Informationen und Meinungen zur Kreispolitik im HSK

Jugendamtsleitung läßt viele Fragen offen

By adminRL at 2:36 pm on Thursday, March 10, 2016

Am Mittwoch (09.03.) tagte der Kreisjugendhilfeausschuss (KJHA) fast drei Stunden lang im Mescheder Kreishaus. Das sonst sehr wichtige Thema der Festlegung der Kita-Gruppen für das kommende Kindergartenjahr spielte diesmal nur eine Nebenrolle. Vor allem ging es um „Maßnahmen des Kreisjugendamtes bei Kindeswohlgefährdungen“. Anlass war der Todesfall eines zweijährigen Kindes aus dem Raum Winterberg, das vor 2 Jahren infolge von Unterernährung und Flüssigkeitsmangel verstorben war. Seine knapp einjährige Schwester war ebenfalls schwer geschädigt worden, ist mittlerweile aber genesen.

Drei Anträge lagen dem KJHA vor, darunter einer von der SBL/FW-Fraktion, einen
„Bericht über Sicherung der Fachlichkeit des Kreisjugendamts bei drohender
Gefährdung des Kindeswohls“ auf die Tagesordnung zu nehmen.

Darin hieß es:
“Das Kreisjugendamt (KJA) steht seit Eröffnung des Strafverfahrens beim Amtsgericht
Medebach gegen die Mutter eines vor zwei Jahren an Unterernährung und Flüssigkeitsmangel verstorbenen Kleinkindes im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Das Verfahren gegen die
Mutter ist noch nicht zu Ende. Es wurde vom Amtsgericht Medebach an das Landgericht
Arnsberg verwiesen.

In seiner Begründung für den Verweisungsbeschluss führt das Amtsgericht u.a. aus, dass
das Gericht die Schuld nicht allein bei der Kindsmutter sieht, sondern auch von einem
“massiven behördlichen Versagen” ausgeht. Denn das Kreisjugendamt in Meschede sei
beim Umzug der alleinerziehenden neunfachen Mutter aus dem Vogtlandkreis in den Raum
Winterberg vom früher zuständigen Jugendamt Plauen detailliert und vorbildlich über die
Defizite in der Familie informiert worden, etwa 8 Monate vor dem Tod des Kindes und der
erheblichen Gefährdung eines weiteren Kleinkindes. U.a. stand in den Mitteilungen, dass alle 9 Kinder der Familie Ernährungsmängel aufwiesen und die Wohnung vermüllt gewesen war.
Auch in anderen Bereichen bestand erheblicher Handlungsbedarf.

Diese Informationen hätten nach Sozialgesetzbuch Anlass sein müssen, dass sich auch am
neuen Wohnort mehrere Fachkräfte des Jugendamtes mit der Familie befassen (§ 8 Abs. 1
Satz 1 SGB VIII: “Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des
Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zu-sammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen”). Doch das Kreisjugendamt befasste sich offenbar nur mit den Schulproblemen eines der älteren Kinder, auf Hinweis aus der Schule. Fehlende Vorsorgeuntersuchungen und extreme Unterernährung der beiden jüngs-ten Kinder wurden bei den Besuchen, die zudem viel zu selten stattfanden, offensichtlich nicht registriert.

Die Versäumnisse sind gravierend. Wir halten es für unwahrscheinlich, dass dieses
„massive behördliche Versagen“ eine Mitarbeiterin des KJA allein zu verantworten hat.
Wichtig ist es, dass sich der Kreisjugendhilfeausschuss mit den Abläufen und Konzepten im
KJA befasst.

Daher bitten wir um einen Bericht, in dem u.a. Auskunft über folgende Sachverhalte gegeben
werden sollte:

1. Welche fachliche Begleitung gibt es für die SachbearbeiterInnen?
2. Wie sieht die kollegiale Fallberatung aus?
Wie wird die Einbeziehung mehrerer Fachkräfte gemäß § 8 SGB VIII gesichert?
3. Wie erfolgt die Sicherung der Fachlichkeit durch die Leitung des KJA?
4. In welchen Situationen gibt es Supervision für die SachbearbeiterInnen?
5. Welche standardisierten Abläufe gelten bei Kindeswohlgefährdung?
6. Welche Fluktuationen gab es bei den SachbearbeiterInnen in den Außenstellen in
den letzten drei Jahren?
7. Wie ist die Erreichbarkeit des KJA in Notfällen gesichert? Gab es in den letzten drei
Jahren Situationen, in denen das KJA nicht erreichbar war?
8. Welche Informationen erhalten Pflegeeltern über ihnen neu zugewiesene Pflegekinder,
bei Bereitschaftspflege und bei Dauerpflege?
9. Welche Informationen gibt das KJA an andere Jugendämter weiter, wenn gefährdete
Kinder in deren Zuständigkeit wechseln?“

Offen blieb z.B., wie oft tatsächlich “kollegiale Fallberatung” stattfindet. Die Leitung des Jugendamtes sprach zwar von Clearings, aber sind daran auch die örtlichen Sachbearbeiter beteiligt? Über die Fallberatungen wurde nur berichtet, dass sie “regelmäßig” stattfinden, aber das ist eine sehr unbestimmte Angabe.

Die Erreichbarkeit des Kreisjugendamtes außerhalb der Öffnungszeiten der Behörde ist offensichtlich schwierig. An Wochenenden existiert ein Notfalltelefon, über das man einen diensthabenden Mitarbeiter des Kreisjugendamts erreichen kann. Die Nummer hat die Leistelle der Feuerwehr. Unter der Woche liegt dort nur eine Liste mit 5 Handynummern vor, aber ob man dann im Bedarfsfall jemanden erreicht, ist ungewiss. Das Kreisjugendamt behauptete zwar in seiner Sitzungsvorlage, es sei in den letzten Jahren nie vorgekommen, dass es im Fall einer Kindeswohlgefährdung nicht erreichbar war. Ein Ausschussmitglied berichtete aber von einem Fall im September 2015, als wegen Nichterreichbarkeit des Kreisjugendamtes das (eigentlich nicht zuständige) Jugendamt der Stadt Arnsberg eingesprungen war und ein akut gefährdetes Kind aus einer Wohnung geholt hatte.

Offensichtlich unterschiedliche Wahrnehmungen bestehen darüber, was man aus den Informationen hätte machen können, die das Kreisjugendamt im Juni 2013 vom Jugendamt des Vogtlandkreises erhalten hatte, von wo aus die Familie nach Winterberg zugezogen war, und in welcher Intensität das Kreisjugendamt dann, wenn eine Gefährdung des Kindeswohls droht, auf die Einhaltung von Termine für Vorsorgeuntersuchungen der Kinder achten soll und darf.

Dass das Kreisjugendamt sich vor allem um eines der älteren Kinder und nicht ganzheitlich um die Familie gekümmert hat, wurde auch aus den Schilderungen der Amtsleitung klar.

Deutliche Worte fand der Vorsitzende des KJHA gleich zu Beginn der Sitzung. Er zeigte sich sehr verwundert darüber, dass er Informationen zu diesem Fall nicht von der Verwaltung des Kreisjugendamtes, sondern aus der Presse und anderen Quellen erhalten hatte. Dabei hat der Kreisjugendhilfeausschuss eine besondere Stellung: Im Gegensatz zu anderen Ausschüssen ist er Teil des Amtes, für das er zuständig ist, und muss die Arbeit der hauptamtlichen MitarbeiterInnen mit verantworten.

Die Analyse der Arbeitsweise des Kreisjuegendamtes ist aber noch nicht beendet. Der Landrat hat sich an das Landesjugendamt gewandt. Es soll die Arbeitsweise und die Struktur des Kreisjugendamtes überprüfen und berichten, ob das Mescheder Amt richtig aufgestellt ist. Auch der KJHA wird sich danach noch mit dem Thema befassen.

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