Welche Folgen kann der Koalitionsvertrag für die Kommunalpolitik haben? (II)
Sehr ungünstig sind mit der neuen GroKo die Perspektiven für Flüchtlinge. Vor allem die Fokussierung auf Flüchtlinge mit “dauerhafter Bleibeperspektive” im Zusammenhang mit der nach spätestens 3 Jahren erfolgenden Überprüfung positiver Entscheidungen wird zu sehr deutlichen Einschränkungen führen.
Gleich mehrfach wird im Koalitionsvertrag faktisch auf die Obergrenze eingegangen:
“Deswegen setzen wir unsere Anstrengungen fort, die Migrationsbewegungen nach Deutschland und Europa angemessen mit Blick auf die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft zu steuern und zu begrenzen… stellen wir fest, dass die Zuwanderungszahlen (inklusive Kriegsflüchtlinge, vorübergehend Schutzberechtigte, Familiennachzügler, Relocation, Resettlement, abzüglich Rückführungen und freiwilligen Ausreisen künftiger Flüchtlinge und ohne Erwerbsmigration) die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 nicht übersteigen werden. Dem dient auch das nachfolgende Maßnahmenpaket.” (Z. 4810 ff.)
Die folgenden Sätze bedeuten im Klartext, dass die ‘Rückführungen’ nach dem Dublin III-Abkommen in andere EU-Länder ausgeweitet werden und die Asylbewerberleistungen weiter eingeschränkt werden sollen:
“Dabei muss klar sein, dass eine unbefristete Berufung auf einen anderen Staat der Ersteinreise ausscheidet. … Damit eine Verteilung in der Praxis funktioniert, muss es wirksame Mechanismen zur Verhinderung von Sekundärmigration geben. Dazu wollen wir insbesondere die Asylverfahren einschließlich der Standards bei der Versorgung und Unterbringung von Asylbewerbern harmonisieren und dafür sorgen, dass volle Leistungen nur noch im zugewiesenen EU-Mitgliedstaat gewährt werden.” (Z. 4849 ff.)
Der seit März 2016 für 2 Jahre ausgesetzte Familiennachzug soll nach einer Verlängerung um weitere 4 1/2 Monate künftig nur in sehr geringem Umfang möglich sein, mit bisher nicht bekannten Auswahlkriterien:
“Für die Frage des Familiennachzugs wird Bezug genommen auf das Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten. Das Nähere regelt ein noch zu erlassendes Bundesgesetz.
Für diese Regelung zum Familiennachzug bei subsidiär Geschützten ab dem 1. August 2018 ist die Festsetzung erfolgt, dass der Zuzug auf 1000 Personen pro Monat begrenzt ist und die Härtefallregelung nach §§ 22 und 23 Aufenthaltsgesetz jenseits dieses Kontingents Anwendung findet. Die weitere Ausgestaltung des Gesetzes obliegt den Koalitionsparteien bzw. deren Bundestagsfraktionen.
Dieser Famliennachzug wird nur gewährt, wenn
…
eine Ausreise kurzfristig nicht zu erwarten ist.” (Z. 4879 ff.)
Sprachförderung und Arbeitsvermittlung sollen nur noch für wenige Flüchtlinge erfolgen:
“Wir bekennen uns zur Integration für diejenigen mit dauerhafter Bleibeperspektive. Dazu gehören Sprache und Arbeit.” (Z. 4967 f.)
Flüchtlinge müssen künftig damit rechnen, dass sie lagerähnliche Einrichtungen nicht mehr verlassen dürfen:
“Asylverfahren … Deren Bearbeitung erfolgt künftig in zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen, in denen BAMF, BA, Jugendämter, Justiz, Ausländerbehörden und andere Hand in Hand arbeiten. In den AnKER-Einrichtungen sollen Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung bzw. Rückführung (AnKER) stattfinden.” (Z. 5006 ff.)
“Wir streben an, nur diejenigen auf die Kommunen zu verteilen, bei denen eine positive Bleibeprognose besteht. Alle anderen sollen, wenn in angemessener Zeit möglich, aus diesen Einrichtungen in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.” (Z. 5038 ff.)
Und kein Flüchtling soll sich sicher fühlen können:
“Spätestens drei Jahre nach einer positiven Entscheidung ist eine Überprüfung des gewährten Schutzes erforderlich.” (Z. 5042 f.)
Noch ein weiteres Instrument zur Kürzung von Leistungen wird eingeführt, quasi mit Gesinnungsprüfung:
“Gerade im Interesse der wirklich Schutzbedürftigen und der Akzeptanz in der Bevölkerung wollen wir Ausreisepflichtige stärker danach unterscheiden, ob sie unverschuldet an der Ausreise gehindert sind oder ihnen die fehlende Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Ausreisepflicht zugerechnet werden muss. Diese Unterscheidung hat auch Konsequenzen, beispielsweise hinsichtlich des Bezugs von Leistungen. Entsprechendem Änderungsbedarf werden wir nachkommen.” (Z. 5053 ff.)
Einmaliges Schwarzfahren mit Bus oder Bahn (und sei es aus Unkenntnis) kann die Abschiebung zur Folge haben:
“Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist möglichst frühzeitig über die Einleitung eines Strafverfahrens zu informieren. Dazu werden wir § 8 Abs. 1a des Asylgesetzes ändern.
Wer sein Aufenthaltsrecht dazu missbraucht, um Straftaten zu begehen, muss unser Land verlassen.” (Z. 5060 ff.)
Der Rechtsstaat wird für Flüchtlinge weiter eingeschränkt (oder was sonst ist mit praktikabler Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens zwecks Erhöhung der Rückführungsmaßnahmen gemeint?):
“Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam, einschließlich des Beschwerdeverfahrens, werden wir praktikabler ausgestalten, die Voraussetzungen absenken und klarer bestimmen. Ziel ist, die Zuführungsquoten zu Rückführungsmaßnahmen deutlich zu erhöhen.” (Z. 5069 ff.)
Und die Anzahl der angeblich sicheren Herkunftsstaaten wird um 3 + x Länder weiter erhöht, so dass Abschiebungen in diese Länder deutlich erleichtert werden:
“Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung werden Algerien, Marokko und Tunesien sowie weitere Staaten mit einer regelmäßigen Anerkennungsquote unter fünf Prozent zu sicheren Herkunftsstaaten bestimmt.” (Z. 5074 ff.)
War die AfD an diesen Koalitionsverhandlungen schon beteiligt?
Und hat die SPD das wirklich alles unterschrieben?