Vorzugsbehandlung für die AfD im HSK?
Wer sich mit der Partei AfD beschäftigt, kann den Eindruck bekommen, dass es dort mehrere Arten von Politikern (Frauen sind sehr selten dabei) gibt: rechte, ganz rechte, noch rechtere, den völkischen Höcke-Flügel und noch extremere, die sich offen zum Nationalsozialismus bekennen. Zur letzten Gruppe gehört M. Helferich, ein Rechtsanwalt aus Dortmund. Bis zur Neuwahl des NRW-Landesvorstandes am 05.02.2022 in Siegen war er stellvertretender Landesvorsitzender. Im September 2021 wurde er über die schon vor längerer Zeit aufgestellte Landesliste in den Bundestag gewählt, aber nicht in die AfD-Bundestagsfraktion aufgenommen. Seitdem gehört er dem Bundestag als fraktionsloses Mitglied an. Näheres zur Person steht bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Helferich.
Helferich bezeichnete sich selbst als “das freundliche Gesicht des NS” und als “demokratischen Freisler”.
Er ist ein so extremer Nazi, dass sogar ein großer Teil der AfD ihn aus der Partei entfernen möchte. Das führte dazu, dass am 02.08.2021 im AfD-Bundesvorstand über einen Antrag auf Parteiausschluss abgestimmt wurde. Das Ergebnis nach vielen übereinstimmenden Berichten: 6 Ja-Stimmen, 6 Enthaltungen, keine Gegenstimme. Trotz des eindeutigen Ergebnisses war die satzungsgemäß notwendige Mehrheit für einen Parteiausschluss nicht erreicht. Aber der AfD-Bundesvorstand beschloss eine “Ämtersperre”. Das kann der AfD-Bundesvorstand nach § 7 der Bundessatzung für Mitglieder eines Landesvorstandes für 2 Jahre tun, entweder “nur” als Antrag an ein Schiedsgericht oder als Sofortmaßnahme, die später aufgehoben werden kann, wenn sie vom Landesschiedsgericht nicht bestätigt wird. Helferich hat am 09.02.2022 auf “abgeordnetenwatch.de” selbst bestätigt, dass er bereits mit einer Ämtersperre belegt wurde und nur die Überprüfung noch aussteht:
https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/matthias-helferich/fragen-antworten/sind-sie-der-meinung-dass-die-afd-verweichlicht-und-sich-den-altparteien-anbiedert-anstatt-eine-wahre
Der andere stellvertretende Landesvorsitzende Schild kritisierte laut NRZ diese Entscheidung: Dies sei eine “zu geringe Maßnahme”. “Ich hätte ein Parteiausschlussverfahren für die richtige Entscheidung gehalten”. Schild trat im Oktober 2021 zurück.
https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/afd-nrw-schild-ruecktritt-100.html
Warum ist das für den HSK bedeutsam?
Die AfD hat am 03.10.2021 in der Arnsberger Altstadt für die Aufstellung der beiden Wahlkreiskandidaten für die Landtagswahl im Mai eine Mitgliederversammlung durchgeführt. Als Versammlungsleiter wurde ausgerechnet der bekennende Nazi Helferich eingeladen.
Das wäre ja noch eine interne (aber bemerkenswerte) Parteiangelegenheit, wenn Helferich nicht auch die beiden Wahlkreisvorschläge der AfD unterschrieben hätte. Nach dem Landeswahlgesetz müssen die Wahlvorschläge von drei Mitgliedern des Landesvorstandes der vorschlagenden Partei unterschrieben werden. Es scheint aber, dass Helferich – aufgrund der Ordnungsmaßnahme des AfD-Bundesvorstandes!- sein Amt als Landesvorstandsmitglied nicht ausüben durfte. Dann durfte seine Unterschrift auf den Kreiswahlvorschlägen nicht mitzählen, und die Wahlvorschläge hätten als ungültig abgelehnt werden müssen.
Genau das passierte aber nicht.
Weiterer gravierender Mangel
Und die beiden Wahlvorschläge der AfD weisen einen weiteren Mangel auf, der bereits zu ihrer Zurückweisung hätte führen müssen. Laut Landeswahlgesetz müssen von der Wahlversammlung der Partei zwei Teilnehmer benannt werden, die durch eidesstattliche Erklärung bestätigen, dass die Kandidatenaufstellung in geheimer Wahl erfolgte und dass alle Bewerber vor der Aufstellung ausreichend Gelegenheit hatten, sich vorzustellen. Dies ist hier besonders relevant, da sich für einen der beiden Wahlkreise 2 Personen für die AfD bewarben. Im vorgegebenen Formular für die Niederschrift über die Wahlversammlung ist extra ein Feld vorgesehen, in dem die Namen der für die Abgabe der eidesstattlichen Erklärung benannten Personen einzutragen sind. Alle anderen 7 Parteien gaben diese Namen in den Protokollen an, die AfD jedoch nicht. Zwar wurden mit dem Wahlvorschlag eidesstattliche Erklärungen eingereicht, aber ohne Beauftragung durch die Versammlung sind diese wirkungslos. Da auch keine Teilnehmerliste vorgelegt wurde, ist noch nicht einmal klar, ob es sich überhaupt um Versammlungsteilnehmer handelt.
Prüfung der Wahlvorschläge fand nicht wirklich statt
Zuständig für die Vorprüfung der Wahlvorschläge ist der Kreiswahlleiter, hier der Landrat des HSK. Eingereicht wurden die beiden Wahlvorschläge der AfD am 04.02.2022, einen Tag vor dem Landesparteitag der AfD in Siegen. Der Kreiswahlleiter hätte u.a. prüfen müssen, ob die Wahlvorschläge ordnungsgemäß unterschrieben waren und die Niederschrift über die Wahlversammlung vollständig ist. Stattdessen wurde offensichtlich nur gezählt, dass 3 Unterschriften vorhanden waren; die Berechtigung wurde nicht überprüft. Und die fehlende Benennung der Personen für die Abgabe der zwingend notwendigen Erklärungen wurde auch nicht moniert.
Die rechtsverbindliche Prüfung und Entscheidung über die Zulassung obliegt gemäß Landeswahlgesetz allein dem Kreiswahlausschuss, nach Vorbereitung durch den Kreiswahlleiter. Dem aktuellen Kreiswahlausschuss gehören außer dem Landrat 6 vom Kreistag gewählte Beisitzer an, 3 von der CDU und je einer von SPD, Grünen und SBL. Die Prüfung scheinen die meisten Mitglieder des verantwortlichen Ausschusses nicht besonders ernst zu nehmen: 4 von ihnen schauten überhaupt nicht in die bereitgestellten Ordner mit den 16 Wahlvorschlägen für die beiden Wahlkreise im HSK. Eines des CDU-Mitglieder warf einen kurzen Blick (knapp eine Minute) in die Ordner, nur der SBL-Vertreter hatte sich ausführlich mit seinem Prüfungsauftrag befasst. Dabei fielen die Mängel auf.
Alles durchgewunken
Trotz der in der Sitzung ausführlich vorgetragenen Bedenken entschied der Kreiswahlausschuss in seiner öffentlichen Sitzung am 23.03.2022, auch die Wahlvorschläge der AfD zuzulassen. Selbstverständlich hat auch die AfD einen Anspruch darauf, dass ihre Wahlvorschläge zugelassen werden, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Genau das war hier aber nicht der Fall. Warum räumt die Mehrheit des Wahlausschusses im HSK der AfD dann besonders günstige Bedingungen ein? Jetzt könnte noch der Landeswahlleiter Beschwerde gegen die Zulassung einlegen, und nach der Landtagswahl könnten die AfD-Stimmen in einem Wahlprüfungsverfahren für ungültig erklärt werden.