Ein “Leerstück” in Sachen Demokratie gab es in der Kreistagssitzung am Freitag, 20. Oktober, zu beobachten.
Es ging um die Vorschläge für die Besetzung des Aufsichtsrates der KEB Holding AG, also einer Kommunalen Energiebeteiligungsgesellschaft. Die KEB koordiniert die Interessen von Kommunen, die RWE-Aktien besitzen. Es gäbe reichlich Anlaß für einen personellen Wechsel in diesem Gremium, denn die gescheiterte Anlagepolitik mit den RWE-Aktien hat dem HSK seit 2008 direkt und indirekt Wertberichtigungen von etwa 430 Mio Euro nach unten eingebracht, also einen Verzehr fast aller finanziellen Reserven.
Von den Kreistagsmitgliedern des HSK war in der Sitzung über die Neubesetzung von drei Sitzen im Aufsichtsrat der KEB Holding AG zu entscheiden, für die der Hochsauerlandkreis ein Vorschlagsrecht hat. Für diese Wahl waren drei Vorschlagslisten eingereicht worden: Von der CDU-Fraktion mit zwei vorgeschlagenen Bewerbern, von der SPD-Fraktion mit ebenfalls zwei vorgeschlagenen Bewerbern und von der Fraktion B90/Die Grünen mit einem vorgeschlagenen Bewerber. CDU und SPD schlugen die bisherigen Gremienmitglieder vor.
Gemäß § 35 Kreisordnung NRW konnte somit jedes Kreistagsmitglied für eine der drei Listen seine Stimme abgeben. Denn wie auch sonst bei Wahlen mit mehreren Vorschlagslisten üblich, hat jede(r) Wählerin genau eine Stimme.
Dieses Verfahren der Listenwahl bei der Besetzung von Gremien ist den Kreistagsmitgliedern eingehend bekannt, denn seit der Konstituierung des Kreistags für die laufende Wahlperiode wurden derartige Wahlen schon oft durchgeführt. Auch in der speziell für diesen Punkt von der Kreisverwaltung erstellten Drucksache 9/722 (unter “4. Wahlverfahren”) wird eindeutig ausgeführt: “Nach § 35 Abs. 3 KrO NRW kann die Wahl durch einstimmige Annahme eines einheitlichen Wahlvorschlags oder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl (Hare-Niemeyer) erfolgen.”
Da kein einheitlicher Wahlvorschlag, sondern drei Vorschlagslisten eingereicht wurden, musste zwangsläufig die Verhältniswahl zur Anwendung kommen. Dies musste zumindest aufgrund der von der Kreisverwaltung erstellten Sitzungsvorlage jedem Kreistagsmitglied klar sein.
Und da kein Kreistagsmitglied eine geheime Wahl beantragt hatte, wurde gemäß der Geschäftsordnung des Kreistags die Wahl durch durch Handheben durchgeführt, und die abgegebenen Stimmen wurden exakt ausgezählt. Zunächst rief der Landat den Wahlvorschlag der CDU-Fraktion auf und fragte, wer für diesen Wahlvorschlag stimme. Nach der Auszählung der Stimmen durch die Kreisverwaltung erhob sich gegen die Feststellung des Vorsitzenden, dass 39 Kreistagsmitglieder für den Listenvorschlag der CDU ihre Stimme abgaben, kein Widerspruch. Wie schon oft im HSK, hatten offenbar zahlreiche Mitglieder der SPD-Fraktion quasi automatisch für den Vorschlag der CDU gestimmt…
Erst als der Landrat anschließend über den Wahlvorschlag der SPD-Fraktion abstimmen ließ und sich dabei herausstellte, dass nun nur noch diejenigen Kreistagsmitglieder, die nicht bereits ihre Stimme abgegeben hatten, abstimmungsberechtigt waren, gab es beim Vorsitzenden und bei einigen Kreistagsmitgliedern der SPD Unzufriedenheit mit dem Ergebnis der ersten Abstimmung. Aufgrund dieser Unzufriedenheit ließ der Vorsitzende – trotz Protesten aus mehreren Kreistagsfraktionen – erneut über den Wahlvorschlag der CDU-Fraktion abstimmen, für den dieses Mal nur 27 Stimmen gezählt wurden. Für den Wahlvorschlag der SPD-Fraktion wurden anschließend 14 Stimmen gezählt, für den dritten Wahlvorschlag 9 Stimmen, also alle Stimmen von Grünen, SBL, Linken und Piraten.
Es bestand aber keinerlei Anlass zur Wiederholung der ordnungsgemäß durchgeführten und abgeschlossenen ersten Abstimmung über den Wahlvorschlag der CDU-Fraktion, denn das wäre nur zulässig, wenn ein Kreistagsmitglied die Auszählung angezweifelt hätte. Das war nicht der Fall. Unzufriedenheit mit dem Ergebnis einer Abstimmung oder Desorientierung einiger Kreistagsmitglieder stellen keine Gründe für eine Abstimmungswiederholung dar!
Der Landrat als Vorsitzender des Kreistags hat daher zu Unrecht die Abstimmung über die Vorschlagsliste der CDU-Fraktion wiederholen lassen. Diese Wiederholung hatte Konsequenzen für die Wahlergebnisse der beiden anderen Listen, insbesondere für den Wahlvorschlag der SPD-Fraktion, weil nun einige Mitglieder der SPD-Fraktion, die zunächst für den Vorschlag der CDU-Fraktion abgestimmt hatten, ihre Stimmen für den Vorschlag der eigenen Fraktion abgeben konnten. Sonst wäre kein Kandidat von der Liste der SPD gewählt worden, sondern 2 von der CDU vorgeschlagene Bewerber und der Kandidat der Grünen.
SBL-Fraktionssprecher Reinhard Loos hat den Landrat mittlerweile schriftlich aufgefordert, diesen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit zu beanstanden.