Gegen den Sprecher der Kreistagsfraktion der Sauerländer Bürgerliste (SBL) hat die Staatsanwaltschaft Arnsberg ein überraschendes Verfahren eingeleitet (Az: 222 Js 84/06). Anlaß ist die Unterstützung bei der Anwendung eines Sozialgesetzes. Damit soll Reinhard Loos gegen das „Rechtsberatungsgesetz“ verstoßen haben, das die Rechtsberatung (fast) ausschließlich niedergelassenen Rechtsanwälten vorbehält.
Es handelte sich um Unterstützung in einer komplizierten Wohngeldangelegenheit, in der vor allem Berechnungen eine wichtige Rolle spielen. Eine ausländische Familie mit acht Kindern hatte Wohngeld beantragt. Trotz mehrerer Erwerbseinkommen hatte die Familie – wegen ihrer Größe – darauf einen Anspruch. Nun wurde ihr von der Wohngeldstelle vorgeworfen, sie hätte in den Jahren 2003 und 2004 zu hohe Wohngeldleistungen erhalten. Deswegen hatte sich die Familie an das Kreistagsmitglied der SBL gewandt, von dem sie schon öfters Unterstützung erhalten hatte.
Bei der Überprüfung der Bescheide stellte sich heraus, dass in den Berechnungen der Wohngeldstelle mehrere Umstände gar nicht oder falsch berücksichtigt worden waren. Dies war aber für die Betroffenen kaum erkennbar. Von der Wohngeldstelle erhielten sie u.a. einen 42seitigen (!) Bescheid, der auch für fast alle deutschen Familien unverständlich gewesen wäre. Für von solchen Bescheiden betroffene Familien ist es sehr wichtig, dass sie Hilfe im Bürokratiedschungel bekommen. Diese Hilfeleistung war erfolgreich, denn der ursprüngliche Bescheid der Wohngeldstelle wurde zugunsten der Familie geändert. Und die SBL betrachtet es selbstverständlich als ihre Aufgabe, nicht nur von Integration und Bürgernähe zu reden, sondern – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – konkret zu helfen.
Diese konkrete Integrationshilfe scheint jedoch der Staatsanwaltschaft nicht zu gefallen. Sie kramte ein Gesetz aus der hintersten Ecke, gegen das jeder aktive Kommunalpolitiker – egal welcher Fraktion er angehört – mehrfach pro Woche verstößt. Denn sehr viele Auskünfte an ratsuchende Bürgerinnen und Bürger enthalten selbstverständlich einen Bezug zu rechtlichen Regelungen. So ist es kein Wunder, dass das Rechtsberatungsgesetz bei kostenloser Unterstützung von Bedürftigen fast nie mehr angewandt wird. In diesem Fall scheint aber ein „besonderes Interesse“ an seiner Anwendung zu bestehen. Vielleicht genießen Mitglieder der Partei Bündnis90/Die Grünen eine besondere Aufmerksamkeit der Staatsanwaltschaft?
Bei anderen Gelegenheiten haben Beteiligte übrigens den Eindruck gewonnen, dass die Staatsanwaltschaft erheblich weniger Engagement gezeigt hat. Dies betrifft z.B. die Anzeigen gegen die Verursacher des PFT-Skandals oder das Verfahren gegen einen Briloner Unternehmer, der im Verdacht steht, in den Jahren 1998 bis 2001 durch mehrfachen schweren Betrug 150 Mio. DM Schaden angerichtet zu haben.
Besonders pikant: Das Rechtsberatungsgesetz liegt „in den letzten Zügen“. Es wurde im Dezember 1935 von den Nazis erlassen und hatte damals das Ziel, Gewerkschaften und jüdische Anwälte aus der Rechtsberatung auszuschließen. Statt dessen erhielt die NSDAP Privilegien zur Rechtsberatung. Bereits am 23.08.2006 hat die Bundesregierung die völlige Aufhebung dieses alten Gesetzes und den Entwurf für ein neues „Rechtsdienstleistungsgesetz“ beschlossen. Am 30.11.2006 wurde es als Drucksache in den Bundestag eingebracht, nach vorheriger Beratung im Bundesrat. Laut diesem Gesetzentwurf soll künftig kostenfreie Rechtsberatung im Verwandten- und Bekanntenkreis zulässig sein, und z.B. darf dann jede Autowerkstatt für ihre Kunden Rechtsberatung als „Nebenleistung“ durchführen.
Die Staatsanwaltschaft scheint durch das von ihr betriebene Verfahren einem längst überholten, fast nie mehr angewandten und bald abgelösten Gesetz aus der Nazizeit noch einmal zu zweifelhafter Bedeutung verhelfen zu wollen. Ernsthafte Bemühungen um Integration sehen anders aus.
(Pressemitteilung der SBL vom 18.12.2006)