Planungs-Desaster
Eigentlich dürfte niemand von der aktuellen Entwicklung zu Umbau und Erweiterung des Sauerlandmuseums in Arnsberg überrascht sein, denn sie war absehbar – wenn man es denn wahrhaben wollte. Der Hang, der direkt am Sauerlandmuseum etwa 20 Meter tief abgegraben werden soll, hat sich bei einer weiteren Bodenuntersuchung als instabil erwiesen. Nun werden aufwendige Maßnahmen zur Sicherung der Baugrube erforderlich werden.
Blenden wir zurück: Am 16.05.2013 beriet der Kulturausschuss in einer Marathon-Sitzung über das Projekt. Die SBL machte in dieser Sitzung auf die geologischen Probleme aufmerksam. In der Niederschrift des Kulturausschusses heißt es dazu:
“Auf die weitere Frage nach den von Herrn Loos gesehenen Risiken der Hangabgrabung erläutert Herr Bez, dass nach dem Architekten-Wettbewerb ein guter Geo-Techniker auf der Basis der vorliegenden Entwürfe die Bohrungen gezielt durchgeführt hat… Herr Wolff unterstützt diese Aussage und macht deutlich, dass schon im Architekten-Wettbewerb der dort hinzugezogene Fachmann das alternative Konzept vom Architekturbüro Bez+Kock für gut befunden hat. Herr Menke ergänzt, dass ein Bodengutachten gefertigt wurde und am Gebäude selbst bzw. auf dem Grundstück „Ruhrstraße“ 8 Bohrungen mit einer Tiefe von bis zu 20 m vorgenommen wurden.”
Die SBL hatte in dieser Sitzung und auch bei späterer Gelegenheit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Abgrabungen bei gleich drei Hängen in 5 km Umkreis zu Hangrutschen geführt hatten: In der “Millionenkurve” an der B7 bei Uentrop, am Seltersberg und an der Scherse an der A46. Einheimische wissen, dass diese Berge alle aus zerklüfteten, schrägen Gesteinsschichten bestehen. Doch das wollte niemand zur Kenntnis nehmen…
Nachdem der Kreistag am 21.06.2013 in geheimer Abstimmung das Reginale2013-Projekt Sauerlandmuseum mit Mehrheit beschlossen hatte, scheint doch noch irgendwer Bedenken bekommen zu haben. Oder durften die vor dem Beschluss des Kreistags nicht geäußert werden? Jedenfalls wurde nun endlich ein weiteres, genaueres Bodengutachten in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Es stellte sich – nicht ganz überraschend – ein Planungsdesaster heraus. Die Gesteinsschichten im Hang am Museumsberg sind zerklüftet und bestehen außerdem aus schräg verlaufenden Schichten von Grauwacke und Ton.
Aufgrund dieser Erkenntnisse aus dem neuen Bodengutachten gab es seit November eine “Denkpause”. Statt weiter planen zu können, wurden neue Konzepte entwickelt (und viel Zeit ging ins Land). Mit dem bisher geplanten Verfahren wäre die Baugrube nicht stabil, sondern stark abrutschgefährdet. Außerdem soll kein durchgehender Aufzugschacht unter dem Altbau errichtet werden, um dort nicht so tief in die Erde graben zu müssen. Die Mehrkosten für die Baugrube (mit sehr aufwendigen Abstützmaßnahmen, u.a. 30 Pfeiler mit zusammen ca. 900 m3 Beton und dem Einsatz von sehr schweren Spezialgeräten, für die flache und stabile Anfahrtrampen im Hang benötigt werden) sollen sich auf ca. 550 TEuro belaufen. Hinzu kommen 160 TEuro für die Verlängerung der Bauzeit, 65 TEuro für den zweiten Aufzugschacht und zusätzliche Planungskosten um mehr als 100 TEuro, so dass Kostensteigerungen von insgesamt fast 900 TEuro entstehen. Bei den Hochbaukosten sollen nun 150 TEuro eingespart werden, und auch die Kosten für die Vorbereitung der Ausstellungen sollen nun überraschenderweise um 120 TEuro sinken.
Es wurden 3 alternative Varianten entwickelt, die der für das Sauerlandmuseum eingerichteten Baukommission am 11.03.2014 vorgestellt wurden und am 19.03.2014 im Kulturausschuss beraten werden sollen.. Die eben genannten Mehrkosten gelten alle für die Variante A: Der Aufzug wird darin bis ins 3. Tiefgeschoss gebaut, also eine Ebene tiefer als der Altbau steht. Dort wechselt man zu einem weiteren, talnäheren Aufzug, der bis ins 5. TG hinunterführt. An den Räumen und Treppen gibt es einige Veränderungen.
Außerdem wurden eine Variante B (Wechsel des Aufzugs im 2. TG) und eine Variante C (Wechsel des Aufzugs im 1. TG) vorgestellt. C kommt nicht in Frage, da dann die Außenbauten viel höher würden, so dass sie den Altbau verdecken, und das 2. TG im Altbau funktionslos wäre. A ist architektonisch viel schöner und näher am bisherigen Entwurf als B, aber B wäre sicherer, weil bei A immer noch das vorhandene 2. TG des Altbaus untergraben werden muss. Bei B müßte man die Sohle des Altbaus nicht antasten. B soll aber weitere gut 100 TEuro teurer werden, C sogar fast weitere 400 TEuro.
4 der 5 anwesenden Mitglieder der Baukommission stimmten für A, ein Mitglied für B. Unstrittig hat A eindeutig optische Vorteile , z.B. die durchgehend in eine Richtung führende innere Treppe, während bei B eine “Kehre” in der Treppe erforderlich wird. Aber sogar die von den Architekten erstellte Bewertungsmatrix kommt zu differenzierten Ergebnissen; sie bestätigt für Variante A: “Lastabnehmende Wände sind hoch beansprucht” und “Risiko durch Lastumlagerungen höher”. Ist das, nach den aktuellen Erfahrungen, zu verantworten?
Es kommt im Ergebnis auf die Gewichtung der Vor- und Nachteile und darauf an, ob man bei Variante A die damit weiterhin verbundenen hohen bautechnischen Risiken eingehen möchte.
Der Baubeginn im Sauerlandmuseum ist nun erst für Herbst 2014 geplant; die Bauzeit soll sich um ein Jahr verlängern.
Die Kreisverwaltung hat gestern eine Pressemitteilungveröffentlicht. Sie enthält viele unrichtige Informationen.
Einige gravierende Beispiele:
1. Die Mehrkosten für die Baugrube betragen nicht 500.000 Euro, sondern etwa 550.000 Euro.
2. Die Fördersumme des Landes hat sich zwar um 389.000 Euro erhöht, aber nur deswegen, weil das Sauerlandmuseum als Einheit mit dem Blauen Haus gesehen wird. Dazu hat die Kreisverwaltung gerade in dieser Woche bekannt gegeben, dass die Kostenbeteiligung des Kreises um etwa eine halbe Mio Euro steigt! Man kann unter diesen Umständen seriöserweise die Erhöhung des Zzschusses nicht vom Blauen Haus trennen; insgesamt entsteht eine deutliche Mehrbelastung für den Kreis.
3. Und die verbleibende Lücke von 111.000 Euro kann nicht durch die “Reserve für Unvorhergesehenes” aufgefangen werden, “die für solche Zwecke extra in die Finanzplanung eingestellt worden ist.” Denn das Bauprojekt ist kalkulationsmäßig in 2 Teile gesplittet, den Umbau im Bestand und den Erweiterungsbau. Diese Reserve ist nur für als “Reserve für Unvorhergesehenes infolge Um- und Ausbau im Denkmalgeschützten Bestand”, also für die Umbaumassnahmen im Altbau, bestimmt! Das ergibt sich eindeutig aus der Anlage 3 zur Drucksache 8/824 und aus der Niederschrift der Sitzung des Kulturausschusses vom 16.05.2013. Diese Zweckbestimmung ist ja nicht entfallen, wenn jetzt die Baugrube für den Erweiterungsbau wesentlich aufwendiger abgesichert werden muss!
4. In der Westfalenpost von heute wird behauptet, die Baukommission habe sich “einmütig” für Variante A ausgesprochen. Falls sich die Tageszeitung das nicht selbst ausgedacht hat, kann diese Angabe nur aus der Kreisverwaltung stammen. Es gab aber keine einstimmige Entscheidung; s.o.
Offen ist außerdem noch, ob die Baukosten für die eigentlichen Baumaßnahmen realistisch sind. Auf Nachfrage der SBL hatte die Kreisverwaltung im Protokoll der Sitzung des Kulturausschusses vom 16.05.2013 erklärt, sie betrügen “für den Neubau netto 436,68 € und brutto 519,65 € pro Kubikmeter.”Dies liegt erheblich unter anderen Museumsbauten; der sächsische Landesrechungshof hat einen derartigen Kostensatz bereits vor 14 Jahren für nicht ausreichend erklärt. Dazu sollen die Architekten sich nun in den nächsten Tagen äußern, so die Aufforderung der Baukommission.
Unverständlich bleibt auch, warum der Landrat vier Monate lang den Kreistag nicht über das neue Bodergutachten informierte, sondern damit erst wenige Tage vor der Kreistagssitzung am 21. März ‘rausrückte. Fast könnte man den Eindruck haben, dass wegen der am 25. Mai anstehenden Kommunalwahlen das Projekt schön geredet werden und schnell Gras über die Angelegenheit wachsen soll …