Misslungener Entwurf für den Nahverkehrsplan
Der aktuelle Nahverkehrsplan (NVP) für den HSK stammt bereits aus dem Jahr 2005. Eigentlich soll etwa alle 5 Jahre eine Neufassung aufgestellt werden. Daraus werden im HSK nun 14 Jahre, denn der neue NVP soll im Frühjahr 2019 vom Kreistag beschlossen werden.
Wenn wenigstens der Inhalt gut wäre? Das ist der Kreisverwaltung und dem von ihr beauftragten Gutachter jedoch nicht gelungen, wie mehrere Stellungnahmen zum im Herbst 2018 vorgelegten Entwurf zeigen. 2 Monate lang lief eine sog. Anhörungsphase, nach deren Ende nun die eingegangenen Stellungnahmen ausgewertet werden.
Hier als Ausschnitt aus der Stellungnahme der SBL/FW-Kreistagsfraktion die einleitenden “Grundsätzlichen Anmerkungen”:
1. Es ist nicht erkennbar, dass der NVP das Ziel verfolgt, den Anteil der Nutzung Öffentlicher Verkehrsmittel an den Verkehrsbewegungen zu steigern. So gibt es offensichtlich die Vorgabe, etwa 60.000 Bus-km pro Jahr einzusparen, wie auch in der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Struktur und Tourismus (WST) am 17.09.2018 deutlich wurde. Eine Modal-Split-Analyse, aus der sich Potentiale zur Steigerung der Anteile von Bus und Bahn erkennen ließen, wurde gar nicht erst versucht. Eine solche Analyse könnte neben dem IST-Zustand gleichzeitig versuchen den „erwünschten Zustand“ zu definieren. Die Daten könnten nach Teilgebieten erhoben werden.
2. Viele Basisdaten sind veraltet. So ist es nicht nachvollziehbar, wieso ein NVP, der im Jahr 2019 beschlossen werden soll, sich auf Einwohnerzahlen und Verkehrsdaten der Jahre 2014 bis 2016 bezieht. Auch aktuelle Änderungen der Linien (z.B. der Anfang August erfolgte Wegfall der Schnellbuslinie S80) wurden an vielen Stellen nicht berücksichtigt.
3. Andere Daten sind unvollständig. So ist es nicht nachvollziehbar, dass Daten über die Verkehrsnachfrage nur für die RLG-Buslinien und nicht für den Westfalenbus erhoben wurden. Nur aktuelle und vollständige Datengrundlagen führen zu guten Ergebnissen. In diesem Zusammenhang ist auch die etwa 3 Jahre dauernde Bearbeitungszeit ungünstig.
4. Relationen über die Kreisgrenzen hinaus werden nicht mit der notwendigen Intensität betrachtet. Dies betrifft im Linienverkehr z.B. die Verbindungen Brilon – Willingen, Brilon – Wünnenberg – Paderborn, Brilon – Rüthen, Meschede – Warstein, Arnsberg – Soest und im Gelegenheitsverkehr z.B. Fahrten zu Libori nach Paderborn.
5. Bei den geringen Taktdichten ist es besonders wichtig, die Verknüpfungen und die Umsteigemöglichkeiten zu optimieren, vor allem zwischen Bahn und Bus. Vielfach sind bereits die Fahrpläne nicht aufeinander abgestimmt (z.B. für den Skibus im Bahnhof Winterberg), vielfach gibt es keine transparenten Regelungen zum Registrieren und Abwarten von Verspätungen. Hierzu fehlen im NVP detaillierte Analysen und Vorschläge.
6. Der NVP betrifft den Regionalverkehr. Dieser ist gemäß § 1 Abs. 2 ÖPNVG NRW dann gegeben, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer nicht übersteigt. Es fallen somit auch die gesamten Linienverläufe der RE 17, der RE 57 und der RB 42 unter diese Definition. Für die Anschlüsse an den Fernverkehr ist es daher auch in einem NVP sinnvoll, die Verbindungen an die umliegenden Fernverkehrsbahnhöfe (Warburg, Kassel, Paderborn, Lippstadt, Soest, Dortmund, Hagen) genau zu betrachten. Dies erfolgt im vorliegenden NVP-Entwurf nicht. Z.B. fehlen Aussagen zu den fehlenden Früh- und Spätverbindungen zwischen Kassel und dem HSK.
7. Eine zentrale Rolle im NVP sollte die Verbesserung der Qualität der Verkehrswege für den Schienenverkehr spielen. Hierzu gehört die Elektrifizierung der Oberen Ruhrtalbahn und die Reaktivierung der Röhrtalbahn. Auch hierzu fehlen detaillierte Aussagen.
8. Sowohl beim Bahnverkehr als auch beim Busverkehr gibt es bisher erhebliche Qualitätsmängel, die potentielle Fahrgäste von der Nutzung abhalten. So gab es im Jahr 2018 im HSK extrem viele Zugausfälle, die allerdings (z.B. in der Sitzung des WST am 19.06.2018) mitunter geschönt dargestellt werden. Im Busverkehr werden Anschlussgarantien (z.B. in Niedersfeld Steinkamp) nicht eingehalten, ausfallende Busse in den dynamischen Anzeigen und in Online-Auskunftssystemen als fahrend angezeigt, Informationen über Ankunftszeiten vorhergehender Verkehrsmittel nicht ausgetauscht, und Busse bereits am Abfahrtspunkt verspätet eingesetzt. Auch hierzu sollte der NVP eine umfassende Analyse und konkrete Maßnahmenvorschläge enthalten.
9. In mehreren Nachbarkreisen (Siegen, Olpe, Waldeck-Frankenberg) gibt es besonders rabattierte Monatstickets für Schüler und Auszubildende. Sie tragen dazu bei, dass sich junge Menschen Bahn- und Busfahren überhaupt leisten können. Im NVP-E fehlt ein entsprechender Vorschlag für das Gebiet des HSK.
10. Die 12 Städte und Gemeinden im HSK bestehen zum großen Teil aus Kernorten und zahlreichen umliegenden Ortsteilen, die teilweise mehr als 10 km vom Kern entfernt sind. In einem NVP für den HSK sollten Perspektiven aufgezeigt werden, wie auch am Abend Rückfahrten aus dem Kern in die Ortsteile mit Öffentlichen Verkehrsmitteln möglich werden. Das wäre ein wesentlicher Beitrag zur Erhöhung der Lebensqualität in den Dörfern, in denen vielfach – im Gegensatz zu den Kernen – noch ungenutzter Wohnraum und Baulandreserven zur Verfügung stehen. Für die Umsetzung bieten sich AST und andere flexible bedarfsorientierte Lösungen an.
11. Ein großes Hindernis für eine stärkere Nutzung des ÖPNV im Kreisgebiet stellen die viel zu hohen Fahrpreise im HSK dar. Im Vergleich zum RLG-“Partner”-Kreis Soest liegen sie im HSK um etwa 30% höher, denn es gilt zwar dieselbe Tariftabelle, aber gleichartige Relationen sind dort in günstigere Preisstufen einsortiert als im HSK (z.B. Werl – Soest und Bestwig – Brilon; s. Anhang), obwohl der Zuschuss des Kreises an die RLG je Einwohner im HSK um die Hälfte höher ist als im Kreis Soest. Bereits im Kreis Soest sind die Fahrpreise im Vergleich zu anderen Tarifräumen in Westfalen relativ hoch. Zu dem grundlegenden Problem der viel zu hohen Fahrpreise fehlen Analysen und Vorschläge. In § 8 Abs. 3 ÖPNVG NRW heißt es jedoch ausdrücklich: ‘Die Nahverkehrspläne haben darüber hinaus die Struktur und Fortentwicklung der gemeinschaftlichen Beförderungsentgelte und -bedingungen zu enthalten.’ ”
Zusammenfassend heisst es in der Stellungnahme unserer Kreistagsfraktion:
“Die sich aus § 8 Abs. 3 ÖPNVG NRW ergebenden Anforderungen an einen Nahverkehrsplan hinsichtlich des Leistungsangebots, seiner Finanzierung, der Investitionsplanung, der Mindestanforderungen für Betriebszeiten, Zugfolgen und Anschlussbeziehungen an wichtigen Verknüpfungspunkten, für die angemessene Verkehrsbedienung und den Qualifikationsstandard des eingesetzten Personals sowie die Ausrüstungsstandards der eingesetzten Fahrzeuge und die Entlohnung des eingesetzten Personals sowie die Struktur und Fortentwicklung der gemeinschaftlichen Beförderungsentgelte und -bedingungen werden durch den vorliegenden Entwurf nur unvollständig erfüllt.”