8,5 Millionen Euro für Schülerfahrten – Kreisverwaltung: „Auftragswerte nicht schätzbar“
In der Kreistagssitzung am 5. Juli erfolgte die Vergabe der Aufträge für den Schülerspezialverkehr. Dabei geht es um die Fahrten zu und von den fünf kreiseigenen Förderschulen in den Schuljahren 2019/2020 bis 2024/2025. Die 57 einzelnen Fahrten (Lose) werden etwa alle fünf Jahre ausgeschrieben. Das Auftragsvolumen beträgt stolze 8,5 Mio. Euro, so dass besondere Aufmerksamkeit erforderlich ist.
In diesem Zusammenhang spielten die Abläufe bei der letzten derartigen Vergabe im Jahr 2014 eine besondere Rolle, denn damals wurden der Kreistag und der Kreisausschuss nicht an der Auftragsvergabe beteiligt. Transparente Auswertungen der Angebote waren bei einer Akteneinsicht eines Kreistagsmitgliedes von SBL und Linken im Vergabeamt nicht ersichtlich. So waren z. B. keine Schätzpreise je Angebot festgelegt worden. Es gab Lose, wo der Auftrag an Bieter ging, deren Preis je gefahrenen Kilometer beim 2,5- bis 3fachen des üblichen lag. Besonders hohe Preise gab es mehrfach genau dann, wenn für ein Los nur ein Bieter ein Angebot eingereicht hatte. Bei der Auswertung im Vergabeamt wurden die Gesamtkosten (Kilometerkosten und Kosten der Begleitperson) zusammen als Maßstab genommen. So gesehen wurde so getan, als ob die Begleiterkosten bei jeder Fahrt anfallen, was aber nicht der Fall ist. (Klick: http://sbl-fraktion.de/?p=5024)
Schätzung der Auftragswerte nicht möglich – Begleitkosten stellen ein Kalkulationsproblem dar
Eine belastbare Schätzung der Auftragswerte sei im Rahmen des freigestellten Schülerverkehrs nicht möglich, so die Antwort der Kreisverwaltung vom 26.07.2019 auf die Anfrage der SBL vom 16.07.2019.
Unterschiedliche Kalkulationsgrundlagen der Anbieter seien der Grund. Denn …
1. Nur die „Besetztkilometer“ werden bezahlt. Diese können bei den Bietern untereinander deutlich abweichen (Anfahrt- und Rückfahrtkosten nach Ein- bzw. Ausstieg der zuerst- oder zuletzt beförderten Person werden nicht bezahlt).
2. Unterschiedliche Fahrzeugkosten, je nachdem ob z. B. Fahrzeuge neu beschafft werden müssen, Bestandsfahrzeuge eingesetzt werden oder Fahrzeuge geleast werden.
3. Ein besonderes Problem stelle die Einschätzung der Kosten der Begleitpersonen dar. „Vorliegend war daher für die Einschätzung der zu erwarteten Kosten zunächst vom aktuellen Auftragswert für die gegenständlichen Leistungen auszugehen. Das Ausschreibungsergebnis entspricht den erwarteten Kosten.“
Daher stellte die SBL die Frage, welche Anteile des Einsatzes von Begleitpersonal an den auf den einzelnen Routen durchgeführten Fahrten bei der Auswertung der Angebote zugrunde gelegt wird.
„Aufgrund der aktuellen Fahrsituation wurde bei der Angebotsbewertung in den meisten Fällen die einzusetzende Begleitperson gewertet“, so die Argumentation der Kreisverwaltung. In den Losen, in denen derzeit keine Begleitperson benötigt wird, würde der Einsatz einer Begleitperson nicht gewertet.
Bezüglich der Anteile der begleiteten Fahrten schreibt die Kreisverwaltung, dass 2017/2018 bei 29 und 2018/2019 bei 31 Routen Begleitpersonen eingesetzt wurden. Das sind rund 51 bzw. 54 Prozent. Damit widerspricht die Kreisverwaltung ihrer oben genannten Aussage, dass in den meisten Fällen die Begleitperson gewertet wurde.
Zur Frage des Mindestlohns schreibt die Kreisverwaltung, dass die Einsatzzeiten von der individuellen Situation und der Einsatzplanung eines Bieters abhängen. Je nachdem, ob der Zustieg der Begleitperson am Betriebshof des Bieters oder am Abholort des ersten Schülers erfolge. Ob ein beauftragtes Unternehmen tatsächlich den Mindestlohn von 9,19 Euro pro Std. zahle, könne durch den Auftraggeber selbst nicht aktiv ermittelt werden.
Zur Frage nach der Überprüfung der Angemessenheit der bei einigen Losen sehr hohen Preise je Kilometer, stellt die Kreisverwaltung dar, dass vorrangig der preisliche Abstand zwischen dem erst- und zweitplatzierten Bieter heranzuziehen ist.
Fazit
Hohe Kilometerpauschalen und günstige Begleitkosten, oder: günstige Kilometerpauschalen und hohe Begleitkosten – was ist also „angemessen“? Letztendlich gewinnt das günstigste Angebot. Und das vielleicht auf dem Rücken der Fahrer und Beifahrer. Nämlich wenn es darum geht, ab welchem Standort und bis zu welchem Standort bei Fahrern und Beifahrern der Stundenlohn gezahlt wird (Standort Betrieb, Standort Wohnort des Schülers – denn der Kreis zahlt nur die „Besetztkilometer“, sprich die Kilometer, wo der Schüler mitfährt).
Hoffen wir, dass es nicht wieder nur einen Anbieter bei zahlreichen Losen gegeben hat und die Kosten des Personals angemessen berücksichtigt wurden?! Einzelheiten können wir nicht berichten, da die einzelnen Vergaben nicht-öffentlich erfolgen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Kreisverwaltung aus den Vorfällen im Jahr 2014 etwas gelernt hat und sich Gedanken bei der themenspezifischen schriftlichen Beantwortung von Anfragen macht, die während der Sitzung nicht beantwortet werden konnten. Dennoch ist sie nicht in der Lage, Durchschnittspreise/eine belastbare Schätzung für eine wirtschaftliche Auswertung der Angebote/Lose zu ermitteln (Preis je gefahrenen Kilometer x Strecke x Anzahl der Schultage + gegebenenfalls Kosten einer Begleitperson).