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Windrad am Naturschutzgebiet?

By admin at 12:03 am on Sunday, January 3, 2021

Die Windenergie hat mittlerweile einen großen Anteil an der Stromerzeugung aus regenerativen Energien in Deutschland: Mehr als ein Viertel der ins öffentliche Netz eingespeisten Kilowattstunden wurde durch Wind erzeugt.
https://www.rnd.de/wirtschaft/erneuerbare-energien-okostrom-anteil-liegt-2020-bisher-bei-53-prozent-KCLEQFZ6HFA5FGLDV75IL7NQ6U.html)

Und im Sauerland gibt es viel gut geeignete Standorte für Windenergieanlagen (WEA). Aber WEA sollten auch nicht überall errichtet werden dürfen. Daher haben die Städte und Gemeinden die Möglichkeit, in ihren Flächennutzungsplänen (FNP) Windvorrangzonen festzulegen. Dort sollen sich dann die WEA konzentrieren, und außerhalb dieser Vorrangzonen dürfen WEA nicht errichtet werden. Eine wesentliche Funktion dieser Windvorrangzonen ist also ihre Ausschlusswirkung für das restliche Stadtgebiet.

Auch die Stadt Brilon hatte im November 2016 eine Änderung ihres FNP beschlossen und darin Windvorrangzonen definiert. Diese Sitzung war auf Antrag der Bürgerliste einberufen worden. Das Ergebnis gefiel einigen prominenten CDU-Mitgliedern jedoch nicht. Sie sind selbst nebenberuflich in der Windenergie-Branche tätig und beabsichtigten, außerhalb der Vorrangzonen eine weitere WEA bauen zu lassen. Daher reichten sie Ende 2017 Klage beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster ein, am letzten Tag der Jahres-Frist nach Bekanntgabe der Neufassung des FNP.

Im Januar 2020 hob dann das OVG die Änderung des FNP, mit der die Windvorrangzonen festgelegt worden waren, auf.
Pikant: Sehr ausführlich geht das OVG in seiner Urteilsbegründung darauf ein, dass nur 9 von 39 Ratmitgliedern an der Entscheidung über den FNP mitgewirkt hatten, wegen angeblicher Befangenheit.
“Grundbesitz im Außenbereich der Stadt … Entgegen der von den Ratsmitgliedern und der Verwaltung der Antragsgegnerin vertretenen Auffassung führt jedoch diese Tatsache allein nicht zu einem Ausschließungsgrund. Denn insoweit fehlt es jedenfalls im Regelfall an einem unmittelbaren Vor- oder Nachteil der betroffenen Grundeigentümer, der sie von den sonstigen von der Flächennutzungsplanung betroffenen Gemeindemitglieder abheben könnte. Wie auch bei der erstmaligen Aufstellung eines Flächennutzungsplanes … bringt es eine Konzentrationszonenplanung, der kraft Gesetzes ein das ganze Gemeindegebiet betreffendes schlüssiges Gesamtkonzept zugrunde liegen muss, notwendig mit sich, dass davon auch jeder Gemeindebürger – eine Eigenschaft, die (auch) jedes Ratsmitglied erfüllen muss – hiervon potentiell betroffen sein kann. Die Abgrenzung eines individuellen Vor- oder Nachteils ist in einer solchen Konstellation nicht sinnvoll durchzuführen… Allerdings geht es hier nicht nur um einen solchen Einzelfall, vielmehr haben sich die Ratsmitglieder fast flächendeckend und zumindest von der Verwaltung orchestriert und massiv unterstützt bis hin zum konkreten Einwirken auf einzelne Ratsmitglieder, die an sich nicht von ihrer Befangenheit aus den von der Antragsgegnerin vertretenen Gründen ausgegangen sind (etwa S. 44 der Aufstellungsvorgänge), für befangen erklärt. Mit der bloßen Hinnahme einer möglicherweise falschen individuellen Einschätzung hat dies jedenfalls nicht mehr viel zu tun. Angesichts dessen stellt sich vielmehr mit einiger Berechtigung die Frage der Legitimation der letztlich getroffenen Ratsentscheidung, wenn die angenommene Befangenheit tatsächlich nicht bestanden hat.”
Es war die Bürgerliste, die damals in der Ratssitzung die angebliche kollektive Befangenheit kritisiert hatte und gegen den massiven Druck, der von Bürgermeister und Stadtverwaltung ausgeübt wurde, protestierte – aber Bürgermeister und Ratsmehrheit sahen das anders…
Hier ist das gesamte Urteil nachzulesen:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2020/2_D_100_17_NE_Urteil_20200120.html

Infolge des Urteils des OVG bleiben die Vorrangzonen zwar weiterhin bestehen, es entfällt aber ihre Ausschlusswirkung. Nun können Anträge auf Errichtung weiterer WEA fast für das gesamte Stadtgebiet gestellt werden. Noch im Januar 2020 stellt die Bürgerliste im Briloner Rat den Antrag, der Rat solle einen Aufstellungsbeschluss für eine erneute Änderung des FNP fassen. Dies bedeutet nur eine konkrete Absichtserklärung, aber noch keine inhaltliche Festlegung. Die Stadt hätte dann 2 Jahre Zeit, den FNP neu aufzustellen, und sie könnte währenddessen alle Anträge auf Errichtung neuer WEA zurückstellen lassen. In anderen Städte (wie z.B. aktuell in Paderborn) ist das ein gängiges Mittel, um Windräder an unerwünschten Stellen zu verhindern. Doch erstaunlicherweise lief das in Brilon anders: Auf Vorschlag des Bürgermeisters lehnte der Rat es mit den Stimmen von CDU und SPD ab, einen solchen Aufstellungsbeschluss zu fassen.

Es kam wie es zu erwarten war: Die Kläger aus den Reihen der CDU beantragten im Sommer die Errichtung einer weiteren WEA. Im Amtsblatt des HSK vom 20.10.2020 wurde die Offenlegung der Antragsunterlagen veröffentlicht:
https://www.hochsauerlandkreis.de/fileadmin/user_upload/Fachbereich_1/FD_11/Amtsblaetter/Amtsblaetter_2020/00_Amtsblatt_20_2020.999.pdf (S. 285 – 290).
Wenn die Antragsteller nicht zuvor durch ihre Klage beim OVG den FNP der Stadt Brilon mit den darin festgelegten Windvorrangzonen zu Fall gebracht haben, wäre ein Antrag für diesen Standort gar nicht zulässig gewesen.

Dieser Standort ist an 3 von 4 Seiten vom Naturschutzgebiet (NSG) “Goldbachtal” umgeben, mit weniger als 100 Meter Abstand zum Rotor.

NSG-Goldbachtal-mitWEA

Daher ist DIESER Standort ungeeignet für eine WEA. Denn für Naturschutzgebiete gilt nach § 23 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz: “Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten.”
https://www.gesetze-im-internet.de/bnatschg_2009/__23.html
Nähere Infos zu diesem NSG gibt es hier:
http://nsg.naturschutzinformationen.nrw.de/nsg/de/fachinfo/gebiete/gesamt/HSK-484?fbclid=IwAR0TbJrA0E7STEF2k_o12Kc8BA5Si17Ug5HSbs2GQwijJem17U_NI7-hwjo
Vor allem beim Bau der WEA wären die Belastungen für das umgebende NSG zu groß.

Außerdem liegt der Standort sehr nah und hoch über dem Ortsteil Scharfenberg.

Politisch brisant ist das Vorhaben auch wegen der undurchsichtigen Rolle des Briloner Bürgermeisters: Zwar hat er dem Rat im November 2020 vorgeschlagen, das “gemeindliche Einvernehmen” zu dem Genehmigungsantrag zu verweigern. Dies wäre aber nur aus sehr wenigen Gründen zulässig, von denen hier keiner gegeben ist (§ 36 Abs. 2 BauGB: https://dejure.org/gesetze/BauGB/36.html). Es ist daher damit zu rechnen, dass der Kreis das fehlende Einvernehmen der Stadt ersetzt, wie es bereits für die Stadt Meschede erfolgt ist.
Die einzig wirksame Gegenmaßnahme (Aufstellungsbeschluss) wollte er dagegen nicht einleiten (siehe oben). Auch nach einem Jahr haben Verwaltung und Rat in Brilon übrigens immer noch keinerlei Maßnahmen eingeleitet, um wieder Vorrangzonen für Windenergie festzulegen.

Nun können allerdings noch die Bürgerinnen und Bürger mitreden. Wer Einwendungen gegen dieses Vorhaben erheben möchte, kann dies noch bis Montag, 4. Januar, beim Hochsauerlandkreis tun. Es reicht eine Mail mit Namen, Adresse und Begründung an: immissionsschutz@hochsauerlandkreis.de .

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