Kita-Finanzierung – Ein Fall für Finanz-Jongleure und eine Frage der Zukunft?
Am 11.03.2014 tagte im Alfred-Delp-Haus in Brilon der Kreisjugendhilfeausschuss des Hochsauerlandkreises. Bei dieser Sitzung ging es u.a. um die Finanzierung der Kindertagesstätten (Kitas) in Bestwig, Brilon, Eslohe, Hallenberg, Marsberg, Medebach, Meschede, Olsberg, und Winterberg. Für diese 9 Städte und Gemeinden ist das Jugendamt des Hochsauerlandkreises zuständig. (Anders verhält sich das in Arnsberg, Schmallenberg und Sundern. Diese Kommunen verfügen jeweils über ein eigenes Jugendamt.)
Betrieb und Finanzierung der Kindertagesstätten in NRW beruhen derzeit auf den Regelungen des Kinderbildungsgesetzes (KiBiZ). Das von Anfang an höchst umstrittene Gesetz wurde 2007 von der früheren schwarz-gelben NRW-Landesregierung eingeführt. Auch nach beinahe 7 Jahren erfreut es sich bei den Trägern der Jugendhilfe offenbar immer noch keiner großen Beliebtheit. Das liegt vielleicht am komplizierten „Strickmuster“? Ein neues „Muster“ ist sicher nicht die schlechtste Idee!
Zu den Begrifflichkeiten: Das KiBiz unterscheidet zwischen Kindern im Alter von unter 3 Jahren (U3) und Kindern im Alter von über 3 Jahren (Ü3). Eltern müssen sich frühzeitig zwischen einer wöchentlichen 25-, 35- oder 45-Stunden-Betreunng entscheiden. Die Finanzierung erfolgt über sogenannte Kindpauschalen. Die korrespondieren wiederum mit drei verschiedenen Gruppeneinteilungen: Gruppenform (GF) I, II und III. Die Kindpauschalen in den drei (virtuellen) Gruppen sind höchst unterschiedlich. Ein Beispiel: Ist ein U3-Kind der Gruppenform I zugeordnet, erhält die Kita für je ein „45-Stunden-U3-Kind“ 8.058,41 Euro. Würde das gleiche Kind jedoch der Gruppenform II zugeteilt, bekäme die Kita – wohlgemerkt für den gleichen Personal- und Sachaufwand – mehr als den doppelten Betrag, nämlich 16.636,96 Euro. Die Gruppeneinteilung nach I, II und III nimmt das Jugendamt vor und legt dann die Planungen einmal jährlich dem Kreisjugendhilfeausschuss zur Beratung und Entscheidung vor. Und genau darum ging es bei der Sitzung am 12.03.2014 in Brilon.
Wie wir hier
http://sbl-fraktion.de/?p=3999
schon berichteten, wollte die Kreisverwaltung den Ausschussmitgliedern die 255 Seiten starke, klein bedruckte Anlage mit den Angaben über die Gruppeneinteilungen (GF I, II und III) zunächst erst zu Sitzungsbeginn als Tischvorlage zukommen lassen. SBL-Kreistagsmitglied Reinhard Loos intervenierte erfolgreich. So hatten die Mitglieder des Ausschusses wenigstens zwei Tage lang die Gelegenheit, sich mit den Zahlen und Daten in den Unterlagen zu beschäftigen. Das führte bei der SBL wieder zu der alten Erkenntnis: „Kibiz ist Mumpitz“. Das nächste Übel: Wir konnten auch bei noch so viel Hingucken das Mirakel der Gruppenzuordnung nicht lösen. Ein Rätsel von vielen:
Warum ordnet das Jugendamt bei Kita A (die insgesamt 10 U3-Kinder hat) 6 U3-Kinder in GF I und 4 in GF II ein, wenn bei Kita B (die ebenfalls insgesamt 10 U3-Kinder betreut) 4 Kinder in GF I und 6 Kinder GF II eingeordnet wurden?
Oder:
Warum ordnet das Jugendamt bei Kita X, (die insgesamt 8 U3-Kinder hat) 8 U3-Kinder in GF I und keins in GF II ein, wenn bei Kita Y (die ebenfalls insgesamt 8 U3-Kinder betreut) 4 Kinder in GF I und 4 Kinder GF II eingeordnet wurden?
Zur Erinnerung:
GF I = 8.058,41 Euro (45-Stunden-Betreuung je U3-Kind)
GF II = 16.636,96 Euro (45-Stunden-Betreuung je U3-Kind)
Auf den ersten Blick ist das nicht einleuchtend. Aber das ist den Vertretern des Jugendamts wohl auch bewusst. Daher präsentierte ein Mitarbeiter der Verwaltung den Ausschussmitgliedern eine Folie mit einigen Erläuterungen. Er erklärte zudem, durch die jährliche Erhöhung der Kindpauschale in Höhe um lediglich 1,5% würde die Finanzierung der Kitas für die Träger immer schwieriger. Derzeit gebe es die GF II immer nur dann, wenn eine entsprechende Betriebserlaubnis vorhanden sei. Der Jugendamtsmitarbeiter führte dann noch folgendes Beispiel an:
Bei der Eingruppierung der U3-Kinder in GF I werden je Kind 5% Arbeitskraft berechnet. Bei der Eingruppierung in GF II aber je Kind 10% Arbeitskraft. Je mehr Kinder also in GF II seien, umso schneller sei das (rechnerische) Besetzungssoll der Kita-MitarbeiterInnen voll. Das ist die Crux!
Die Kita-Finanzierung durch Kibiz leidet offenbar einerseits – wie so viele Aufgaben im sozialen Bereich – unter knappen Kassen. Andererseits kann sie sich aber als freudloses Betätigungsfeld für Rechenkünstler und Finanzjongleure erweisen. Leider kommt dabei aber wahrscheinlich nicht – egal wer da noch so viel rechnet – „Minus mal Minus gleich Plus“ raus?
Nichts desto trotz erwarten die Träger der Kitas zurecht auskömmliche Mittel. Wie sonst sollen sie eine qualitativ und quantitativ gute Kinderbetreuung gewährleisten? Oder sollen Sparmaßnahmen auf dem Rücken von Kindern und Kita-MitarbeiterInnen ausgetragen werden? Verständlich, dass die ein oder andere Kita bzw. ihr Träger Anstrengungen unternimmt, beim Jugendamt mehr Geld für die eigene Einrichtung herauszuholen. Vielleicht gehen die kleinen Erfolge der einen zulasten der anderen? Vielleicht? Wir wissen es nicht. Doch nach wir vor erscheint uns die aktuelle Kita-Finanzierung nicht schlüssig.
Ist nicht alles eine Frage der Prämissen? Unser Staat, unser Land, unser Landkreis und auch unsere Städte bauen an diversen (angeblich) zukunftsweisenden „Leuchttürmen“. Spontan fallen mir da der Hauptstadtflughafen Berlin, die Elbphilharmonie in Hamburg, das Dortmunder U, das Sauerland-Museum in Arnsberg und der Henne-Boulevard in Meschede ein. Die Liste könnte ich reichlich fortsetzen. Da scheint das Motto „Zukunft ist jetzt“ zu gelten! Doch wie ist das mit der Zukunft unserer Kinder?