Änderungsantrag der SBL zur Stellungnahme zum Vogelschutzgebiet
Der Kreistag soll in seiner Sitzung am 18.06.2021 die Stellungnahme des HSK zum „Vogelschutzgebiet (VSG) Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ beschließen. Der Beschlussvorschlag von Landrat und Verwaltung sieht eine Ablehnung der Planungen vor, wegen angeblicher rechtlicher Fehler.
Dazu hat die SBL-Kreistagsfraktion am 14.06.2021 den folgenden Änderungsantrag gestellt:
“Sehr geehrter Herr Landrat,
die SBL-Kreistagsfraktion hat in ihrer heutigen Fraktionssitzung den folgenden Änderungsantrag zum Beschlussvorschlag in Drs. 10/190 beschlossen:
„Der Kreistag beschließt, dass der Hochsauerlandkreis im Verfahren ‚Beteiligung der Träger öffentlicher Belange …’ zu der beabsichtigten Gebietsmeldung DE-4517-401 ‚Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg’ keine Stellungnahme abgibt und damit dem Votum das Naturschutzbeirats folgt.
Die Verwaltung wird beauftragt, mit der Bitte um Initiierung von Verhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses einer Vereinbarung nach dem Muster der ‚Medebacher Vereinbarung’ bzw. der ‚Hellwegbördevereinbarung’ an die höhere Naturschutzbehörde bei der Bezirksregierung Arnsberg heran zu treten.“
Begründung
1.
Der von der Kreisverwaltung vorgelegte Entwurf hat offensichtlich das Ziel, das geplante Vogelschutzgebiet (VSG) zu verhindern. Damit wird er den Belangen des Natur- und Artenschutzes nicht gerecht, insbesondere nach dem am 29.04.2021 verkündeten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz.
Die vorliegenden Daten zeigen eindeutig, dass eine Fläche mindestens in der vom LANUV vorgeschlagenen Größe als Europäisches VSG ausgewiesen werden muss.
Auch Landesumweltministerin Heinen-Esser hat in der Videokonferenz am 17.05.2021 ausdrücklich die fachliche Kompetenz von LANUV und VNV, auf deren fachlicher Arbeit die nun vorgelegten Ergebnisse beruhen, hervorgehoben.
2.
Darüber hinaus ist der Entwurf der Stellungnahme auch unter juristischen Gesichtspunkten ungeeignet.
Als zentraler Kritikpunkt wird in dem von der Kreisverwaltung vorgelegten Entwurf genannt: „das bisherige Verfahren zur Festlegung der Gebietskulisse … entspricht nicht gesetzlichen Vorgaben des § 51 Landesnaturschutzgesetz NRW.
Danach ist die Ermittlung der Gebiete … ausdrücklich und ausschließlich Aufgabe des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. Es handelt sich insoweit um eine hoheitliche Aufgabe, die nicht von einer Privatperson – mag sie oder ihre Mitarbeiter, Mitglieder etc. noch so qualifiziert und integer sein – anstelle der Behörde übernommen werden darf.“
Konkret heißt es dazu in § 51 Abs. 1 Landesnaturschutzgesetz jedoch:
„(1) Die Gebiete, die der Europäischen Kommission von der Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7), die zuletzt durch die Richtlinie 2013/17/EU (ABl. L 158 vom 10.06.2013, S. 193) geändert worden ist, zu benennen sind, werden nach den in dieser Vorschrift genannten naturschutzfachlichen Maßgaben durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz ermittelt.“ (Unterstreichungen hinzugefügt, wie auch unten)
Nur die Ermittlung der Gebiete ist also allein dem LANUV übertragen, nicht aber die Beschaffung von Informationen, die zur Ermittlung der Gebiete führen. Das LANUV ist somit frei, auf welche fachlichen Quellen es sich bei der Ermittlung dieser Gebiete stützt, und es ist nirgendwo festgelegt, dass nur Beamtinnen und Beamte schützenswerte Vögel beobachten, zählen und kartieren dürfen, weil bereits dies eine hoheitliche Aufgabe sei.
Im konkreten Fall hat das LANUV aufgrund von Unterlagen des VNV, die dieser in jahrelanger fachlicher Arbeit erstellt hat und die vom LANUV überprüft wurden, die Gebietsabgrenzung vorgeschlagen. Damit sind alle gesetzlichen Anforderungen nach § 51 LNatSchG zweifelsfrei erfüllt.
Auch die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung macht keine Einschränkungen, wer an der Zählung der Vögel mitwirken darf, sondern betont die fachlichen Kriterien:
„Gehört ein Gebiet nach dem naturschutzfachlichen Vergleich zu den für den Vogelschutz ‚geeignetsten’ Gebieten, ist es zum Vogelschutzgebiet zu erklären… Die Identifizierung Europäischer Vogelschutzgebiete hat sich ausschließlich an ornithologischen Kriterien zu orientieren. Eine Abwägung mit anderen Belangen findet nicht statt.“ (BVerwG, Urteil vom 14.11.2002 – 4 A 15/02)
Im selben Urteil des BVerwG wird außerdem klar gestellt, dass wirtschafts- und verkehrspolitische Gründe keine Rolle spielen dürfen:
„Der erkennende Senat hat … die Überzeugung gewonnen, dass die Nichtmeldung des Nassanger-Gebiets maßgeblich auf wirtschafts- und verkehrspolitische Gründe zurückzuführen ist. Der Kl. hat in seiner dem Senat vorgelegten Stellungnahme zur bayerischen Gebietsauswahl von FFH- und Vogelschutzgebieten … substanziiert unter Heranziehung von Veröffentlichungen und Pressemitteilungen der Staatsregierung dargelegt, dass Gebiete aus der ursprünglichen „Prüfliste” des LfU unter anderem deshalb gestrichen wurden, weil sie Flächen für Straßenbauprojekte im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen enthielten.“ (ebenda)
So äußert sich auch die Fachliteratur:
„Ob ein bestimmtes Gebiet als Schutzgebiet auszuweisen ist, bleibt im Einzelfall oftmals politisch umstritten. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um eine Entscheidung, die nicht im Ermessen der zuständigen Behörde steht, denn bei der Auswahlentscheidung ist diese an ornithologische Kriterien gebunden.“ (Koch/Hofmann/Reese, Umweltrecht, Rn 91 zu § 7 Naturschutzrecht).
3.
Die Einleitung von Gesprächen, die zu einer Vereinbarung wie beim VSG „Medebacher Bucht“ führen, ist dagegen ein sinnvoller Ansatz. Gerade dieses ebenfalls im HSK gelegene VSG zeigt, dass die Ausweisung eines VSG viele Chancen nicht nur für den Artenschutz, sondern auch für die Landwirtschaft und den Erholungswert der Landschaft bietet.”