Informationen und Meinungen zur Kreispolitik im HSK

Bürgermeister-Protest an der falschen Stelle

By admin at 9:09 pm on Sunday, September 5, 2021

Ein wichtiger Teil der medizinischen Versorgung im Kreisgebiet ist die Notfallrettung. Sie ist sowohl bei Unfällen mit Verletzten als auch z.B. bei internistischen oder gynäkologischen Notfällen im Einsatz. Außerdem werden Verlegungsfahrten mit Krankentransportwagen durchgeführt.

Wichtigster Bestandteil der Notfallrettung sind die Rettungswachen; davon gibt es bisher 12. Sie sind jeweils mit mindestens 2 Notfallsanitätern besetzt, die im Bedarfsfall mit einem Rettungstransportwagen (RTW) ausrücken. Viele Rettungswchen verfügen sogar über je 2 RTW. Wichtig ist das schnelle Erreichen des Einsatzortes. Dafür ist eine Hilfsfrist definiert. Sie wird in NRW nicht vom Land festgelegt, sondern von den einzelnen Kreisen. Im HSK beträgt diese Hilfsfrist 12 Minuten: In 90% der Notfälle sollen an öffentlichen Straßen gelegene Notfälle innerhalb dieser Frist erreicht werden. Das klappt im HSK aber bisher nur unzureichend: Statt in 10% der Fälle wird diese Frist bisher in fast 16 % der Fälle überschritten. Das zeitliche Ziel wird also weit verfehlt. Mehr als 10 Minuten beträgt die Eintreffzeit bei sogar fast 27 % der Notfälle.

Anlage3-Hilfsfristen

Künftig soll es im HSK 14 Rettungswachen (mit insgesamt 23 RTW, davon 15 rund um die Uhr) und 7 Notarztstandorte mit insgesamt 8 NEF geben. Der von der Kreisverwaltung beauftragte Gutachter hatte vorgeschlagen, 10 Rettungswachen neu zu bauen: in Alt-Arnsberg, Hüsten, Meschede, Schmallenberg-Mitte und Westernbödefeld (als Ersatz für Fredeburg), Winterberg, Medebach-Ost und Hallenberg-Nord (als Ersatz für Medelon), Brilon und Olsberg. Nur 4 der bisherigen Standorte sollen unverändert erhalten bleiben: Neheim, Sundern, Eslohe und Marsberg. Nachdem sich Krankenkassen und Kreis nicht einigen konnten, hat die Bezirksregierung Anfang August eine verbindliche Entscheidung getroffen. Nun bleibt auch der alte Standort in Olsberg erhalten.
Sinn der Neubauten ist neben der Anpassung an veränderte räumliche und funktionale Anforderungen vor allem die Lage-Optimierung: Ohne diese ließe sich das Defizit bei der Einhaltung der Hilfsfristen nicht beseitigen. Außerdem werden die Besetztzeiten der RTW ausgeweitet: So wird in Brilon künftig (wie bisher) rund um die Uhr 1 RTW einsatzbereit sein, aber außerdem täglich von 7 bis 19 Uhr ein zweiter RTW.

RWneu

Die Veränderungen der Standorte sind dringend erforderlich. So steht z.B. zum Standort der Rettungswache Brilon im Gutachten:
„Vom gegenwärtigen Standort der Rettungswache Brilon besteht eine eingeschränkte Reichweite insbesondere in nordwestliche Richtung, da in Richtung der Einsatzschwerpunkte zunächst der innerstädtische Bereich durchfahren werden muss. Insbesondere für die Stadtteile Alme und Madfeld drück sich dies in einer erhöhten Anzahl an Hilfsfristüberschreitungen (zusammen etwa 30 Fälle) aus. Eine Verlegung des Standortes an den östlichen Ortsrand (Mündungsbereich B 7 / B 251) würde die Versorgung in nördliche und östliche Richtung ohne Einschränkungen der Versorgung in westliche und südliche Richtung deutlich verbessern.“

Für die Notarztstandorte sind 5 Neubauten geplant: In Hüsten (als Ersatz für Alt-Arnsberg und Neheim), Meschede, Schmallenberg-Mitte, Winterberg-Nord und Brilon-Altenbüren (als Ersatz für Brilon und Olsberg). Die Standorte Sundern und Marsberg bleiben unverändert.

Ausrueckbereiche-NotA-neu-2

Künftig kommt also rechnerisch auf 2 Rettungswachen ein Notarztstandort. Dies ist sinnvoll, denn RTW und NEF (mit dem Notarzt) fahren getrennt zum Einsatzort. Zudem wird nur in weniger als 30% aller Notfälle ein Notarzt bzw. eine Notärztin eingesetzt. Z.B. gab es innerhalb eines Jahres (von März 2019 bis Februar 2020) am Standort Brilon 2.212 Notfallrettungen durch einen RTW, aber nur 642 mit Einsatz eines Notarztes.

In den letzten Wochen gab es aus Reihen der GroKo (CDU/SPD) und von den Bürgermeistern in Brilon und Olsberg lautstarken Widerstand gegen die Ergebnisse des Gutachtens und die Entscheidungen der Bezirksregierung. Sie richten sich vor allem gegen die Standortverlagerungen im Raum Brilon. Die Herren Bürgermeister haben sich aber offensichtlich nicht hinreichend mit den fachlichen Grundlagen besetzt. Insbesondere schätzen sie die unterschiedliche Bedeutung der RTW und der Notärzte für die Notfallrettung völlig falsch ein. Spätestens seit im Jahr 2014 die Notfallsanitäter die früheren Rettungsassistenten ablösten, ist das schnelle Eintreffen des RTW in der Regel viel wichtiger als die möglichst frühe Ankunft eines Notarztes. Der RTW hat zudem eine viel bessere technische Ausrüstung als das NEF und ermöglicht es, die Patienten im Fahrzeug zu versorgen. Die Notärzte sind z.B. dann wichtig, wenn es um die Verabreichung von einigen Medikamenten oder Schmerzmitteln geht, die die Notfallsanitäter nicht anordnen dürfen.

Eine sinnvolle Verbesserung wäre dagegen eine Reduzierung der Hilfsfrist. Sie ist im HSK mit 12 Minuten ungewöhnlich lang. Z.B. im Ruhrgebiet liegt sie bei nur 8 Minuten. Im benachbarten – ebenfalls ländlichen – Landkreis Waldeck-Frankenberg beträgt sie aufgrund einer Vorgabe des Landes Hessen nur 10 Minuten. Daher hat dieser nordhessische Landkreis, der etwa halb so groß ist wie der HSK, mit 11 Rettungswachen eine viel höhere Dichte als der HSK.
Und dabei enthält die Hilfsfrist nur den “Zeitraum zwischen zwischen dem Eingang der Notfallmeldung in der zuständigen Leitstelle und dem Eintreffen des ersten (geeigneten) Rettungsmittels am an einer öffentlichen Straße gelegenen Notfallort” (Orgakom, S. 23); die tatsächliche Zeit, bis die Notfallsanitäter den Patienten erreichen, dauert also noch länger.
Die Forderungen und Proteste sollten sich daher auf eine Verkürzung der Hilfsfrist konzentrieren. Das macht lokalpolitisch vielleicht weniger Eindruck. Es würde aber vielen Notfallpatient*innen wirklich helfen, wenn in 90% der Notfalleinsätze der RTW schon nach 10 Minuten statt – wie bisher – erst nach knapp 14 Minuten eintreffen würde.

Am Montag (6. Sept, ab 17 Uhr im Kreishaus in Meschede) steht der neue Rettungsdienstbedarfsplan auf der Tagesordnung des Gesundheits- und Sozialausschusses. Am Freitag (10. Sept, ab 15 Uhr in der Schützenhalle in Olsberg-Bigge) erfolgt dann die abschließende Beschlussfassung durch den Kreistag.

Filed under: GesundheitspolitikComments Off on Bürgermeister-Protest an der falschen Stelle

No Comments

No comments yet.

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.