Kreis gibt 30 Mio Euro für weitere RWE-Aktien aus
Trotz aller vorgetragenen Bedenken entschied der Kreistag am 26.06. mit Mehrheit, den Kauf der RWE-Aktien von der WestLB nur in nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln. Der Kreistag tagt in der Regel öffentlich; ein Ausschluß der Öffentlichkeit ist nur in wenigen Ausnahmefällen zulässig. Die vom Landrat als Begründung angeführten „schützenswerten Interessen Einzelner“ können wir weit und breit nicht erkennen. Außerdem ist der Landrat gesetzlich verpflichtet, jährlich einen Bericht über alle Beteiligungen mit detaillierten Angaben zu veröffentlichen, in dem auch die Einzelheiten zu dem nun beschlossenen Aktienkauf enthalten sein müssen; dann müssen die Fakten sowieso offen gelegt werden.
Wir halten die Nichtöffentlichkeit dieses Tagesordnungspunktes für rechtswidrig. Es könnte der Eindruck entstehen, dass sich einige der Beteiligten der öffentlichen Diskussion entziehen wollten.
Da es sich beim Erwerb eines 30-Mio-Euro-Aktienpakets um eine außergewöhnlich bedeutsame Entscheidung des Kreistages handelt, werden wir gegen den Ausschluß der Öffentlichkeit vorgehen und die Rechtmäßigkeit klären lassen. Dieses Verfahren richtet sich aber nur gegen den Landrat und gegen keinen anderen der an der Abstimmung Beteiligten.
Vorläufig können wir jedoch weder über den Inhalt der von der Verwaltung erstellten Beschlußvorlage noch über den Verlauf der Sitzung berichten, sondern nur über die Position der SBL-Fraktion. Hinsichtlich der Angaben zum Sachverhalt verwenden wir nur Zitate aus öffentlich zugänglichen Quellen.
Warum wir gegen den 30-Mio-Euro-Kauf von RWE-Aktien sind:
• Aktien sind eine sehr risikoreiche Geldanlage: Der RWE-Kurs stand am 25.06.2009 bei ca. 56 Euro, im Januar 2008 aber noch bei 98 Euro. Die RWE-Aktien waren also vor 17 Monaten noch 75% mehr wert als jetzt, und es bestehen keine Anzeichen, dass sich diese Entwicklung umkehren könnte. Der Kreis, der sein Geld überwiegend von den Bürgerinnen und Bürgern sowie von den kreisangehörigen Gemeinden erhält, muss damit wesentlich vorsichtiger umgehen als Privatleute und Unternehmen. Viele Städte und Kreise, die in den letzten Jahren risikoreiche Geldanlagen gewählt haben, haben dadurch hohe Verluste erlitten, z.B. die Stadt Hagen etwa 50 Mio Euro.
• Zwar zahlt RWE aktuell eine hohe Rendite von 4,50 Euro je Aktie, aber es ist sehr ungewiss, ob das so bleibt. Und die Rendite ist gering im Vergleich zu den geschilderten hohen Kursrisiken.
• Laut „WELT Online“ vom 24.06.2009 muss die WestLB bis Ende Juni rund 3,4 Mio. Aktien verkaufen. Der Wert der Papiere liegt bei rund 190 Mio. Euro. Verkauft werden soll laut diesem Pressebericht an den Hochsauerlandkreis, die Stadt Dortmund und den Landschaftsverband. Der Verkauf soll zwar mit einem Preisabschlag von 35 Mio Euro erfolgen; dadurch werden die hohen Risiken aber nicht ausgeglichen. Und der sehr enge Zeitraum von wenigen Tagen für die Entscheidung und Abwicklung sorgt für großes Misstrauen.
• Es ist sehr bedenklich und schafft unnötige Abhängigkeiten, wenn Aktien nur von einem einzigen Unternehmen erworben werden.
• Auch unter strategischen Gesichtspunkten ist eine hohe Beteiligung bei RWE falsch. Meschede, Bestwig und Olsberg bauen eine eigene Stromversorgung auf, und auch in anderen Städten bestehen konkrete Überlegungen, sich von RWE unabhängig zu machen.
• Laut der Aussage eines CDU-Ratsmitglieds am 24.06. im Rat der Stadt Brilon soll der Aktienkauf erfolgen, damit der Kreis Geld für einen Pensionsfonds anlegt. Bedeutet dies, dass man künftig die Pensionen der Beamten des Kreises gefährdet, wenn man ein Windrad baut, weil dann der Absatz konventionellen Stroms und damit der Wert der RWE-Aktien sinkt? Außerdem ist die Zukunft der Beamtenpensionen sehr ungewiß (vgl. die Aussage des Renten- und Wirtschaftsexperten Prof. Bert Rürup in der „Rheinischen Post“ vom 26.06.2009). Wegen der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise gibt es derzeit dringendere finanzielle Probleme zu lösen als 30 Mio Euro in Aktien zu parken.
• Wer soll dem Kreis die Aktien abkaufen und zu welchem Preis, wenn der Kreis demnächst wegen Änderung des Pensionssystems oder aus finanziellen Gründen einen Käufer für die RWE-Aktien benötigt?
• Laut Bericht in „WAZ“ vom 24.06.2009 soll der Aktienkauf auch erfolgen, um den Mindestanteilssatz, ab dem die kommunalen Aktionäre durch das sog. Schachtelprivileg Gewerbesteuer sparen, zu halten. Derzeit liegt die untere Grenze für das Schachtelprivileg bei 15%. Bis 2007 lag sie nur bei 10%. Von der Vorlage des Gesetzentwurfs bis zur Beschlussfassung durch den Deutschen Bundestag über die Anhebung dieses Mindestsatzes um die Hälfte hat es 2007 nur 2 Tage gedauert. Der Bundestag könnte also – angesichts der aktuellen Finanzknappheit – demnächst erneut den Mindestsatz für das Schachtelprivileg sehr kurzfristig weiter anheben, und dann hätten die kommunalen Aktionäre mit ihrer Beteiligungsquote von insgesamt 15,8% (laut „Ruhrnachrichten“ und „WAZ“ vom 24.06.) das Nachsehen. Auf eine solch unsichere Grundlage lässt sich keine langfristig wirksame Anlageentscheidung für einen zweistelligen Millionenbetrag aufbauen.
• Viele andere Kommunen verkaufen RWE-Aktien (laut „Ruhrnachrichten“ vom 24.06.2009), wahrscheinlich weil sie in RWE kein zukunftsträchtiges Unternehmen sehen. RWE setzt vor allem auf herkömmliche Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen, während die Zukunft in regenerativen Energien liegt. Auch der Hochsauerlandkreis hätte daher viele Gründe, über den Verkauf der bereits vorhandenen RWE-Aktien nachzudenken statt weitere hinzuzukaufen. Dann gäbe es auch keine Probleme mit dem „Schachtelprivileg“!
• Die kreisangehörigen Städte und Gemeinden sollen in den nächsten Jahren mehr als 25 Mio Euro an zusätzlicher Kreisumlage aufbringen, um die Altfehlbeträge des Kreises zu finanzieren. Die Finanzlage der Städte und Gemeinden ist aktuell sehr schlecht. Der Kreis könnte also mit dem investierten Betrag diesen Altfehlbetrag komplett tilgen – und dadurch die Städte und Gemeinden erheblich entlasten.
• Im August 2007 bestand die Möglichkeit, die damals schon marode WestLB an die Baden-Württembergische Landesbank zu verkaufen und dadurch zu sanieren. Dies wurde von Ministerpräsident Rüttgers verhindert. Jetzt befindet sich die WestLB in noch größerer Notlage und muß daher Aktien verkaufen. Es kann aber nicht Aufgabe des Hochsauerlandkreises sein, für die Fehler des CDU-Ministerpräsidenten zu zahlen.
• Wenn der Kreis Geld im Energiesektor anlegen möchte, könnte er statt des Kaufs von RWE-Aktien einen Windpark errichten. Das wäre wesentlich sicherer und zukunfts¬weisender, und die zu erwartende Rendite wäre nicht schlechter als bei den RWE-Aktien.
• Der Landrat ist Mitglied des RWE-Aufsichtsrates und wirkte bei der Beratung und Entscheidung über den Aktienkauf nicht mit. Ein anderes Kreistagsmitglied erklärte sich erst auf Nachfrage für befangen. Es ist noch zu klären, ob nicht noch weitere Kreistagsmitglieder wegen ihrer Verbindungen zur RWE oder zur WestLB oder zu Sparkassengremien als befangen gelten mussten.
Trackback by claudia bloggt
August 23, 2009 @ 1:32 pm
Dortmund zahlt 103 Mio. € für neue RWE-Aktien…
… und ob das sinnvoll ist, wird in keinem politischen Gremium in dieser Stadt diskutiert.
Das Bündnis DEW kommunal und einzelne Dortmunder Politiker aus verschiedenen Parteien hatten Zweifel an dieser Investition geäußert. Offens…