Wahlprogramm und Massentierhaltung – Kreistagsfraktion Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) stellt dem Landrat diverse Fragen zur geplanten Putenmastanlage in Meschede-Schederberge
Seit Juni 2014 ist die Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW) wieder mit zwei Kreistagsmitgliedern und somit in Fraktionsstärke im Kreistag vertreten. Die Formulierung des Wahlprogramms liegt also erst ein paar Monate zurück, und es ist noch nicht, so wie bei einigen großen Parteien, gleich wieder in Vergessenheit geraten. Im Gegenteil, die Leitlinien und Ziele der SBL sind den SBL`ern noch sehr präsent!
So präsent, dass die SBL/FW dem Landrat im Zusammenhang mit der geplanten Putenmastanlage einen kleinen, prägnanten Auszug aus dem SBL-Wahlprogramm zusandte, gleichzeitig mit diversen Fragen zur Massentierhaltung und deren Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt. Schließlich ist der Landrat oberster Chef der Kreisverwaltung, zu der auch das Veterinäramt, das Gesundheitsamt, die Untere Landschaftsbehörde und die Untere Wasserbehörde gehören.
Wer das Anschreiben und die gefühlt 100, in echt aber „nur“ rund 20 Fragen der SBL/FW lesen möchte, hier ist die komplette Anfrage vom 22.07.2014:
„Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrter Herr Ausschussvorsitzender,
in unserem Wahlprogramm 2014 befassen wir uns neben vielen anderen Themen auch mit dem Tierschutz. Wir formulierten u.a. unsere Auffassung, dass beim Tierschutz Verbesserungen dringend erforderlich sind und sie nicht weiter in die Zukunft verschoben werden dürfen. Wortwörtlich steht im Wahlprogramm der Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW):
„ … Tiere sind Lebewesen die wie wir Freude, Angst und Schmerzen empfinden. Doch häufig werden unsere Mitgeschöpfe nur unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit gesehen und leider auch entsprechend behandelt.
Wir fordern daher mit Nachdruck, Tierschutz und Tierrechte ernst zu nehmen und allen Tieren ein artgerechtes Leben zu ermöglichen. Das gilt insbesondere auch für Mastbetriebe und die Legehennen-Haltung. Daher muss die Bestandsdichte bei der Bodenhaltung von Geflügel reduziert werden und Hühnern, Puten und anderen Masttieren ein wesentlich größerer Lebensraum zur Verfügung gestellt werden. Die Haltung sollte möglichst weitgehend im Freiland erfolgen. …“
Auch für große Teile der Bevölkerung ist Massentierhaltung nicht mehr akzeptabel: Und das nicht nur wegen der in gewisser Regelmäßigkeit auftretenden Skandale. Schlagzeilen über tierquälerische, nicht artgerechte Haltung, übermäßigen Antibiotika-Einsatz, antibiotikaresistente Keime auch auf Putenwurst und große Mengen anfallender Gülle, von der Gesundheitsgefahren wie Darmerkrankungen ausgehen können, all das spricht unseres Erachtens gegen die in Meschede-Schederberge geplante große Putenmastanlage. Denn da sollen bald auf engstem Raum in einem Stall sage und schreibe 10.000 Tiere gehalten werden. Darum wundert uns die Gründung der „Interessengemeinschaft Schederberge“ nicht, zumal es sich ja bei dem geplanten Betrieb nicht um die erste große Putenmastanstalt im Stadtgebiet von Meschede handelt.
Etliche Tier- und Naturschutzverbände setzen sich sehr kritisch mit der Massentierhaltung auseinander. Beispielsweise die „Albert-Schweitzer-Stiftung“ kritisiert auf ihren Internetseiten: „ … Bei der Putenmast steht die möglichst schnelle Gewinnung von Fleisch im Vordergrund, was auf Kosten des Wohlbefindens und der Gesundheit der Tiere geht. So werden Mastputen, obwohl sie zum Schlafen Dunkelheit brauchen, fast permanent (sogar bis zu 24 Stunden) im Hellen gehalten, weil sie dann auch nachts die Futterstellen aufsuchen und schneller zunehmen. … Aufgrund der extremen Überzüchtung können sich die Puten am Ende der Mast kaum noch fortbewegen – viele verenden bereits vor der Schlachtung. …“
Siehe:
http://albert-schweitzer-stiftung.de/massentierhaltung/puten
Zu den Ämtern in der Kreisverwaltung gehören auch das Veterinäramt, das Gesundheitsamt, die Untere Landschaftsbehörde und die Untere Wasserbehörde.
Wir nehmen die Bedenken und die Proteste der Bevölkerung und der Tierschützer ernst und unser Wahlprogramm beim Wort und fragen Sie:
Punkt 1 – Massentierhaltung
a) Halten Sie Massentierhaltung, so wie sie z.B. in dem bereits bestehenden Betrieb in Me-schede-Horbach seit Jahren praktiziert wird, für eine geeignete, artgerechte und nicht tierquälerische Form der Tierhaltung?
b) Wie stellt der Hochsauerlandkreis sicher, dass Tieren in Massentierhaltung, wie z.B. den Puten in Horbach, ein artgerechtes, schmerz- und leidensfreies Leben gewährleistet wird (dazu gehört z.B., dass die Vögel nicht permanent im Hellen gehalten werden) und, dass die Schlachtung für die Tiere möglichst angst- und schmerzfrei verläuft?
c) Bekanntlich bietet die Massentierhaltung vielfache Verbreitungsmöglichkeiten für diverse Arten von Krankheitserregern, die auch auf Menschen übertragbar sind. Durch welche Maß-nahmen trifft der HSK diesbezüglich Vorsorge?
d) Wie groß sind die Mengen Antibiotika und anderer wachstumsfördernden Pharma-Produkte (wie Hormonpräparaten), die im Mastbetrieb in Meschede-Horbach seit 2012 bis heute eingesetzt wurden?
e) Welche Futtermittel werden den Puten in Meschede-Horbach verabreicht? Steht auf dem „Speiseplan“ auch Futter aus „recycelten“ Tierkörpern?
f) Wie groß war in den Jahren 2012 bis heute im oben genannten Mastbetrieb die Mortalität der Tiere durch Verletzungen und Krankheiten (Anzahl der verendeten Tiere)? Wie viele Tötungen erfolgten aufgrund von Verletzungen und Krankheiten? Wo und wie werden die Kadaver entsorgt?
Punkt 2 – Kontrollen
a) Wie häufig, zu welchem Zwecke, mit welcher Intensivität und durch wen erfolgten im Zeitraum von 2012 bis heute Kontrollen in Geflügelmastbetrieben? Wann und wo und mit welchen Ergebnissen wurden die Überprüfungen durchgeführt (z.B. beim Putenmastbetrieb in Meschede-Horbach)?
b) Wie oft kam es in dieser Zeit zu Beanstandungen seitens des Kreisveterinäramtes oder anderer Kontrollinstanzen?
c) Welche Mängel wurden im Einzelnen festgestellt (z.B. beim Putenmastbetrieb in Meschede-Horbach)?
d) Wie werden Kontrollen und Mängel dokumentiert und wie lange, wo und für wen sind diese Dokumente einsehbar?
Punkt 3 – Auswirkungen auf Landwirtschaft, Umwelt und Wasser
a) Trifft es zu, dass im näheren und weiteren Umfeld des bestehenden wie des geplanten Putenmastbetriebs im Stadtgebiet Meschede von dem Betreiber der Mastanlage(n) landwirtschaftliche Flächen aufgekauft oder gepachtet werden, um dort Mais für die Geflügelmast anzubauen?
b) Wenn ja, wie groß sind die Maisanbauflächen für die Putenmast im Stadtgebiet Meschede? In welchen Ortschaften befinden sich größere Maismonokulturen ?
c) Trifft es zu, dass diese Maisflächen mit Gülle aus der Putenmast und/oder den restlichen Substraten aus den Biogasanlagen des Geflügelmästers „gedüngt“ werden? Welche Gülle-mengen fielen 2012, 2013 und 2014 bis heute im Putenmastbetrieb in Horbach an?
Was geschieht mit der überschüssigen Gülle?
d) Wurde und wird durch z.B. den HSK überprüft, dass die mit Gülle beaufschlagten Flächen im Stadtgebiet Meschede Fluss-, Grund- und Trinkwasser beeinträchtigen oder gibt es Hinweise darauf? Liegt der fragliche Bereich im Einzugsgebiet von Trinkwassergewinnungsanlagen? Wenn ja, von welchen?
e) Wie, wie oft, durch wen und mit welchen Ergebnissen wurde und wird der Nitratgehalt der mit Gülle und/oder den Rückständen aus Biogasanlagen „gedüngten“ landwirtschaftlichen Flächen überprüft?
f) Wie schätzen Sie die Auswirkungen der bestehenden und der geplanten Putenmastanlage auf die umliegenden Naturschutz- und Naherholungsgebiete ein?
Punkt 4 – Beeinträchtigung der Bevölkerung
a) Welche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung schreibt der Gesetzgeber für den Bau eines Putenmastbetriebs vor? Welche Vorsorge muss z.B. gegen die zu erwartende Feinstaubbelastung, gegen Geruchsbelästigung und die Gefahr von Antibiotika-Resistenzen getroffen werden?
b) Wie hoch ist die Feinstaubbelastung im unmittelbaren sowie im weiteren Umfeld des Putenmastbetriebs in Horbach?
c) Unterstützen Sie – so wie die SBL/FW – die Resolution der Interessengemeinschaft Schederberge? Wenn nein, warum nicht?“