Schwere Geburt
Anfang Januar 2017 wurde endlich auch im Hochsauerlandkreis das Sozialticket bzw. Mobi-Ticket eingeführt. Jahrelange Geburtswehen und mehrere abgelehnte Anträge der SBL/FW-Fraktion gingen diesem bemerkenswerten Kreistagsbeschluss vom 28.10.2016 voraus. Denn der Hochsauerlandkreis, so schien es, wollte das Ticket, mit dem Bezieher von Sozialleistungen zu ermäßigten Preisen Monatskarten für Bahn und Bus erwerben können, offenbar um keinen Preis.
Ungeliebtes Kind?
Nun hat er es! Und es macht ihm irgendwie Sorgen. Warum? Weil es ein Verkaufsschlager ist und viel erfolgreicher ist als gedacht?
Aber warum ist der Erfolg aus Sicht der Kreisverwaltung ein Problem? Die Antwort schimmert zwischen den Zeilen der Verwaltungsvorlage mit der netten Zahlenkombination 9/666 vom 22.02.2017 durch. Wir zitieren hier zwar nicht alles, aber fast alles und zwar die markanten Abschnitte und Sätze:
Behördliche Zahlen, behördliche Sicht
„Vor Beantragung der Fördermittel wurde die Nachfrage in den benachbarten Kreisen analysiert. Gespräche mit den Verkehrsunternehmen wurden geführt, um möglichst realistische Prognosedaten berücksichtigen zu können. Allgemeiner Erfahrungswert war, dass nennenswerte Nutzerquoten in Höhe von 8% und mehr erst mehrere Jahre nach Ticketeinführung erreichbar sind, während im Jahr der Einführung eine Nutzerquote von maximal 3% realistisch ist.
Der Förderantrag für 2017 basiert daher auf folgenden Annahmen:
• 5% Nutzerquote von insgesamt 17.071 Berechtigten im Hochsauerlandkreis
• Hochsauerlandkreis ohne Arnsberg: 70% wählen das Kreisticket, 30% das Stadtticket
• Stadt Arnsberg: 90% wählen das Stadtticket, 10% das Kreisticket
Nach bereits zwei Monaten zeigt sich, dass die Annahmen zur Nachfrage deutlich übertroffen werden. Im Januar wurde mit 688 ausgegebenen Tickets eine Nutzerquote von 4,2% erreicht. Im Februar haben sich die Werte mit 1.384 MobiTickets mehr als verdoppelt und die Nutzerquote liegt nunmehr bei 8,1%. Das Kreisticket erreichte mit 1.079 Kunden einen Marktanteil von 78%.
Im Detail stellen sich die Werte für Februar wie folgt dar:
• Hochsauerlandkreis ohne Arnsberg
913 Tickets (Nutzerquote 9,4%) – Marktanteil Kreisticket: 92,9%
• Stadt Arnsberg
471 Tickets (Nutzerquote 6,4%) – Marktanteil Kreisticket: 49,0%
Neben den generierten steigenden Erlösen aus den Ticketpreisen durch die Fahrgäste, bedeutet die hohe Nachfrage aber auch eine Inanspruchnahme von bereits 26,7% der zur Verfügung stehenden Landesmittel. Damit wird eine Fortführung des MobiTickets gemäß den aktuellen Bedingungen bei ausschließlicher Komplementärfinanzierung durch die Fördermittel nicht bis Ende 2017 möglich sein.
Im Zuge der Einführung des MobiTickets wurde frühzeitig darauf hingewiesen, dass das Angebot zunächst für ein Jahr befristet wird und eine Entscheidung zu Fortführung und Weiter-entwicklung des Angebotes unter Berücksichtigung der Erkenntnisse nach Einführung des Tickets zu treffen sein wird.“
Nun sieht die Kreisverwaltung des HSK anscheinend die Gefahr, dass die Fördergelder des Landes nicht ausreichen und Mittel aus dem Kreishaushalt zugeschossen werden müssen. Schon im März will die Kreisverwaltung deswegen Gespräche mit den Verkehrsunternehmen bzgl. einer Anpassung der Ticketpreise aufnehmen.
Weiter heißt es in der Vorlage 9/666: „Die starke Nachfrage auch außerhalb von Arnsberg und der hohe Marktanteil der Kreisvariante sprechen aus Sicht der Verwaltung für das bereits in 2017 favorisierte Modell eines einheitlichen Tickets mit Gültigkeit für das Kreisgebiet bei geringerem Fördersatz auf Basis des 60plusAbos für Senioren.
Über die Ergebnisse der anstehenden Verhandlungsrunden wird anlässlich der nächsten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Struktur und Tourismus berichtet.“
Und die ist am Montag dem 13.03. um 17.00 Uhr im Kreishaus in Meschede.
Was nun?
Wenn der HSK sich mit seinem Vorhaben durchsetzt, verdonnert er materiell schlecht gestellte Menschen wieder ein Stück weit zur Immobilität.
In sehr vielen Nachbarkreisen und Städten steht das Sozialticket offenbar nicht zur Disposition. Vielerorts wurde es schon vor zig Jahren eingeführt und ist eine Konstante. Ob die Politik da wohl auch auf die Idee kommt, es wieder abzuschaffen?
Zu teure Variante und unvollständige Kostenrechnung
In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass auf Vorschlag der Kreisverwaltung im HSK eine besonders teure Variante des Sozialtickets eingeführt wurde. So zahlen die Nutzer bei der kreisweiten Variante pro Monat 30 Euro selbst. Da der Ticketpreis aber sehr hoch mit 85,96 Euro angesetzt wurde, entsteht ein monatlicher Zuschussbedarf von fast 56 Euro je Ticket. Davon landet ein wesentlicher Teil bei der RLG, also der von den Kreisen HSK und Soest getragenen Busgesellschaft, und führt dort zu einer Verringerung des von den Kreisen zu finanzierenden Betribesverlustes.
Der Kreistag lehnte mit der Mehrheit der “GaGaGroko” zweimal Anträge der SBL/FW ab, von den möglicherweise für den HSK entstehenden Kosten des Sozialtickets die Mehreinnahmen der RLG abzuziehen???
Wenn das Sozialticket nun wieder eingestellt würde, würden der RLG erhebliche Einnahmen entgehen und der Betriebskostenzuschuss des HSK an die RLG würde steigen… Der derzeit an den HSK gezahlte Landeszuschuss für die Sozialtickets würde dann zusätzlich an andere Kreis fließen und dort die Finanzsituaiton verbessern…
Noch ein paar Fragen an den HSK
Reinhard Loos, Sprecher der Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste (SBLFW), machte das MobiTicket wieder zu „seinem Thema“. Am 24.02.2017 schickte er Landrat Dr. Karl Schneider diese Anfrage:
„Anfrage gemäß § 11 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Kreistags
Thema: Einnahmen der RLG aus dem Sozialticket (MobiTicket)
Sehr geehrter Herr Landrat,
laut Drucksache 9/666 wurden im HSK bisher 1.384 Sozialtickets ausgegeben.
In diesem Zusammenhang stelle ich folgende Fragen:
1. Welche Einnahmen aus der Ausgabe dieser Tickets verblieben im Januar 2017 und im
Februar 2017 aus dem HSK bei der RLG (nach Abführung der anteiligen Einnahmen an
die anderen Verkehrsträger wie z.B. BRS)?
2. Wie hoch sind die entsprechenden Einnahmen der RLG aus dem Kreis Soest?
3. Wie teilen sich die ausgegebenen Tickets in den beiden Monaten auf die Gruppen der
Berechtigten auf:
– Empfänger von Leistungen nach Sozialgesetzbuch II,
– Empfänger von Leistungen nach Sozialgesetzbuch XII,
– Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundesversorgungsgesetz,
– Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz?“
Die SBL/FW wird berichten ….