Versuch eines Faktenchecks
März 2016
„Egal wie lange es dauert, die SBL/FW wird auf jedem Fall über das Resultat des „Faktencheck-Versuchs“ berichten. Wir bitten um etwas Geduld.” Das schrieben die SBL/FW im März 2016.
Der Anlass …
war ein WP-Artikel vom 17.03.2016 zum Thema „Asylbewerber“ mit der Überschrift „Ungeklärte Identität“.
Klick: http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-meschede-eslohe-bestwig-und-schmallenberg/ungeklaerte-identitaet-id11657991.html
Die Informationen, auf denen dieser Bericht basiert, erhielt der Redakteur offenbar von Mitarbeiter/innen der Kreisverwaltung.
Der Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) – und anscheinend nicht nur ihr – stellten sich zu den im Artikel dargestellten „Fakten“ etliche Fragen. Der Chef der Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises, Landrat Dr. Karl Schneider, erhielt deswegen vor weit über einem Jahr, genauer gesagt am 22.03.2016, vom SBL-Fraktionssprecher Reinhard Loos mehrere schriftlich formulierte Fragen.
Mai 2017
Die Fragen wurden jetzt endlich vom Ausländeramt mit einem Schreiben datiert auf den 17.05.2017 beantwortet.
Zum besseren Verständnis zitieren wir hier die im WP-Artikel vom 17.03.2016 gemachten Aussagen, auf die die Anfrage Bezug nimmt (Hervorhebungen stammen von uns). Gleich dazu bzw. dahinter stehen die sich auf die jeweiligen Aussagen beziehenden Fragen der SBL/FW und last not least die Antwort aus dem Kreishaus vom 17.05.2017.
Los geht`s:
Frage 1 der WP:
„Die ungeklärte Identität von Asylbewerbern ist ein Massen-Phänomen“
Dazu die Frage der SBL/FW:
„Auf welchen Fakten basiert die Erkenntnis, dass es sich um ein Massen-Phänomen handelt?“
Die Antwort des HSK:
„Ein Großteil der Asylsuchenden reiste und reist ohne gü|tige Dokumente in das Bundesgebiet ein und stellt einen Asylantrag. Die im Asylverfahren verwandten Daten basieren bei diesem Personenkreis auf eigenen Angaben und sind nicht durch offizielle Dokumente belegt. Teilweise werden Reisepässe und sonstige Dokumente unterdrückt um die Ausreise nach einem abgelehnten Asylantrag zu erschweren oder zu verhindern. Die Reisepässe werden dann vorgelegt, wenn die Ausländer aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht bekommen können.
Als Beispiel mag das Ihnen bekannte kosovarische Ehepaar dienen. Die Eheleute sind im Februar 2015 erneut in das Bundesgebiet eingereist und hatten nach eigenen Angaben keine gültigen Pässe. Die Pässe, ausgestellt im Jahr 2011, wurden Anfang April 2017, 15 Monate nach Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht vorgelegt, da inzwischen ein Ersuchen der Härtefallkommission vorliegt.“
Frage 2 der WP:
„Von den aktuell 3509 Asylbewerbern im Hochsauerlandkreis stehen bei einem Großteil die Personalien nicht sicher fest.“
Dazu die Frage der SBL/FW:
„Was sind in erster Linie die Gründe dafür, dass die Personalien einiger Geflüchteter und Migranten noch nicht sicher feststehen?“
Die Antwort des HSK:
„Siehe Antwort zu Frage 1.“
Frage 3 der WP:
„2400 von ihnen hatten noch keine Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, von ihnen sind noch keine Fingerabdrücke genommen worden.“
Dazu die Fragen der SBL/FW:
„Warum hatten 2.400 Flüchtlinge noch keine Anhörung beim Bundesamt, aufgeteilt nach Gründen und Herkunftsland?
Wie viele Flüchtlinge warten schon länger als 3, 6, 9, 12, 15, 18 Monate auf ihre Anhörung beim Bundesamt?“
Die Antwort des HSK:
„Wie Sie in der Vergangenheit der Presse entnehmen konnten, war es, insbes. Im Herbst 2015/Anfang 2016, nicht möglich an den deutschen Staatsgrenzen von allen einreisenden Asylsuchenden Fingerabdrücke zu nehmen. Es war auch dem BAMF nicht möglich vor der Zuweisung in den Kommunen den Teil I der Asylanträge aufzunehmen. Da andererseits nicht genügend Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen vorhanden waren, wurden die Personen ohne erkennungsdienstliche Behandlung und ohne formelle Asylantragstellung den Kommunen zugewiesen.
Da die Asylantragstellung beim BAMF erfolgt, liegen mir keine Übersichten hinsichtlich der Herkunfts-länder sowie Wartezeit vor.
Der Anlage können Sie die Entwicklung der hier erfassten Asylbewerber sowie die TOP-10-Nationen entnehmen.“
Anmerkung der SBL/FW:
Dazu schreiben wir einen separaten Kurz-Bericht.
Frage 4 der WP:
„117 Abschiebungen sind 2015 durchgeführt worden, vor allem nach Serbien, Albanien und Kosovo.“
Dazu die Fragen der SBL/FW:
„Wie teilen sich die 117 Abschiebungen des Jahres 2015 auf die einzelnen Zielländer auf, wie im laufenden Jahr?
Wie viele sogenannte freiwillige Rückreisen gab es, und wie teilen sie sich auf?
Welche Hilfen und Unterstützung erhielten „freiwillig“ Ausreisende im letzten und in diesem Jahr durch den HSK und/oder in dessen Auftrag?
Wie viele Abschiebungen sind gescheitert, und aus welchen Gründen?“
Welche Kosten sind in diesem Zeitraum für durchgeführte und geplante Abschiebungen entstanden?
Die Antwort des HSK:
„Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise ich auf mein Schreiben vom 27.04.2017 zu Ihrer An-frage vom 08.12.2015.“
Anmerkung der SBL/FW – Klick zu unserem Artikel „Anfrage zu Abschiebungen und „freiwilligen Aus-reisen“ : http://sbl-fraktion.de/?p=7502
Frage 5 der WP:
„Im Kreishaus kennt man die besondere Problematik straffällig gewordener Asylbewerber.“
Dazu die Fragen der SBL/FW:
„Wie viele Flüchtlinge und Asylbewerber erhielten im Jahr 2015 bis heute ein Strafverfahren wegen angeblich illegaler Einreise?
Wie viele dieser Verfahren wurden von der Ausländerbehörde des HSK initiiert?“
Die Antwort des HSK:
„Eine statistische Auswertung hinsichtlich der Delikte und dem Strafmaß wird nicht geführt. Es ist nicht möglich zu ermitteln, wie viele Strafanzeigen von Dritten (Bundespolizei, Landespolizei, andere Ausländerbehörden) gefertigt wurden. Seitens meiner Ausländerbehörde werden Strafanzeigen, im geringen Umfang wegen illegaler Einreise, wegen Passlosigkeit, fehlender Mitwirkung bei der Identitätsklärung sowie mittelbarer Falschbeurkundung erstattet. Insgesamt waren dies
2015 58 Strafanzeigen
2016 42 Strafanzeigen
2017 25 Strafanzeigen (bis 30.04.)“
Die WP zu 6.:
„Einige, ….., fallen durch Eigentumsdelikte, Körperverletzungen und Dealen auf – allerdings nicht hier in der Region, wo sie sich eigentlich aufhalten müssten, sondern in den Großstädten. Die Ausländerbehörde erfährt nur über Strafanzeigen davon. Delikte wie Schwarzfahren seien ‘an der Tagesordnung’.“
Dazu die Fragen der SBL/FW:
„In wie vielen Fällen von Eigentumsdelikten, Körperverletzungen, Dealen und Schwarzfahren durch im HSK gemeldete Asylbewerber und Migranten kam es 2015 und 2016 zu einer rechtskräftigen Verurteilung?
Wie oft wurden tatverdächtige Asylbewerber frei gesprochen?
Wo ereigneten sich die Straftaten?
Welche Strafmaßnahmen wurden verhängt?
Wie viele verurteilte Asylbewerber und Migranten gingen in Berufung?“
Die Antwort des HSK:
„Wie bereits unter Ziffer 5 ausgeführt werden die Delikte und das Strafmaß nicht statistisch erfasst. Anhand der eingehenden rechtskräftigen Strafbefehle und Urteile ergibt sich ein Gesamtbild.“
Die WP zu 7.:
„Abgelehnte Asylbewerber werden im Kreishaus auf ihre Passpflicht hingewiesen: Sie müssen mithelfen, ihre Identität zu klären, indem sie Geburtsurkunden oder Schulbescheinigungen besorgen.“
Dazu die Fragen der SBL/FW:
„Welche Anhaltspunkte hat die Kreisausländerbehörde dafür, dass Behörden und Verwaltungen in Kriegs- und Krisengebieten – wie beispielsweise Syrien und Mali – so gut und effektiv funktionieren und arbeiten, um ihren im Ausland befindlichen Staatsbürgern innerhalb bestimmter Fristen die von deutschen Behörden verlangten ErsatzDokumente auszustellen?“
Die Antwort des HSK:
„Abgelehnte Asylbewerbern, denen nach der Entscheidung des BAMF keine Verfolgung im Heimat-land droht, sind verpflichtet sich gültige Dokumente bei ihrer Botschaft zu beschaffen.
Hinsichtlich Syriens gibt es einschlägige Erlasse des Bundes und des Landes, wonach die syrische Botschaft in Berlin Reisepässe ausstellt und verlängert. Dies ist durch meine Erfahrungen bestätigt.
Auch bei den Botschaften anderer Länder ist es möglich entsprechende Unterlagen zu bekommen. Sofern eine Botschaft keine Dokumente ausstellt oder ausstellen kann, ist eine Negativbescheinigung, die auf Wunsch ausgestellt wird, hilfreich.
Sofern glaubhaft nachgewiesen wird, dass Unterlagen bei den Botschaften oder im Heimatland beantragt wurden, und sich die Ausstellung verzögert, wird die eingeräumte Frist verlängert.“
Anmerkung der SBL/FW: Das zur Theorie. Wie ist die Praxis?
Die WP zu 8.
„Neben der unklaren Identität sind medizinische Gründe das zweite Haupt-Hindernis gegen Abschiebungen. … Zuletzt wurde einer serbischen Asylbewerberin in Hallenberg ärztlich bescheinigt, sie sei depressiv geworden, weil sie auf die Sauerländer Berge starren musste – die Kreisverwaltung musste daraufhin ein Gegen-Gutachten in Auftrag geben, um die Reisefähigkeit zu beweisen.“
Dazu die Fragen der SBL/FW:
„Ist es rechtens und zulässig, dass die Ausländerbehörde öffentlich aus Krankenakten von Asylbewerbern zitiert?
Wir möchten Sie auch bitten zu beantworten, ob bei der Patientin aus Hallenberg, abgesehen von dem in der WP erwähnten Anblick der Sauerländer Berge, weitere und schwerwiegendere Gründe für eine Depression vorliegen, ob die Asylbewerberin aus Hallenberg entsprechend ihrer Diagnosen behandelt wurde und wird, welcher Arzt für welches Honorar im Auftrag der Kreisverwaltung das Gegen-Gutachten „Fit für Abschiebung“ erstellt hat und ob sich die Frau noch in Deutschland aufhält oder ob sie zwischenzeitlich abgeschoben oder zur “freiwilligen” Ausreise veranlasst worden ist?“
Die Antwort des HSK:
„Es wurde nicht konkret aus der Krankenakte zitiert. Es wurde lediglich die sehr ungewöhnliche Begründung einer ärztlichen Bescheinigung (insgesamt 3 Zeilen) zitiert, ohne dass es möglich ist die Person zu identifizieren.
Das BAMF hat sich in seiner Entscheidung mit der vorgetragenen Erkrankung auseinandergesetzt und die Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland bejaht. Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat die Entscheidung des BAMF bestätigt und den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.
Gem. § 42 AsylG bin ich an die Entscheidung des BAMF und der dazu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gebunden. Da die Ausländerin ihrer gesetzlichen Ausreisepflicht, § 50 AufenthG, nicht nachgekommen ist wurde sie zwischenzeitlich abgeschoben. Am Tag der Abschiebung wurde tagesaktuell die Reisefähigkeit überprüft und bestätigt.
Aus Gründen des Datenschutzes wird auf die namentliche Nennung des Arztes verzichtet. Dem Hochsauerlandkreis sind keine Kosten entstanden.“
Anmerkungen der SBL/FW:
Die scheidende NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft antwortete kürzlich anlässlich des Landtagswahlkampfes in einer Diskussions-Sendung im WDR-Fernsehen sinngemäß, ob eine Abschiebung durchgeführt werde, entscheide letztlich die zuständige Ausländerbehörde. Es scheint, als wolle letztlich niemand für diese Tragödien verantwortlich sein. Alle Beteiligten schieben offenbar den Ball anderen Beteiligten zu!? Auf der Strecke bleiben Menschlichkeit und Menschen.
Faktencheck gescheitert?
Die Gründe:
Die Kreisverwaltung ließ sich über ein Jahr Zeit für die Antwort.
Die Kreisverwaltung antwortet unseres Erachtens in weiten Teilen nebulös und verschanzt sich notfalls hinter Datenschutz.
Die Kreisverwaltung geht unseres Erachtens weniger von der Praxis als von der Theorie aus. Wer einmal Migranten zwecks Beschaffung von Dokumenten in ihr Konsulat begleitet hat, weiß wovon wir sprechen.