Informationen und Meinungen zur Kreispolitik im HSK

Dialoge führen und Brücken bauen

By adminRL at 11:27 pm on Tuesday, May 5, 2015

 

Die SBL/FW lud ein

Nach mehreren Wochen des Überlegens, Vorbereitens und Organisierens ist sie nun schon wieder Geschichte – unsere Veranstaltung „Migranten im Sauerland in Gesellschaft und Politik“.  Am 4. Mai 2015 fand sie in Form einer Podiumsdiskussion im Kreishaus Meschede statt. Dazu eingeladen hatten wir. Wir, das ist die Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW).

Podiumsgäste

Unser Moderator Stefan Rabe, Kreistagsmitglied der SBL/FW, stellte zunächst die vier Podiumsgäste Dr. Ahmet Arslan, Gülay Kahraman, Wilfried Oertel und SBL-Fraktionssprecher Reinhard Loos vor.

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Viel Arbeit mit der Vielfalt

Dr. Arslan ist hauptberuflich Lehrer an einer Gesamtschule außerhalb des Hochsauerlandkreises. Trotzdem scheint es so, als sei er fast immer und überall in Meschede präsent. Nebenberuflich ist er Dialogbeauftragter des türkisch-islamischen Kulturvereins Meschede. Zum Auftakt des Podiumsgesprächs erläuterte Dr. Arslan seine Rolle innerhalb und außerhalb seiner rund 300 Mitglieder zählenden Gemeinde. Er sehe sich als Brückenbauer zwischen den Gruppen in der Gesellschaft. Zu seinen ganz praktischen ehrenamtlichen Tätigkeiten zählen auch die Presse- und Archivarbeit.

Ein gutes Beispiel für die Vielfalt des türkischen Kulturvereins ist Gülay Kahraman. Als die Mitarbeiterin der Stadtverwaltung Meschede vor 5 Jahren Deutschland weit zur ersten und einzigen weiblichen Vorsitzenden einer Moschee-Gemeinde gewählt wurde, widmeten ihr die Medien einige Aufmerksamkeit. Gülay Kahraman erinnerte an die schwierigen Anfangszeiten ihrer Gemeinde: „Es war ein Riesenprojekt!“ Sie hätten immer den Dialog gepflegt, Feste organisiert und Einladungen ausgesprochen. „Der Verein ist für jeden offen!“ Immer am 3. Oktober lade der Kulturverein alle Mitbürgerinnen und Mitbürger zum Tag der Offenen Moschee ein.

Viel Arbeit mit Dokumentation „Vielfalt …“

Der ehemalige evangelische Studentenpfarrer und Buchautor Wilfried Oertel war, als er vor 5 Jahren für sein Buchprojekt „Vielfalt Meschede“ recherchierte, beim türkisch-islamischen Kulturverein ein gern gesehener Gast. Die Werbekampagne des Stadtmarketings „Vielfalt Meschede“ hätte ihm den Anstoß für sein Buch gegeben, erläuterte Wilfried Oertel. Für seine Dokumentation habe er zahlreiche Gespräche geführt, beispielsweise mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Kitas, Schulen, der Flüchtlingsberatung, dem Integrationsbüro des Hochsauerlandkreises, den unterschiedlichsten Kirchengemeinden und Religionsgemeinschaften, aber auch mit Einzelpersonen wie z.B. dem griechischen Wirt Thomas Bakaras und einer Familie aus Sri Lanka, die in einem kleinen Dorf bei Meschede wohnt. In seinem Bericht stelle er auch einige junge Migranten vor, die Lehrstelle oder Arbeitsplatz in alteingesessenen Betrieben haben. Das Buch habe er auf Basis direkter Gespräche geschrieben. Die Straße, in der er früher gewohnt hat, sei wie das osmanische Reich, meinte Wilfried Oertel. Doch sollten wir nicht vergessen, dass neben Bosniern, Syrern und Türken auch Letten und viele andere Nationalitäten in Meschede leben. Er erinnerte sich, in einer Kita hatten im Jahr 2011 80 % aller Kinder eine Integrationsgeschichte.

Dr. Ahmet Arslan ergänzte, freitags träfen sich in der Moschee-Gemeinde Menschen 12 unterschiedlicher Nationalitäten.

Zahlen, Fakten, Hintergründe

Reinhard Loos, beruflich als Fachmann für Demographie tätig, präsentierte dann harte Zahlen, Fakten und Aussichten. Aber zuerst erzählte er über seine eigenen Integrationserfahrungen. Die ersten habe er vor 30 Jahren in Meschede als Trainer einer Volleyballmannschaft gemacht, als es darum ging, einen iranischen Flüchtling zu integrieren. In einem statistischen Vergleich zeigte Reinhard Loos, dass die Einwohnerzahl im Hochsauerlandkreises viel stärker als im Nachbarkreis Soest zurückginge. Der HSK verliert laut aktuellen Prognosen von 1987 bis 2030 ca. 54.000 Einwohner und damit in etwa die Einwohnerzahl von Meschede und Brilon zusammen. Jährlich weist der Kreis im Durchschnitt der letzten Jahre einen Fortzugsüberschuss von etwa 1.000 Personen und einen Sterbefallüberschuss von ebenfalls etwa 1.000 Personen auf. Am drastischten seien die Abwandernugen bei den jungen Menschen zwischen 19 und 25 Jahren, bei Frauen noch höher als bei Männern. „Es ziehen also die Leute fort, die Kinder bekommen können!“ So das Resümee des Demographie-Experten. Nur 5 von 53 Landkreisen und kreisfreien Städten in NRW hätten Wanderungsverluste, darunter weise der HSK den zweithöchsten Wanderungsverlust auf.. Reinhard Loos hatte auch Informationen über die Anzahl der türkischen Migranten. Deren Anteil sei im HSK geringer als in vielen anderen Landkreisen und Städten. Im HSK lebten große Gruppen aus dem Osten wir Polen, Russen und Kasachen. Zur groben Aufteilung nach Religionsgemeinschaften im HSK: 70 % Katholiken, 15,4 %  Evangelische, 11 % Konfessionslose, die restlichen 3,6 % gehören zu „anderen Religionsgemeinschaften“, u.a. zu den muslimischen.

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Fragen, Antworten, Diskussionen

Der Moderator forderte dann Zuhörerinnen und Zuhörer auf, Fragen zu stellen und sich an der Diskussion zu beteiligten. Davon wurde dann auch lebhaft Gebrauch gemacht. Unter den Gästen waren auch einige Lokalpolitiker. Daher kam die Rede schnell auf die mehrfach im Kreistag gescheiterten Anträge, ein Mitglied der muslimischen Gemeinden als Sachkundigen Bürger in den Kreisjugendhilfeausschuss aufzunehmen. Ob und welche Strukturen es bei dem muslimischen Gemeinden gebe, fragte in diesem Zusammenhang ein Kreistagsmitglied. Daraufhin erläuterte Dr. Arslan, im HSK gehörten von den 12 Gemeinden 6 zum Dachverband der DITIB. Alle 12 Gemeinden hätten sich seinerzeit geeinigt und zusammen den Antrag bzgl. des gemeinsamen Vertreters im Kreisjugendhilfeausschuss gestellt. Eine Zuhörerin merkt an, dass vor einigen Jahren auch der entsprechende Antrag „Sachkundiger Bürger“ im Schulausschuss gescheitert sei. Sie könne sich an eine heftige Kontroverse erinnern.

Ein anderes brisantes Thema sind die Flüchtlinge. Dazu gab es Kritik aus den Reihen der Zuhörer/innen. Die muslimischen Gemeinden sollten sich der Flüchtlinge mehr annehmen. Schließlich seien ja viele Muslime darunter. Die Menschen wären sehr dankbar, wenn sich jemand ihrer Glaubensrichtung um sie kümmern würde. Gülay Kahrman antwortete, sie wisse nicht wie das z.B. in Hallenberg sei, aber für die Moschee-Gemeinde Meschede sei das selbstverständlich. Sie sprächen die Flüchtlinge persönlich an und bemühten sich, ihnen zu helfen.

Ein kommunalpolitisch und offenbar ehrenamtlich aktiver Gast berichtet von seinen Erfahrungen. Leider sei es ihnen in Brilon nicht gelungen, die Menschen bei der Annäherung an einen für sie fremden Kulturkreis zu unterstützen und zu motivieren.

Bei der Diskussion um die Flüchtlinge geraten dann die Behörden in die Kritik. Ein Gast ist der Meinung, die Stadtverwaltung arbeite so, dass sich die Flüchtlinge hier nicht wohl fühlen. Die Verwaltung sei nicht bereit, zu verstehen. Kreistagsmitglied Reinhard Loos äußerte dazu, die Befassung mit den demographischen Veränderungen benötige eine breite Basis. Dazu reiche die Verwaltung nicht aus, auch die Kommunalpolitiker und viele weitere gesellschaftliche Gruppen gehörten dazu. Dies sei in anderen Kreisen und Städten gut gelungen, aber mit der bisherigen (politischen) im HSK schwer zu erreichen. Stefan Rabe führte das weiter aus. Er sagte: “Wir rennen hier in demographischer Hinsicht vor eine Wand. Vieles wird hier wegbrechen!“

Eine Pädagogin äußerte ihre Auffassung: „Wir brauchen ein attraktives Bildungsangebot.“ Ihre besten Schülerinnen seien türkische Mädchen gewesen. Denen hätten wir nichts zu bieten. Die ehemalige Lehrererin fände es richtig, im HSK beispielsweise eine Fachhochschule für Gesundheitswesen einzurichten. Gülay Kahraman greift diesen Punkt auf. Aus eigener Erfahrung kann sie die gerade gemachte Aussage bestätigen. Ihre Tochter hätte leider das gewünschte Praktikum in einer Kita nicht machen dürfen. Gescheitert sei das an dem katholischen Träger. Die Konsequenz, ihre Tochter wolle nun Meschede und das Sauerland so schnell wie möglich verlassen.

Die Punkte „kirchliche Arbeitgeber“ und „angebliche höhere Zahl ausländischer Jugendlicher unter den  Straftätern“, „Diskriminierungen bedingt durch das Schulsystem“  (ausländische Kinder werden früh und oft aussortiert),  „fehlende Gesamtschulen“ und „Einführung des Schulfachs Dialog“, „Zusammenarbeit der Religionsgemeinschaften in Meschede“ und die „Leserbrief-Kultur in Meschede“ wurden auch noch leidenschaftlich erörtert.

Zum Abschluss schlug ein Mitglied der Sauerländer Bürgerliste: „Fortsetzung im nächsten Jahr“ vor!

 

 

 

 

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