Ungerechtfertigtes Eigenlob
Um die in Oberschledorn entdeckten “Sauerland-Terroristen”, um die Terrorgefahr, um unser Rechtssystem und um die heimischen Zivilgerichte ging es heute abend bei einer Talk-Veranstaltung von Radio Sauerland im Arnsberger Landgericht.
Dabei gab es zwei kontroverse Themen. Das eine war, wie weit die Überwachung durch den Staat gehen soll. Ein anwesender Bürgermeister meinte, die Sicherheit der Bevölkerung sei so wichtig, dass man deswegen auch Online-Durchsuchungen und andere rigide Überwachungsmassmahmen hinnehmen solle. Dem entgegneten der Arnsberger Bürgermeister und andere Teilnehmer, dass die Freiheit Vorrang haben müsse. Ohne Freiheit gebe es auch keine Sicherheit. Es dürfe nicht so weit kommen, dass ohne hinreichenden Verdacht jeder damit rechnen müsse, permanent überwacht zu werden.
Das andere kontroverse Thema war die Qualität der Justiz. Die hoben der Mescheder Amtsrichter Özen und der Landgerichtspräsident Müller besonders hervor und lobten damit ihre Institutionen. Für die Qualität der Gerichte spielt jedoch auch die Dauer des Verfahrens bis zum Urteil eine große Rolle, denn ohne zeitnahe Verurteilung oder gar ohne Eröffnung eines Verfahrens verliert das Strafrecht viel von seiner Wirkung – sowohl für Terroristen als auch für andere Straftäter. Müller meinte sogar, beim LG Arnsberg wäre der Prozeß gegen die Terroristen noch schneller durchgeführt worden als es beim zuständigen LG Düsseldorf der Fall war, wo es bis zur Veruteilung etwa zwei Jahre dauerte.
Aber erst vor etwa einem halben Jahr hat das OLG Hamm dem LG Arnsberg in einem Verfahren, in dem es um vermutlich schwere Wirtschaftskriminalität geht, einen sehr heftigen Rüffel erteilt. Das OLG entschied über eine Untätigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld und der Generalstaatsanwaltschaft gegen das LG Arnsberg, weil auch fast 10 Jahre nach den Taten noch kein Verfahren eröffnet wurde. Aus dem Beschluss (5 Ws 286/09):
“Die weitere Zurückstellung der Entscheidung … hat damit die Wirkung, dass das Hauptverfahren nicht mehr eröffnet werden kann, wodurch der staatliche Strafanspruch endgültig vereitelt wird.”
“Die Strafkammer verkennt darüber hinaus die Strafprozessordnung.”
“Warum dies (= die Einholung eines Gutachtens; d. Verf.) bis zum heutigen Zeitpunkt nicht geschehen ist, ist kaum nachvollziehbar.”
“Warum es der Kammer bis heute nicht möglich ist, eine detaillierte Aufstellung der angeblich fehlenden Unterlagen zu erstellen, ist nicht ansatzweise erkennbar.”
“Jedenfalls geht es nicht an, die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens in Anbetracht der sich nähernden absoluten Verjährung weiter zu verzögern.”
“Aus alledem folgt, dass nach Durchsicht der Akten kein Grund ersichtlich ist, weshalb nach mehr als drei Jahren, die seit der Anklageerhebung verstrichen sind, noch nicht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden worden ist.”
Wenn das vorgesetzte Gericht zu solch einer Bewertung der Arbeit des LG Arnsberg kommt, dann kann die Qualität der Strafgerichtsbarkeit nicht so toll sein, wie sie die am Podium heute abend teilnehmenden Richter darstellen wollten! Interessant wäre nur, die Gründe für dieses Verhalten des LG gegenüber “dicken Fischen” zu kennen…
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June 8, 2010 @ 11:06 pm
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