Vogelschutzgebiet: Deutliche Ablehnung für Vorschlag der Kreisverwaltung
Eine öffentliche Verwaltung sollte neutral und sachorientiert handeln. Das gelingt der Kreisverwaltung des HSK auch fast immer – aber manchmal scheint hier doch eine Lobby die Aktionen zu steuern. Diesen Eindruck konnte man am Montag (31. Mai) im Naturschutzbeirat gewinnen.
Es ging um die Stellungnahme des HSK zum geplanten Vogelschutzgebiet bei Brilon und Marsberg, die bis Ende Juni an Bezirksregierung und Landesumweltministerium gehen soll. Auf Veranlassung des Vereins für Vogel- und Naturschutz (VNV) hatte das für Naturschutz zuständige Landesamt (LANUV) vorgeschlagen, bei Brilon und Marsberg ein ca. 120 ha großes Vogelschutzgebiet neu auszuweisen. Aufgrund des Vorkommens der besonders geschützten Arten Raubwürger, Neuntöter und Grauspecht besteht dort nun bereits ein sog. faktisches Vogelschutzgebiet. Die Kartierungen des VNV waren vom LANUV bestätigt worden. Für ein faktisches VSG gilt – bis zur offiziellen Ausweisung als Vogelschutzgebiet – gesetzlich eine Veränderungssperre. Nach der Ausweisung können dann für einige Vorhaben Ausnahmegenehmigungen beantragt werden.
Mit der Erstellung des Entwurfs für die Stellungnahme beauftragte die Kreisverwaltung eine Münsteraner Anwaltskanzlei. Die war erwartungsgemäß nicht in der Lage, inhaltlich gegen die Ergebnisse von VNV und LANUV zu argumentieren, sondern konzentrierte sich auf formale Aspekte: Die “Ermittlung der Gebiete … zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen” sei “ausdrücklich und ausschließlich Aufgabe des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. Es handelt sich insoweit um eine hoheitliche Aufgabe, die nicht von einer Privatperson … anstelle der Behörde übernommen werden darf.”
Diese Ausführungen nutzen dem Vogelschutz rein gar nichts. Welche Rolle spielt es denn, ob erst der VNV und dann das LANUV die Feststellungen über die besonders geschützten Vogelarten trifft, oder das LANUV gleich selbst aktiv wird?? Wobei darauf hinzuweisen ist, dass das LANUV – ebenso wie andere Fachbehörden – regelmäßig auf die Kompetenz des VNV zurück greift.
In ihrem “Fazit” behaupteten die Anwaltskanzlei und die Kreisverwaltung dann, das Verfahren entspreche “so, wie es bislang geführt wurde, nicht den gesetzlichen Anforderungen.” Immerhin nennen die Autoren versteckt im Text auch die Gruppen, von denen sie beeinflusst wurden: den Waldbauernverband und den “Vertreter der Landwirte” (wobei darauf hinzuweisen ist, dass es sich nur um einzelne Funktionäre handelt).
Bemerkenswertes wurde von Mitgliedern des Naturschutzbeirates zu der formalen Kritik ausgeführt: Vor zwei Jahrzehnten ist das allseits anerkannte Vogelschutzgebiet “Medebacher Bucht” auf die gleiche Weise entstanden: Der VNV brachte seine Kartierungsergebnisse ein, und das LANUV setzte die Ergebnisse dann um. Damals sah niemand die Einleitung des Verfahrens als rein “hoheitliche Aufgabe” an. Besonders heftige Kritik wurde in diesem Zusammenhang aus dem Naturschutzbeirat auch an der zuständigen Abteilungsleiterin der Kreisverwaltung geübt: Sie würde die üblichen Abläufe nicht kennen. Und die Kreisverwaltung würde behaupten, dass die vom VNV vorgelegten Daten nicht dem üblichen Standard entsprächen. Aber die Landesumweltministerin, ihre Mitarbeiter und das LANUV hätten bei einer Videokonferenz am 17. Mai mit zahlreichen Teilnehmern hervorgehoben, dass die Daten einwandfrei seien. Zudem hätte die Ministerin auf die Kompetenz von VNV und LANUV hingewiesen und deutlich gemacht, dass der Artenschutz eine wichtige Aufgabe ihres Ministeriums ist. Sogar die von der Kreisverwaltung beauftragte Anwaltskanzlei habe Anfang Mai im Umweltausschuss vorgetragen, dass das Vogelschutzgebiet nicht zu verhindern sein. Der von der Kreisverwaltung vorgelegte Entwurf für die Stellungnahme sei substanzlos und auch durch Veränderungen nicht sinnvoll zu verbessern.
Das Ergebnis der Abstimmung im Naturschutzbeirat war eindeutig: Mit 8 : 3 Stimmen (also mit mehr als 70%) wurde die von der Kreisverwaltung vorgelegte Stellungnahme abgelehnt. Das letzte Wort hat am 18. Juni der Kreistag. Wird dann die Fachkompetenz oder die politische Lobby entscheidend sein?