Der pure Wahnsinn – Planungen nach KiBiz
Wer sich noch an die eigene Kindergartenzeit erinnert oder an die seiner Kinder, wird sich auch daran erinnern, dass ein Kindergarten meistens aus einer oder mehreren Gruppen bestand. Etwa 25 Kinder trafen sich mehr oder weniger regelmäßig mit ihren Erzieherinnen im Gruppenraum. Und ihre Gruppe hatten wohlklingende Namen, der meist aus dem Tierreich oder aus der Kinderliteratur stammte.
Doch mit KiBiz wird alles anders – zumindest in der Planung. Die NRW-Landesregierung hat den Jugendämtern und den Jugendhilfeausschüssen vorgeschrieben, dass von ihnen jetzt virtuelle Gruppen geplant werden müssen – für die Beantragung der Zuschüsse des Landes. Daran versuchte sich am 13. März der Jugendhilfeausschuß des Kreises. Die SBL hielt die Planungen für noch nicht verabschiedungsreif und hatte deshalb eine Verschiebung beantragt, die aber von Ausschuß nicht beschlossen wurde.
Und wie war geplant worden?
Das Jugendamt hatte dem Ausschuß ein kunterbuntes, ungeordnetes Durcheinander von 88 Datenblättern vorgelegt, eines für jeden Kindergarten im Bereich des Jugendamtes. Darin waren die angemeldeten Kinder auf fiktive Gruppen aufgeteilt, die aber in dieser Form gar nicht real existieren sollen. 3 Formen für solche virtuellen Gruppen gibt es: Für Kinder von 2-6 Jahren, für Kinder von 0,4 – 2,9 Jahren und für Kinder von 3-6 Jahren. Zunächst versuchten die Planer beim Jugendamt, eine Gruppe des Typs I zusammenzustellen. Zu ihr mußten 20 Kinder gehören, von denen mindestens 4 und höchstens 6 am 1. November jünger als 3 Jahre sein müssen. Sind bis zu 3 oder ab 7 U3-Kinder zu planen, wurde daraus eine (unvollständige) Gruppe des 2. Typs gebildet; die älteren landeten in einer ebenfalls unvollständigen Gruppe des Typs III.
Bis hierhin hört sich das alles noch ziemlich nebensächlich an, aber diese Verteilung hat große finanzielle Auswirkungen für die Träger der Kindergärten. Das liegt an den “Kindpauschalen”, die aus Mitteln des Landes und des Kreises an die Träger gezahlt werden und sich nach der Gruppenform und dem gewählten “Betreuungszeitfenster” richten; möglich sind 25, 35 oder 45 Stunden pro Woche.
Dazu zwei einfache Beispiele: Falls 20 Kinder einzuteilen sind und davon 6 Kinder unter 3 Jahren, entsteht daraus eine Gruppe des Typs I. Falls die Kinder 45 Stunden je Woche betreut werden, erhält der Träger der Einrichtung dafür 147.395 Euro pro Jahr. Falls nur ein weiteres der 20 Kinder unter 3 ist, kann keine Gruppe des Typs I mehr konstruiert werden. Es werden nun 7 Kinder dem Typ II und die anderen 13 Kinder dem Typ III zugeordnet. In der Praxis wird sich kaum etwas ändern, aber in den Kassen des Trägers: Nun erhält er 47.145 Euro mehr, also rund 30%!
Auch in der anderen Richtung wirkt sich ein Überschreiten der Grenze günstig aus: Falls von den 20 Kindern 4 unter 3 Jahren alt sind, entsteht wieder eine Gruppe des Typs I. Sind jedoch nur noch 3 U3, kommt es zu einer Drei-Kind-“Gruppe” des Typs II; die anderen 17 Kinder werden dem Typ III zugeordnet. Daraus entsteht für den Träger – trotz geringeren Aufwands – eine Mehreinnahme von 13.372 Euro!
Falls die 20 Kinder nur 35 Stunden pro Woche betreut werden, ändern sich die Differenzbeträge. Sind 4 bis 6 der 20 Kinder U3, fließen dem Träger aus den Kindpauschalen 114.934 Euro zu. Sind es jedoch nur 3 U3-Kinder, fehlen in der Kasse des Trägers 7.513 Euro. Ein U3-Kind mehr als 6 führt für den Träger zu Mehreinnahmen von 23.039 Euro.
Da Kindertagesstätten meistens viel mehr als nur 20 Kinder haben, können sich die Finanzprobleme aus geringfügigen Altersunterschieden bei vielen Trägern noch erheblich erstärken.