Neue Aufgabe: Kreisjugendamt möchte Tausende von Arbeitsverträgen sammeln…
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Kind im Alter zwischen 1 Jahr und der Einschulung, und möchten es in einer Kita betreuen lassen: Dann war es bisher kein Problem, das Kind in einer Kita anzumelden, und Sie konnten sich frei für eine (maximale) wöchentliche Betreuungszeit von 25, 35 oder 45 Stunden entscheiden.
Das soll sich nun ändern. Denn das Kreisjugendamt des HSK hat festgestellt, dass ihm der nun erreichte Anteil der 45-Stunden-Buchungen von 46% an allen Buchungen zu hoch ist. Bei einer Senkung auf 36% könne das Kreisjugendamt etwa 150.000 Euro pro Jahr einsparen. Also hat es für die nächste Sitzung des Kreisjugendhilfeausschusses eine Sitzungsvorlage erstellt, zu der ein Formular gehört, dass die Eltern der potentiellen Kita-Kinder künftig ausfüllen sollen.
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Darin wird nach dem Grund der 45-Stunden-Betreuung gefragt, denn die Eltern sollen nur noch mit besonderer Begründung eine Ganztagsbetreuung für ihr Kind erhalten. Alleine die Angabe reicht aber nicht. Es sollen Belege mit eingereicht werden, u.a. wird im Falle der Erwerbstätigkeit die Vorlage des Arbeitsvertrages (bzw. der Arbeitsverträge) ausdrücklich erwartet. Selbstverständlich muss auch die Telefonnummer angegeben werden.
Das soll dann über die “Einrichtung” (also die künftige Kita) beim Kreisjugendamt eingereicht werden, und Kita-Leitung sowie Kreisjugendamt können sich ein Archiv mit Arbeitsverträgen anlegen. Weitere Kontrollen über die von den Eltern gemachten Angaben sind selbstverständlich auch vorgesehen. Außer dem Archiv kann das Kreisjugendamt dann also auch noch eine Kontrollbürokratie aufbauen… Im Bereich der HSK-Kreisjugendamtes gibt es etwa 4.200 Kinderbetreuungsplätze. Wenn nur die Hälfte der Eltern einen 45-Stunden-Platz haben möchte, würde das jährlich mehr als 2.000 zu überprüfende Fälle bedeuten.
Man fragt sich, was das soll?! Was gehen das Kreisjugendamt die Arbeitsverträge und die Telefonnummern der Eltern an??
Völlig übersehen wird dabei auch, dass die am 04.06.2014 vom Landtag beschlossene Neufassung des NRW-Kinderbildungsgesetzes (“Kibiz”) den Eltern seit 01.08.2014 sehr viel Wahlfreiheit beim zeitlichen Umfang der Kinderbetreuung einräumt. Im neu eingefügten § 3a des “Kibiz” heisst es:
“§ 3a KiBiz – Wunsch- und Wahlrecht
(1) Eltern haben das Recht, für die Betreuung ihrer Kinder zwischen den im Rahmen der örtlichen Jugendhilfeplanungen zur Verfügung stehenden Tagesbetreuungsangeboten zu wählen.
…
(3) Der zeitliche Umfang des Betreuungsanspruchs richtet sich nach dem individuellen Bedarf. Die Eltern haben das Recht, die Betreuungszeit für ihre Kinder entsprechend ihrem Bedarf und im Rahmen dieses Gesetzes zu wählen. Die Träger der Tageseinrichtungen und die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendämter) sollen das Angebot an den Bedarfen der Familien ausrichten und den Wünschen für den Betreuungsumfang in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege entsprechen.”
In der Gesetzesbegründung (Landtags-Drucksache 16/5293) heisst es dazu:
“Die Bestimmung im Absatz 3 des § 3a konkretisiert das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern im Hinblick auf den zeitlichen Betreuungsumfang. Sie steht in engem Kontext mit den neuen Regelungen des § 13e zu Öffnungs- und Schließzeiten. Mit dem neuen Absatz 3 werden die Bedarfsgerechtigkeit und die Orientierung an den Betreuungszeitwünschen der Eltern verbessert. Wenn die tatsächlich Nachfrage nach Betreuungsplätzen höher liegt als bei sorgfältiger, bestmöglicher Jugendhilfeplanung vorhersehbar, schränkt dies die Pflichten zur Erfüllung des Rechtsanspruches nicht ein, da das Jugendamt aufgrund ausdrücklicher Regelung in § 80 Absatz 1 SGB VIII, auch für unvorhergesehenen Bedarf Vorsorge zu treffen hat. Die Orientierung an den Wünschen für den Betreuungsumfang gilt nicht nur im Hinblick auf das in Nordrhein-Westfalen große Angebot an Ganztagsplätzen, sondern auch auf Wünsche von Eltern nach niedrigeren Betreuungszeiten von 25 Stunden in den Kindertageseinrichtungen u. ä..”
Warum registriert das Kreisjugendamt solche Gesetzesänderungen zugunsten der Eltern und Familien nicht und versucht ausgerechnet danach die Wahlmöglichkeiten der Eltern drastisch einzuschränken?
Die SBL wird beantragen, dass der Kreisjugendhilfeausschuss den Vorschlag des Kreisjugendamtes ablehnt! In den letzten 6 Jahren ist der Anteil der Ganztagsbetreuungen in den Kitas im Bereich des HSK-Jugendamtes von 23% auf 46% gestiegen, fast gleichmäßig um etwa 4%-Punkte pro Jahr. Das ist exakt die Steigerungsrate, die auch im Kibiz vorgesehen ist. Wo ist das Problem? Der Ausbau der Kinderbetreuung schafft gute Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder anderen Tätigkeiten, falls die Eltern diese Betreuungsdauer wünschen. Wenn das Kreisjugendamt so weitermacht, kann man den Städten und Gemeinden nur empfehlen, eigene Jugendämter einzurichten, wie es in Arnsberg, Sundern und Schmallenberg bereits geschehen ist.