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Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte: Leere Taschen – Alltag für Hartz IV-Bezieher

By admin at 3:32 am on Monday, December 22, 2008

Arbeitslosengeld II, im Volksmund auch Hartz IV genannt, betrifft nicht nur bildungsferne Schichten. Frau N. (Name von der Redaktion geändert) ist, nachdem ihr Mann sie verlassen hat, zum Sozialfall geworden. Sie muss sich nun alleine um ihre fünf Kinder kümmern und stellt fest, dass die Hartz-IV-Sätze zum Leben hinten und vorne nicht reichen.

“Wenn eines der Kinder mit der Schule nur einen kleinen Ausflug macht, kostet mich das 25 Euro. In der Berechnung der Hartz-IV-Sätze ist dafür nichts vorgesehen. Entweder ich sage meiner Tochter, sie kann da nicht mitgehen, oder … da fällt mir schon gar nichts mehr ein”, erzählt Frau N. Nun gibt sie den Kindern in solchen Fällen Briefe mit in die Schule, in denen sie darum bittet, dass die Kosten übernommen werden. Die Reaktionen sind sehr freundlich, doch für die Kinder ist das demütigend. Auch sonst kostet die Schule Geld. Es müssen Bücher gekauft werden oder Hefte. “Am Schuljahresbeginn kostet mich das pro Kind etwa 60 Euro”, erzählt die fünffache Mutter. In der Auflistung, wofür bei Hartz IV Geld vorgesehen ist, kommen Schule und Bildung gar nicht vor. “Wenn ich für ein Kind vernünftige Winterschuhe kaufen will, bekomme ich die nicht unter 40 Euro. Da geht der Kleidungssatz für zwei Monate nur für Schuhe drauf”, erzählt sie weiter. Geschenke für die Kinder zum Geburtstag oder zu Weihnachten sind in den Regelsätzen auch nicht vorgesehen. Und das Kindergeld, das andere zusätzlich erhalten, wird an den Hartz-IV-Leistungen abgezogen.

Die Situation ist denkbar schwierig, und zu allem Überfluss sind kürzlich auch noch Waschmaschine und Spülmaschine kaputtgegangen und der Mann hat beim Auszug einige Möbel mitgenommen, die ersetzt werden müssen. Für solche Dinge ist in den Regelsätzen kein Geld vorgesehen. Dass sie wegen einer neuen Waschmaschine, die sie in einem Sechs-Personen-Haushalt dringend bracht, quasi betteln gehen musste, fiel Frau N. sehr schwer.

Für Ernährung stehen einem Erwachsenen nach den Hartz-IV-Sätzen am Tag 4,42 Euro zu, Kindern unter 14 Jahren 2,65 Euro. Das jüngste Kind von Frau N. geht jetzt in einen Ganztageskindergarten, wo das Mittagessen 3,50 Euro kostet. Das wird für Bedürftige zweifach bezuschusst, aber ein Euro muss immer noch selbst bezahlt werden. Bleiben noch 1,65 für die beiden anderen Mahlzeiten des Kindes. Zwar kann Frau N. seit sie Hartz-IV-Empfängerin ist im Tafelladen einkaufen, doch die Lösung ist das auch nicht. “Das ist zwar günstig, doch bekomme ich längst nicht alles, was ich brauche”, sagt sie. Außerdem hat der Laden nur zwischen 14 und 17 Uhr geöffnet, eine Stunde heißt es warten, bis man an die Reihe kommt. “Das ist die Zeit, in der bei mir zu Hause das Leben tobt”, stellt sie fest. Wenn die fünf Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren zu Hause sind, geht es rund im Haus, da bleibt keine ruhige Minute.

Die Vormittage nutzt Frau N. für Einkäufe, organisatorische Aufgaben sowie putzen und den Haushalt machen. Doch das Amt verlangt nun von ihr, dass sie sich eine Arbeit sucht. “Vier Stunden am Tag zu arbeiten sind mir zumutbar”, berichtet sie. Wie das bei einer Alleinerziehenden mit fünf Kindern funktionieren soll, ist nicht nur ihr unklar. Dennoch übt die Behörde massiven Druck aus. Frau N. fühlt sich alleingelassen. “Die Gesellschaft will keine dicken, faulen und computergestörten Kinder, aber man muss alles aus eigener Kraft schaffen, eine Unterstützung ist das der Gesellschaft nicht wert”, bemängelt die gelernte Erzieherin. Und das vor dem Hintergrund, dass für die Banken Milliarden zur Verfügung gestellt werden. “Für fünf Kinder zu sorgen, sie gesund zu ernähren und ihnen Nachhilfe zu geben ist ein Fulltimejob, da bleibt nicht mehr viel Zeit”, betont sie.

Außerdem muss Frau N. für sich und ihre fünf Kinder jetzt eine andere Wohnung suchen. “Die Wohnung, die wir haben, ist zwar fünf Quadratmeter kleiner als das, was uns zusteht, doch sie ist um 200 Euro zu teuer”, sagt sie. Billigere Wohnungen gibt es aber nur in abgelegenen Orten, was zu neuen Problemen führen würde, denn ein Auto kann sich Frau N. nicht leisten. Und weil sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen muss, darf sie den Kreis nur an 21 Tagen im Jahr verlassen. “Wenn wir zu den Großeltern der Kinder fahren wollen, brauchen wir die Erlaubnis des Arbeitsamts”, sagt sie.

Die ganze Situation ist neu für Frau N., und es fällt ihr schwer, damit umzugehen. Sie hat einen liebenswürdigen Landwirt gefunden, der ihr und ihren Kindern Obst und Gemüse schenkt. “Aber es kostet mich wahnsinnige Überwindung, um etwas zu bitten. Ich bin noch nicht dahinter gekommen, ob es Stolz ist oder Scham”, sagt sie. Doch sie ist für jede Hilfe, die sie erfährt, sehr dankbar.

“Für mich persönlich ist es auch schwierig, weil ich keinen Abstand kriege”, sagt Frau N. “Einen Babysitter kann ich mir nicht leisten. Es sind nur kleine Wünsche, ich will ja gar nicht drei Wochen in Urlaub, sondern nur mal loslassen dürfen und Luft schöpfen. Aber das geht nicht”, bedauert sie. “Aber zum Glück habe ich fünf wunderbare Kinder”, sagt sie lachend.

(Quelle: Badische Zeitung)

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