Kostensenkungsaufforderungen – Will der Hochsauerlandkreis nicht wissen was er tut?
Wie mehrfach in der Presse berichtet, erhalten in diesen Wochen viele Grundsicherungs-Empfänger im Hochsauerlandkreis von ihrem Jobcenter die schriftliche Aufforderung, die Kosten für ihre Unterkunft, sprich Miete und Nebenkosten, deutlich zu senken. Dazu hatte der HSK von der Unternehmensberatung „Analyse und Konzepte GmbH“ ein sogenanntes Schlüssiges Konzept erstellen lassen, so wie andere Landkreise und Städte in Deutschland auch. Doch das Resultat der Auftragsarbeit von „Analyse und Konzepte“ ist längst nicht überall unumstritten. Wie wir im Internet lesen und aus Gesprächen erfahren haben, gibt es viel Kritik an den sogenannten „Schlüssigen Konzepten“ dieses Hamburger Unternehmens. Sie wurden sogar von einigen Sozialgerichten als rechtswidrig verworfen.
Reinhard Loos, Kreistagsmitglied der Sauerländer Bürgerliste (SBL), ist der Meinung, dass die Anwendung dieses Konzeptes zu großen sozialen Härten führen kann. Daher stellte er am 11.02.2014 dazu eine schriftliche Anfrage an den Landrat.
Klick:
http://sbl-fraktion.de/?p=3901
(Die Kenntnis der Fragen ist für das Verständnis der unten wiedergegeben Antworten wich-tig, da in den Antworten nicht auf den Inhalt der Fragen eingegangen wird.)
Seit dem 03.03.2014 liegt der SBL die Antwort (mit dem Datum vom 24.02.14) vor. Weil der Inhalt des Schreibens viele Menschen im Hochsauerlandkreis betrifft, veröffentlichen wir es hier fast vollständig:
„Sehr geehrter Herr Loos,
bevor ich Ihre konkreten Fragen beantworte, möchte ich vorab einige generelle Hinweise zur Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten im konkreten Einzelfall geben. Die einzelnen Prüfungsschritte sind Ausfluss der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 22 Abs 1 SGB II und sollten von jedem Träger entsprechend eingehalten werden.
Bei der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten wird in jedem Leistungsfall regelmäßig im Rahmen der beantragten Weitergewährung der Leistungen (i.d.R. alle 6 Mona-te) eine Einzelfallprüfung vorgenommen, in der in einem ersten Schritt die tatsächlichen Mietkosten mit den als angemessen angesehenen Kosten (im HSK lt. Richtwerttabelle) verglichen werden. Soweit die aktuellen tatsächlichen Mietkosten unterhalb der Mietpreisobergrenze lt. Richtwerttabelle liegen, werden die tatsächlichen Kosten auch weiterhin in voller Höhe übernommen.
Soweit die tatsächlichen Kosten, die ggf. bislang angemessenen waren (Richtwert lag bei den aktuellen Wohngeldsätzen mit einem 10%igen Zuschlag), nunmehr nach dem neuen Konzept als unangemessen einzustufen sind, wird in einem zweiten Schritt geprüft, ob die Unterkunftskosten in dem vorliegenden Einzelfall dennoch akzeptabel sind. Das ist dann der Fall, wenn soziale, persönliche oder wirtschaftliche Gründe vorliegen, die es rechtfertigen, die tatsächlichen Kosten auch weiterhin zu übernehmen. Darüber hinaus kann dies der Fall sein, wenn auf dem aktuellen Wohnungsmarkt keine Wohnung vorhanden ist, die zu Miet-preisen in Höhe der Richtwerte angemietet werden kann.
Lediglich in den Fällen, in denen keine derartigen Gründe vorliegen, werden die Leistungsbe-rechtigten zur Kostensenkung aufgefordert. Dem Kunden obliegt dann die Entscheidung, wie er auf eine solche Aufforderung reagieren möchte. Es stehen dabei u.a. folgende Hand-lungsoptionen zur Verfügung: Verhandlungen mit dem Vermieter über eine Absenkung des Mietpreises, Akzeptanz der abgesenkten Kosten der Unterkunft und Finanzierung der unge-deckten KdU-Anteile aus Regelsatz, Freibeträgen oder Mehrbedarfen oder der Umzug in eine angemessene Unterkunft.
…
Insoweit beantworte ich Ihre Einzelfragen wie folgt:
1. Ein EDV-Controlling im Zusammenhang mit der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist nicht vorhanden. Insoweit kann keine valide Auskunft über die Anzahl der verschickten bzw. zukünftig noch zu verschickenden Kostensenkungsaufforderungen gegeben werden.
2. siehe Frage 1.
3. siehe Frage 1.
4. Eine pauschale Information erfolgte nicht. Anlassbezogen werden die Kunden in Einzelgesprächen über den Inhalt der Mietwerterhebung informiert.
5. siehe oben. In die Einzelfallprüfung werden beispielsweise Überlegungen über die Nähe zum ggf. vorhandenen Arbeitsplatz, die Erforderlichkeit eines Schulwechsels, die Nähe zu Gesundheitszentren bei gesundheitlich beeinträchtigten oder suchtkranken Menschen, die mögliche kurzfristige Eingliederung in den Arbeitsmarkt u.ä. mit einbezogen.
Weitere Aspekte sind die Höhe der Überschreitung der Richtwerte, die Dauer des Leistungs-bezuges sowie die zu erwartenden Folgekosten.
6. Die Städte und Gemeinden sind gehalten, die örtlichen Wohnungsangebote aus den bekannten Printmedien, Internetportalen etc. regelmäßig nachzuhalten. Eine konkrete Senkung der Unterkunftskosten kann rechtmäßig nur dann erfolgen, wenn nachweislich angemessener Wohnraum auf dem aktuellen Wohnungsmarkt verfügbar ist.
7. Die Rückmeldung der örtlichen Jobcenter zeigt eine grundsätzliche Akzeptanz der neuen Richtwerte sowohl auf Mieter- als auch auf Vermieterseite. So haben einige Vermieter bereits ihre Mietpreise angepasst, um beispielsweise langjährigen zuverlässigen Mietern das Verbleiben in der Wohnung zu ermöglichen. Eine gesteigerte Anzahl von Widerspruchsverfahren oder Umzüge in kostengünstigere Wohnungen sind aktuell nicht zu beobachten.
8. Hier handelt es sich um eine richterliche Einzelfallentscheidung im Einstweiligen Rechtsschutzverfahren. In einem solchen Verfahren erfordert „der Beweismaßstab … im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung°, vielmehr hat das Gericht im vorliegenden Fall ledig-lich seine Bedenken hinsichtlich der Schlüssigkeit des Konzeptes zum Ausdruck gebracht. Letztendlich ausschlaggebend für die Annahme der Schlüssigkeit wird jedoch nicht eine rich-terliche Einzelmeinung sein, sondern für den Hochsauerlandkreis die Auffassung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen sowie abschließend des Bundessozialgerichts. Insoweit erfolgt auf den zitierten Beschluss aktuell keineweitere Reaktion.
9. Bei der Erstellung eines schlüssigen Konzeptes zur Bestimmung angemessener Unterkunfts-kosten handelt es sich nach einhelliger Meinung um ein Geschäft der laufenden Verwaltung. So-weit jedoch finanzielle Belange des Leistungsträgers betroffen sind (wie beispielsweise bei der Festlegung der Höhe der Richtwerte), bedarf es einer Unterrichtung und ggf. Beschlussfassung durch die politischen Gremien. Nichts anderes bringt auch der Rhein-Kreis Neuss mit seiner Vor-lage 50/29711XV12014 zum Ausdruck, nach der die von der Verwaltung in Zusammenarbeit mit Analyse & Konzepte ermittelten Bruttokaltmietobergrenzen bestätigt werden sollen.“
Soweit die Stellungnahme der Verwaltung.
Diese Antworten der Kreisverwaltung kann man auch so interpretieren:
1.-3. Wir (= die Kreisverwaltung) haben keinen Überblick über das was wir tun, und wollen ihn auch nicht haben.
4. Die Betroffenen informieren wir nur dann solide, wenn es unvermeidbar ist.
5. Eine Überprüfung der Angemessenheit erfolgt nur bei besonderen Anlässen.
6. Vielleicht schauen wir in Zukunft auch darauf, ob es wirklich billigere Wohnungen gibt. Wir können aber nicht dafür garantieren, dass es nur “rechtmäßige” Senkungen der Unterkunftskosten gibt.
7. Bisher hatten viele Leute Angst aufmüpfig zu sein.
8. Es kann viele Jahre dauern, bis unser Konzept letztinstanzlich gekippt ist. Bis dahin ma-chen wir so weiter.
9. Wir haben die politischen Gremien weder von uns aus unterrichtet noch an der Entschei-dung beteiligt, obwohl es erforderlich gewesen wäre.
Angesichts der großen Anstrengungen, bei Sozialleistungen viel Geld einzusparen, hält die SBL es für erstaunlich, wie unbekümmert der Hochsauerlandkreis viele Millionen Euro für Prestige-Projekte, wie z.B. die Erweiterung des Sauerland-Museums, ausgibt. Hier gilt wohl das Motto: Irgendjemand wird die Zeche schon zahlen; notfalls indirekt die Sozialhilfeempfänger?