Unrechtmäßige Kürzung bei den Kosten der Unterkunft – Sauerländer Bürgerliste fordert Nachzahlung an alle Betroffenen
Erfolgreiche Klage
Nachdem eine Rentnerin aus Brilon im Januar 2019 mit ihrer Klage gegen das Unterkunfts-kostenkonzept des Hochsauerlandkreises Erfolg hatte, beantragte Reinhard Loos, Sprecher der Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW), bei Landrat Dr. Karl Schneider, das Konzept des HSK für die angemessenen „Kosten der Unterkunft“ für Grundsicherungsempfänger/innen nach SGB II und SGB XII zum Thema in der nächsten Sitzung des Gesundheits- und Sozialausschusses sowie in der Sitzung des Kreistags (am 22.03.2019) zu machen.
Dazu brachte die Kreistagsmitglied Reinhard Loos am 31.01.2019 folgende Beschlussvorschläge ein:
“Der Kreistag beschließt: /
Der Gesundheits- und Sozialausschuss empfiehlt dem Kreistag zu beschließen:
1. Ab sofort gelten für Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen der Grundsicherung nach SGB II und SGB XII als Mietobergrenzen für die angemessenen Mieten ihrer Unterkunft mindestens die Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz plus ein Sicherheitszuschlag von 10%.
2. Für die angemessenen Heizkosten wird von der Kreisverwaltung eine vorläufige Tabelle erstellt, die auch die Höhenlage, die Energieträger und das Alter und den Zustand der Gebäude berücksichtigt. Dabei müssen sich in allen Fällen mindestens die bisher verwendeten Höchstwerte plus ein Sicherheitszuschlag von 10% ergeben.
3. Als Angemessenheitsgrenze für die weiteren “kalten” Betriebskosten werden kreisweit die bisher verwendeten Höchstwerte um einen Sicherheitszuschlag von 10% erhöht.
4. Alle Betroffenen, für die im Jahr 2019 Kürzungen wegen angeblicher Unangemessenheit der Unterkunftskosten erfolgten, erhalten Nachzahlungen mit der Differenz zwischen den sich aus 1. bis 3. ergebenden und den bisher anerkannten Unterkunftskosten.
5. Alle Betroffenen, für die im Jahr 2018 Kürzungen wegen angeblicher Unangemessenheit der Unterkunftskosten erfolgten, erhalten Nachzahlungen mit der Differenz zwischen den sich aus 1. bis 3. ergebenden und den bisher anerkannten Unterkunftskosten.
6. Der Landrat wird beauftragt, ein neues Konzept für die angemessenen Mieten, Heizkosten und weiteren Nebenkosten erstellen zu lassen, das die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus dessen Entscheidungen vom 30.01.2019 berücksichtigt.
7. Mit der Erstellung dieses Konzepts soll ein anderes als das bisher für den HSK tätige Unternehmen beauftragt werden.“
(Über die 7 Punkte soll getrennt abgestimmt werden.)
Begründung und Erläuterung:
Das Bundessozialgericht hat am 30.01.2019 über fünf Verfahren zu den Kosten der Unterkunft für Grundsicherungsempfänger entschieden. In allen Verfahren ging es um Konzepte, die nach einer sehr ähnlichen Methodik und von demselben Unternehmen wie das Konzept für den HSK erstellt worden waren.
Im Terminbericht Nr. 2/19 des BSG zu dem Ergebnis dieser Verfahren heißt es u.a.
“Nicht zulässig ist es jedoch, wenn ein Jobcenter, das den gesamten Landkreis als einen Vergleichsraum ansieht, innerhalb dieses Vergleichsraums die Städte und Gemeinden in mehrere Wohnungsmarkttypen mit unterschiedlichen Angemessenheitsgrenzen aufteilt. Denn für diese Aufteilung gibt es keine rechtliche Begründung, insbesondere können durch die Bildung von Wohnungsmarkttypen die Voraussetzungen für die Bildung und die Rechtsfolgen eines Vergleichsraums nicht geändert werden. Zudem mangelt es in den vorliegenden Verfahren für die einzelnen Wohnungsmarkttypen an einer sie rechtfertigenden sachlichen Herleitung.
…
Andernfalls sind mangels in rechtlich zulässiger Weise bestimmter Angemessenheitsgrenze die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft diesem Bedarf zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem WoGG plus einen Zuschlag von 10%.
…
B 14 AS 346/13
…
Das Urteil des LSG ist aufgehoben worden, weil das LSG die Entscheidung des beklagten Jobcenters als rechtmäßig angesehen hat, das gesamte Kreisgebiet als einen einheitlichen Vergleichsraum zugrunde zu legen, aber in fünf Wohnungsmarkttypen mit unterschiedlichen Angemessenheitsgrenzen für die Bruttokaltmiete zu untergliedern.”
Die Bildung eines einzigen Vergleichsraums (hier für den Kreis Segeberg) und die Aufteilung in mehrere sog. Wohnungsmarkttypen entsprechen exakt der Vorgehensweise des HSK.
Mit diesen Urteilen des BSG haben sich die seit Jahren und wiederholt geäußerten gravierenden Bedenken (vgl. z.B. den Antrag unserer Fraktion vom 04.06.2018) gegen das Konzept des HSK bestätigt. Die bisher von den Sozialämtern im HSK angenommenen Mietobergrenzen sind für viele Betroffene viel zu gering. Da keine Chance bestand, zu den von den Sozialämtern akzeptierten Höchstmieten eine Wohnung zu finden, wurden von den Sozialämtern die Regelleistungen teilweise drastisch gekürzt. Da das Unterkunftskostenkonzept nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG offensichtlich rechtswidrig ist, muss es außer Kraft gesetzt werden. Das BSG hat selbst als Ersatzlösung die Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz mit 10% Sicherheitszuschlag bestimmt.
Damit keine weitere Benachteiligung der Betroffenen eintritt und unnötige Sozialgerichtsverfahren vermieden werden, sollte die Umsetzung unverzüglich erfolgen. Aus Gerechtigkeitsgründen sollten auch die unberechtigten Kürzungen des laufenden und des letzten Jahres korrigiert werden.
Weitere Infos hier:
http://sbl-fraktion.de/?p=8862
und
https://www.wp.de/staedte/altkreis-brilon/rentnerin-aus-brilon-erhaelt-nachschlag-zu-mietkosten-id216496337.html