Informationen und Meinungen zur Kreispolitik im HSK

War es eine Märchenstunde?

By admin at 9:16 am on Wednesday, March 17, 2021

Im Sozialausschuss der Stadt Brilon ging es am Dienstag (16.03.) auf Antrag der Briloner Bürgerliste (BBL) auch um die Kosten der Unterkunft (KdU). Die BBL hatte beantragt, der Briloner Bürgermeister solle den Landrat auffordern, “die Angemessenheitsgrenzen für die Stadt Brilon so festzulegen, dass zu diesen Mieten Wohnungen in der Stadt Brilon auch tatsächlich in ausreichender Zahl verfügbar sind.”

Von den Angemessenheitsgrenzen der KdU betroffen sind alle Leistungsbezieher nach
– SGB II (Alg 2, „Hartz IV“, einschl. „Aufstocker“ zum Arbeitslohn) und
– SGB XII (Sozialhilfe für nicht Arbeitsfähige einschl. Rentner).
Die KdU werden zusätzlich zum Regelsatz gezahlt, der aktuell 446 € p.M. für einen alleinstehenden Erwachsenen beträgt. Sie sollen die „angemessene“ Miete und Nebenkosten abdecken. Heizkosten werden extra gezahlt. Alle, die in einem Haushalt leben, werden als „Bedarfsgemeinschaft“ (BG) zusammen betrachtet; nach Personenanzahl der BG und Stadt/Gemeinde wird die angemessene Miete ermittelt. Falls die Miete einer BG angeblich „unangemessen” hoch ist, erfolgt vom Sozialamt eine “Kostensenkungsaufforderung”. Dann bleibt in der Realität nur ein Umzug (falls eine billigere Wohnung verfügbar ist) oder es läuft auf eine Kürzung des Regelsatzes hinaus, um den angeblich zu hohen Anteil der Miete.

Für die Angemessenheitsgrenzen wird alle 4 Jahre vom HSK ein sog. „schlüssiges Konzept“ aufgestellt und alle 2 Jahre nach einem Index fortgeschrieben. Zum 01.01.2021 stand ein neues Konzept an; es wurde am 26.02.2021 vom Kreisausschuss des HSK beschlossen. Die Durchführung wird vom Kreis auf die Sozialämter der Gemeinden delegiert.

Die Ergebnisse haben allerdings mit der Realität wenig zu tun, weil die festgelegten Höchstmieten nicht marktgerecht sind. So gelten für Brilon, Marsberg und Olsberg Quadratmetermieten nur bis 4,88 Euro als angemessen, bei größeren Bedarfsgemeinschaften sogar nur bis 4,57 Euro.

Mit der Erstellung der Konzepte wird von der Kreisverwaltung seit 2013 die Fa. “Analyse & Konzepte” (A+K) beauftragt. Wer sich näher mit der Methodik der Fa. A+K beschäftigt, stößt auf gravierende methodische Probleme. So erfolgt die Berechnung der angemessenen Mieten nur anhand der “Bestandsmieten”, also der erhobenen Mieten für bereits vermietete Wohnungen. Aber es bestehen gravierende Unterschiede zu den deutlich höheren “Angebotsmieten” für tatsächlich verfügbare Wohnungen.
Der Rücklauf bei einer postalischen Anfrage an ca. 12.000 private Vermieter lag unter 10%. Dafür wurden dann Mieten von sog. institutionellen Mieten erhoben. Das ist in Brilon vor allem eine Wohnungsbaugenossenschaft, deren Wohnungen aber gar nicht frei verfügbar sind.
Eine realistische Überprüfung, ob tatsächlich Wohnungen zu den festgelegten Höchstmieten verfügbar sind, erfolgt nicht. Dabei ergibt sich sogar aus den Unterlagen der Kreisverwaltung die Absurdität der festgelegten Höchstmieten: Parallel zu den Bestandsmieten wurden z.B. für Brilon/Marsberg/Olsberg Angebotsmieten erhoben, und die lagen für 1-Personen-Haushalte in 46 von 47 Fällen über dem von der Kreisverwaltung festgelegten Höchstwert.

Im Sozialausschuss trug die zuständige Amtsleiterin der Kreisverwaltung vor. Angeblich sei das Konzept auf “wissenschaftlicher Grundlage” ermittelt worden und durch die Rechtsprechung so vorgeschrieben. Dazu, ob Mieten wirklich nur bis 4,88 Euro als angemessen gelten können, wurde nichts gesagt. Auch zur tatsächlichen Verfügbarkeit von Wohnungen zu diesen Preisen gab es keine konkrete Aussage, trotz Nachfrage mehrerer Ausschussmitglieder. Auf die Einwände mehrerer Teilnehmer, dass die ermittelten Mieten unrealistisch wären, kam die Antwort, dass es sich um “Einzelfälle” handeln müsse. Und angeblich gebe es bei Überschreitung der Höchstmiete keine “Umzugsaufforderungen”, sondern “Kostensenkungsaufforderungen” (Wo ist der Unterschied für die Betroffenen??).
Und es sei ja auch egal, wenn eine Familie wegen der Miethöhe in eine andere Stadt, in einen weit entfernten Ortsteil umziehen müsse…
Und für die Ortsteile seien die festgelegten Mieten ausreichend (dabei ergibt sich sogar aus den Daten der Kreisverwaltung das Gegenteil, wie oben für Brilon/Marsberg/Olsberg dargestellt)
Wer mit der Kürzung seiner Grundsicherung nicht einverstanden sei, der könne ja beim Sozialgericht dagegen klagen. (Das wird allerdings nur für wenige Betroffene möglich sein!)
Besonders peinlich: Die Amtsleiterin kritisierte, dass die BBL in ihrem Antrag geschrieben hatte, der Kreisausschuss habe im Februar das neue Konzept für die KdU beschlossen, und behauptete, das habe der Kreistag gemacht. Normalerweise wäre das völlig belanglos, aber wenn die Amtsleiterin so etwas als wichtig ansieht und aufgreift, dann sollte ihre Kritik wenigstens zutreffen. Der Kreistag hat in diesem Jahr noch gar nicht getagt. Seriösität sieht anders aus…

Ehrlich war wenigstens die SPD-Fraktion. Ihr Sprecher bezeichnete den BBL-Antrag als “Quatsch” und erklärte, wichtig sei nur, dass die Kosten für die KdU “haushaltsrelevant” seien. Ob die angemessenen Mieten realistisch ermittelt werden und die Betroffenen zu diesen Mieten Wohnungen erhalten können, ist der SPD also völlig egal.
Gab es nicht auch im HSK mal eine sozialdemokratische Partei, für die Sozialpolitik wichtig ist? Und die etwas dagegen unternommen hätte, wenn Familien mit geringen Einkommen aus ihren Wohnungen vertrieben werden, weil ihre Miete als nicht “angemessen” gilt, obwohl sie keineswegs zu hoch ist?

Fazit:
Es bleibt zu hoffen, dass Betroffene sich gegen dieses “Konzept” wehren werden. Die SBL hat schon in der Vergangenheit Klagen bei Sozialgerichten erfolgreich begleitet. Die von der Kreisverwaltung beauftragte Firma A+K zeichnet sich auch dadurch aus, dass ihre Konzepte und die angewandte Methodik schon oft von Sozialgerichten für rechtswidrig erklärt wurden, so vom Bundessozialgericht in mehreren grundlegenden Urteilen am 30.01.2019.

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