Kreisverwaltung bei Umweltangelegenheiten objektiv?
Erhebliche Zweifel, ob die Kreisverwaltung sich in Umweltangelegenheiten objektiv verhält, ergeben sich aus einer Antwort des Landrats auf eine schriftliche Anfrage der SBL-Kreistagsfraktion.
Bekanntlich hat der Verein für Vogel- und Naturschutz im HSK (VNV) angeregt, ein neues Vogelschutzgebiet bei Brilon und Marsberg auszuweisen. Das zuständige Landesamt (LANUV) hat die jahrelangen Beobachtungen seltener und schützenswertere Vogelarten (Neuntöter, Raubwürger und Grauspecht) durch den VNV bestätigt. Als Ergebnis schlägt das LANUV vor, ein ca. 120 ha großes Vogelschutzgebiet auszuwesen. Derartiger Schutzgebiete gibt es bereits in der Medebacher Bucht und in der Hellweger Börde; sie haben sich dort zur Zufriedenheit fast aller Beteiligten entwickelt.
Aber im HSK ist ja manches anders. CDU, SPD und FDP laufen “Sturm” gegen die Ausweisung, und die Kreisverwaltung scheint dabei Hilfsdienste zu leisten. Denn in ihrer Sitzungsvorlage (Drs. 10/190) für den Naturschutzbeirat und den Kreistag wird die Ablehnung auch mit wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Aspekten begründet.
Dabei ignorierte die Kreisverwaltung die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) völlig. Das BVerwG hat jedoch in einem Grundsatzurteil im Jahr 2002 festgestellt, dass für die Ausweisung von Vogelschutzgebieten ausschließlich ornithologische Gründe relevant sind und z.B. Wirtschafts- und Verkehrspolitik keine Rolle spielen dürfen (Urteil vom 14.11.2002 – 4 A 15.02).
In der Antwort des Landrats auf diesen bedenklichen Mangel heißt es nun:
“Ihren Hinweis aufgreifend, wonach die Verwaltung die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Ausweisung des Vogelschutzgebietes ignoriert hat ist anzuführen, dass der Stellungnahme zum Vogelschutzgebiet im Rahmen des Beteiligungsverfahrens vom Kreistag mehrheitlich zugestimmt wurde. Hierbei handelt es sich nicht um eine Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde, sondern um eine Stellungnahme der Gesamtverwaltung. Im Rahmen der Stellungnahme sind vom Kreistag u.a. als politische Forderungen geltend gemacht werden, bei der Ausweisung der Gebietskulisse anstehende lnfrastrukturmaßnahmen oder die Belange der Windkraftanlagenbetreiber zu berücksichtigen.”
Das macht die Angelegenheit noch schlimmer. Denn von dem für solche Angelegenheiten zuständigen Amt einer öffentlichen Verwaltung darf man erwarten, dass es sich mit der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzt, sie darstellt und ggf. abweichende Ansichten begründet. Bei der Anwaltskanzlei einer Partei wäre das anders.
Die Antwort des Landrats bedeutet aber, dass die Fraktionen darauf angewiesen, selbst entsprechende Recherchen anzustellen. Denn die Kreisverwaltung sieht ihre Aufgabe offensichtlich als erfüllt an, wenn der Kreistag eine Entscheidung getroffen hat, auch wenn die Verwaltung ihm vorher wesentliche Informationen vorenthalten hat. Vertrauensvolle Arbeit sieht anders aus…
Noch nicht beantwortet wurde übrigens eine weitere Anfrage der SBL, in der es um einen Ortstermin mit der Landesumweltministerin ging. Dazu wurden vom Landrat ausschließlich Gegner des geplanten Vogelschutzgebiets (VSG) eingeladen. Die Kreistagsfraktionen, die die Ausweisung des VSG unterstützen, wurden ebenso wenig beteiligt wie der VNV…