen Tierhalter ab einer bestimmten Anzahl an gehaltenen Mastschweinen die Behandlung mit antibiotischen Präparaten in einer zentralen Datenbank (TAM-Datenbank in HIT) melden. Aus den eingegangenen Meldungen wird in halbjährlichen Abständen die betriebliche Therapiehäufigkeit automatisiert errechnet. Überschreitet ein Betrieb bundesweit festgelegte Kennzahlen, ist der Tierhalter verpflichtet, Maßnahmen zur Senkung des Antibiotikaverbrauchs zu ergreifen.
Die TAM-Datenbank dient somit der Ermittlung der betriebsindividuellen Therapiehäufigkeit. Valide Aussagen zu Verbrauchsmengen und zu den eingesetzten Wirkstoffen auf Kreisebene können über die TAM-Datenbank nicht getroffen werden. Aus diesem Grunde können hierzu keine Angaben gemacht werden. Auswertungen zu Daten der Gesamtmengen von in der Veterinärmedizin verwendeten Antibiotika, aufgeteilt nach Wirkstoffgruppen, erfolgen für das gesamte Bundesgebiet durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).
Frage 4:
Wurden und wird Schweinen und anderen „Nutztieren“ in den Mastbetrieben im HSK Präparate mit dem Wirkstoff „Colistin“ verabreicht, wenn ja, zu welchem Zweck und in welchem Umfang?
Tierarzneimittel mit dem Wirkstoff Colistin werden in der Schweinemast und der Geflügelmast im Rahmen eines engen lndikationsspektrums zur Behandlung von Darmerkrankungen, verursacht durch gegenüber Colistin empfindlichen E. coli-Stämmen, eingesetzt. Zu der Verbrauchsmenge wird auf die Beantwortung zu Frage Nr. 3. verwiesen.
Frage 5:
Wie häufig und wo genau wurden im ersten Quartal 2020 in unserem Kreisgebiet Nitratwerte gemessen?
Dem LANUV liegen für das erste Quartal 2020 für den Parameter Nitrat-Stickstoff (1245) bereits Stichproben aus der Hoppecke, Möhne, Lenne, Henne, Brabecke, Salweybach, Nesselbach, Sorpe II (Lenne), Gleierbach, Grafschaft und Latrop vor. Für die Beprobung und Bewertung der in den Wasserkörpern gelegenen Messstellen ist das LANUV zuständig. Im Rahmen des 4. Monitoringzyklus (2015 bis 2018), der maßgeblich für die Aufstellung des Bewirtschaftungsplans und des Maßnahmenprogramms ist, ist dieser Parameter in den Fließgewässern im HSK unauffällig.
Frage 6:
Wie hoch sind aktuell die Nitratwerte im Trinkwasser in den einzelnen Städten und Gemeinden im HSK? Wie ist die Tendenz? Wir bitten um Angaben für jede einzelne Kommune.
Die Trinkwasserversorgung im Hochsauerlandkreis ist dezentral aufgestellt. Es gibt innerhalb der Kommunen des HSK also meist mehrere Versorgungsgebiete mit zum Teil voneinander abweichenden Wasserqualitäten. Da eine Auflistung nach einzelnen Kommunen erwünscht ist, ist hier immer der höchste Wert an Nitrat aus den betreffenden Versorgungsgebieten der jeweiIigen Kommune angegeben. Das Versorgungsgebiet ist in Klammern benannt. Die Tendenz wurde anhand der Ergebnisse der letzten zehn Jahre ermittelt:
Arnsberg (u.a. Neheim-Hüsten) = 13 mg/l, Tendenz = konstant
Bestwig (u.a. Velmede, Bestwig) = 14 mg/l, Tendenz = konstant
Brilon (u.a. A|me, Kernstadt) = 22 mg/l, Tendenz = konstant
Eslohe (Wenholthausen) = 21‚2 mg/l, Tendenz = konstant
Hallenberg = 19,9 mg/l, Tendenz = konstant
Marsberg (u.a. Kernstadt) = 47 mg/, Tendenz = konstant
Medebach = 6 mg/l, Tendenz = konstant
Meschede (u.a. Kernstadt, Freienohl) = 14 mg/l, Tendenz = konstant
Olsberg (u.a. Bigge, Olsberg) = 7,5 mg/l, Tendenz = konstant
Schmallenberg (u.a. Berghausen, Dorlar) = 17 mg/, Tendenz = fallend
Sundern (u.a. Kernstadt) = 22 mg/l, Tendenz = konstant
Winterberg (u.a. Kernstadt) = 5,0 mg/l, Tendenz = konstant
Frage 7:
Werden im HSK mittlerweile Gewässer (Fließgewässer, Seen, Talsperren, Teiche, etc.) auf „multiresistente Keime“ und Antibiotika getestet? Wenn ja, wie sind die Ergebnisse im Einzelnen?
Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) hat in seinem LANUV-Fachbericht 93 die Ergebnisse seiner Untersuchungen ausgewählter EG-Badegewässer auf antibiotikaresistente Bakterien und Antibiotikarückstände veröffentlicht. Demnach konnten nur in einigen Proben geringe Konzentrationen von antibiotikaresistenten Bakterien (4 KBE/100ml) festgestellt werden. Bei diesen Proben handelte es sich bereits um Badegewässer, die aufgrund ihres Einzugsbereiches zu mikrobiologischen Belastungen neigen. Die Badestellen an den Badeseen im Hochsauerland wurden zwar nicht in diese Untersuchungen mit einbezogen, neigen aber aufgrund ihres unbelasteten Einzugsbereiches viel weniger zu mikrobiologischen Belastungen als die im Fachbericht untersuchten Stellen. Derzeit gibt es keine rechtliche Verpflichtung zur Untersuchung von Gewässern auf antibiotikaresistente Bakterien, zumal bislang auch keine Bewertung dieser Befunde möglich ist. Eine alleinige Bewertung aufgrund des Nachweises von antibiotikaresistenten Bakterien ist nach derzeitigem wissenschaftlichem Stand nicht möglich. Untersuchungen sollten nur dann erfolgen, wenn eine Bewertungsmatrix für solche Befunde vorliegt. Das LANUV hat an 17 verschiedenen Messstellen im HSK im Zeitraum ab 2015 aus den Oberflächengewässern mehr als 800 Messwerte für Antibiotika erhoben. Gemessen wurde Sulfadimidin, Sulfamethoxazol, Clarithromycin, Erythromycin, Roxythromycin, Trimethoprim. Sulfadiazin, Sulfathiazol, De-hydrato-Erythromycin A und Metronidazol. Dort liegen Messwerte bis einschließlich Dezember 2019 vor. Für den 4. Monitoringzyklus 1201 5-2018) liegen mehr als 40 Zustandsbewertungen für 6 Oberflächenwasserkörper vor. An den OFWK „DE_NRW_276_182330″ (Ruhr), „DE_NRW_276168_0″ (Salweybach), „DE_NRW_2762_O” (Möhne) und „DE_NRW_276612_0″ (Nesselbach) wurden sämtliche vom LANUVNRW gemessenen Antibiotika bewertet. Es liegen ausschließlich gute oder bessere Zustandsbewertungen vor.
Frage 8:
Für den Fall, dass bisher noch nicht nach „multiresistenten Keimen“ und Antibiotika in Gewässern gesucht wurde und wird, wie lautet ihre Begründung? Warum erfolgten und erfolgen diese Untersuchungen trotz der bekannten Gesundheitsgefahren nicht? Wann ist mit der Durchführung zu rechnen?
siehe Antwort zu Frage 7
Das LANUV hat für die Jahre 2019/2020 eine größer angelegte Untersuchungsstudie zu diesem Thema angekündigt.“
Entwarnung? Jedenfalls nicht für`s Schwein. Und wie das für den homo sapiens aussieht, wenn die letzten Reserveantibiotika – wie Colistin – in der Tiermast verquast werden, ist auch höchst fraglich.