Landrat will anscheinend Empfehlungen der Härtefallkommission ignorieren
Beim Innenministerium des Landes NRW besteht für Flüchtlingsangelegenheiten eine Härtefallkommission. Ihr gehören 9 Personen an, darunter 2 Mitarbeiterinnen des Ministeriums und der Leiter einer lokalen Ausländerbehörde. “Seit dem 01. Januar 2005 wurde in annähernd 2.000 Verfahren die Härtefallkommission angerufen, um die aufenthaltsrechtliche Situation zu verbessern. In etwa zwanzig Prozent der beratenen Fälle sah sich die Härtefallkommission nach Abwägung aller für und gegen ein Antragsbegehren sprechenden Gründe in der Lage, wegen des besonders gelagerten Einzelfalles ein Ersuchen an die Ausländerbehörde zu richten. Diesem Ersuchen sind die Ausländerbehörden in der Regel gefolgt. Dadurch konnte den Betroffenen eine Zukunftsperspektive gegeben werden.”
Näheres zu Auftrag und Arbeit dieser Kommission steht hier: http://www.mik.nrw.de/themen-aufgaben/auslaenderfragen/haertefallkommission.html
Bisher gab es keinen Zweifel daran, dass während eines laufenden Härtefallantrages keine Abschiebung erfolgt. Dies hat sich nun geändert: Mitte Januar wurde die fünfköpfige Familie Quni aus Ramsbeck in der Nacht von etwa einem Dutzend Beamten aus den Betten geholt und nach Albanien abgeschoben, trotz des noch laufenden Härtefallverfahrens.
Diesen Vorfall nahm die SBL/FW-Kreistagsfraktion zum Anlass, für die Kreistagssitzung am 24.03.2017 den Beschluss einer Resolution zu beantragen:
“Der Kreistag fordert den Landrat auf,
1. wenn die Kreisverwaltung von einem gestellten Härtefallantrag Kenntnis hat, während des laufenden Härtefallantrages die Person, für die dieser Antrag gestellt wurde, nicht ab-zuschieben (wie vom Landrat in der Kreistagssitzung am 04.03.2016 zugesagt);
2. alle Empfehlungen der Härtefallkommission anzuerkennen und anzuwenden.“
Die Verwaltung hat dazu die Drucksache 9/717 erstellt, und nun ist ‘die Katze aus dem Sack’! Der Landrat und das Ausländeramt beabsichtigen offensichtlich, Beschlüsse der Härtefallkommission in der Regel nicht mehr zu beachten. Denn für eine weitere Betrachtung des Falles sind “u.a.” die folgenden 5 Kriterien relevant:
“- Es müssen besondere Umstände vorliegen, die den Fall von der Mehrzahl der ausreisepflichtigen Personen abheben.
– Zielstaatsbezogene Gründe bleiben unberücksichtigt, da eine abschließende Entscheidung dem BAMF obliegt.
– Der Lebensunterhalt ist durch eigene Erwerbstätigkeit derzeit und perspektivisch sicherzustellen.
– Entsprechend der Aufenthaltsdauer wird eine Integration in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erwartet. Hierzu gehören u.a. Sprachkenntnisse, regelmäßiger Schulbesuch der schulpflichtigen Kinder.
– Strafrechtliche Verurteilungen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen aufenthaltsrechtlicher Straftaten bleiben außer Betracht.” (Anmerkung: Von einem hiesigen Amtsgericht ist ein solches Straßmaß alleine deswegen verhängt worden, weil ein Flüchtling “illegal” eingereist ist. Was hätte es denn sonst tun sollen??)
Bei einigen dieser Kriterien gibt es einen sehr weiten Beurteilungsspielraum. Ob dieser zu Gunsten der Flüchtlinge gesehen wird, darf bezweifelt werden…
Hinzu kommt, dass es als Ausschlussgrund betrachtet wird, wenn zum Zeitpunkt des Eingangs des Härtefallantrags der Termin einer “Rückführung” bereits feststeht. Laut Aussage der Kreisverwaltung sei der Flugtermin für Familie Quni bereits mehr als drei Monate im voraus festgelegt worden…