Festnahmen im Giftdünger-Skandal
Zahlreiche Umweltbehörden alarmiert
VON HUBERTUS GÄRTNER Paderborn.
Der Skandal um die Verbreitung giftiger Industrieklärschlämme auf landwirtschaftlichen Flächen bekommt eine immer größere Dimension. Nach monatelangen Ermittlungen gegen die Borchener Firma GW Umwelt wurden am Dienstag der Geschäftsführer Ralf W. und zwei Ingenieure verhaftet.
Wie ein Sprecher der Paderborner Staatsanwaltschaft auf Anfrage bestätigte, wird dem Trio jetzt der unerlaubte Umgang mit gefährlichen Stoffen sowie Betrug in besonders schweren Fällen vorgeworfen.
Wie berichtet, war Ralf W. bereits vor einigen Wochen wegen des Verdachts der Gewässerverunreinigung verhaftet, dann aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Seinerzeit ging es um die Produkte “TerraTop” und “Terra-Aktiv”. Dieser Biodünger, der mit der Krebs erregenden Umweltchemikalie PFT (Perfluorierte Tenside) belastet ist, war auf knapp 1.000 Hektar Ackerfläche im Einzugsbereich von Möhne und Ruhr verstreut worden und hatte zu teilweise alarmierenden PFT-Werten im Trinkwasser geführt.
Die neuerlichen Verhaftungen gründen auf Geschäftsbeziehungen, die die GW Umwelt mit der Firma Vartec in Apeldoorn unterhalten hat. Das niederländische Unternehmen entsorgt Schlämme aus kommunalen Kläranlagen. In diese werden allerdings nicht nur die Abwässer aus normalen Haushalten sondern auch hoch belastete industrielle Abwässer eingeleitet. Deshalb müssen die Klärschlämme nach holländischem Recht verbrannt werden.
Holländischer Klärschlamm mit Kalk versetzt
Die Borchener Firma GW Umwelt soll dem Unternehmen Vartec vorgegaukelt haben, dass GW Umwelt über eine besondere Technik verfüge, mit der die giftigen industriellen Klärschlämme in Deutschland neutralisiert und zu “nützlichen Bodenverbesserern” umgewandelt werden können. Daraufhin erteilten die holländischen Behörden “grünes Licht”.
Knapp 50.000 Tonnen Klärschlamm aus Holland seien notdürftig mit Kalk versetzt und anschließend unter Umgehung der deutschen Klärschlammverordnung von der GW Umwelt auf Feldern in Niedersachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt verstreut worden, sagte ein Sprecher der Paderborner Staatsanwaltschaft.
Man müsse davon ausgehen, dass der Klärschlamm aus den Niederlanden wegen seiner teilweise industriellen Herkunft nicht nur mit mit der Umweltchemikalie PFT sondern auch “mit Schwermetallen und Arzneimittelrückständen stark belastet” sei. Alle Umweltbehörden in den betroffenen Bundesländern seien informiert “damit sie das Nötige veranlassen können”.
(aus “Neue Westfälische” vom 20.12.2006, Titelseite)