Regelsatz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zügig umsetzen
Das Bundesverfassungsgericht hat heute vormittag ein wegweisendes Urteil zu den Regelsätzen für Alg2-Empfänger verkündet.
Als verfassungswidrig werden vor allem vier Elemente der bisherigen Regelung beurteilt:
1. Der Regelsatz wurde anhand der statistisch ermittelten tatsächlichen Ausgaben der “unteren” 20% der Haushalte nach der sog. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ermittelt. Die statistisch ermittelten Daten wurden aber nicht konsequent einbezogen, sondern einzelne Bereiche (z.B. alle Ausgaben für Bildung) wurden aus dem errechneten Bedarf herausgenommen.
2. Die jährlichen Fortschreibungen und Anpassungen wurden analog zu den jährlichen Rentenanpassungen vorgenommen. Dieser hat aber nicht mit der Entwicklung des tatsächlichen Bedarfs zu tun, sondern der Rentenwert wird durch einen Nachhaltigkeitsfaktor und Steigerungen des Beitragssatzes zur Rentenversicherung nach unten korrigiert.
3. Die Regelsätze für Kinder unter 14 Jahren wurden mit pauschalen Abschlägen von 40% bzw. 30% (ab Juli 2009 für Kinder ab 7 Jahren) vom Regelsatz für Erwachsene ermittelt. Diese Anteilsberechnung (z.B. einschließlich Ausgaben für Tabak und Alkohol, aber ohne Schulbedarf und ohne Ausgaben für zusätzliche Schuhkäufe wegen wachsender Kinderfüße) entspricht nicht dem tatsächlichen Bedarf für ein Kind, der kindspezifisch ermittelt werden muss.
4. Es fehlt eine Härtefallklausel „bei unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligem und besonderem Bedarf“ „in Sondersituationen“.
Für die Kritikpunkte 1. bis 3. muss der Bund bis zum Jahresende 2010 eine Gesetzesänderung vornehmen.
Anspruch auf die Anwendung der Härtefallklausel besteht jedoch bereits ab Verkündung des Urteils, also ab sofort. Der Kreis als Träger der Grundsicherung sollte umgehend die dafür notwendigen Vorbereitungen treffen, unabhängig von erst zum Jahresende 2010 zu erwartenden gesetzlichen Regelungen. Die Sitzung des Sozialausschusses am 17.02. bietet die Gelegenheit, entsprechende Massnahmen vorzustellen.
Bei allen Veränderungen ist darauf zu achten, dass die anstehenden Mehrausgaben nicht die klammen Kreise und Kommunen belasten. Die Regelsätze sind Sache des Bundes, und das soll auch so bleiben!
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February 9, 2010 @ 9:50 pm
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