Videoüberwachung im öffentlichen Raum – sinnvoll oder sinnlos?
Die Kreisstadt Meschede hat, um ihre Stadt attraktiver zu machen, viel Geld investiert. In diesem Zuge wurde z.B. in der Innenstadt die irgendwann in den 60er Jahren „zugedeckelte“ Henne zum Teil wieder „aufgedeckelt“ und mit einem neuen Geländer „gerahmt“. Der Fluss bekam neue Windungen, Treppen und Stege und wartet jetzt auf Besucherströme. Soweit, so gut.
Wären da nicht DIE, die es immer und überall gibt. DIE, die so gar kein Verhältnis haben zu dem was neu, schick und teuer ist, und DIE, die glauben mit ihren Graffitis Neues und Schickes weiter zu verschönern. DIE finden jetzt wohl, in Meschede befinde sich für sie ein großes Betätigungsfeld. Hier eine Aufzählung der Tätigkeiten, die DIE schon ausgeübt haben: (abgekupfert aus der Vorlage mit dem Aktenzeichen 32.042.50 der Stadt Meschede):
1. Zerstörung der Gläser der Bodenstrahler im Bereich der Bahnunterführung
2. Wiederholte Beschädigung der „Schilfkobolde“ im Hennepark
3. Graffitti an der Freitreppe am Winziger Platz
4. Graffitti am Widerlager der neuen Johannesbrücke
5. Graffitti an zahlreichen Stellen in der Innenstadt
6. Zerstörung sämtlicher Bodenleuchten im Bereich der Brücke beim Schwimmbad
Klack:
https://ris.meschede.de/buerger/vo020.asp?VOLFDNR=1683&options=4
Bürger und Bürgermeister sind verständlicherweise not amused. Die Stadtverwaltung überlegte: „Was ist zu tun?“ Des Rätsels Lösung fand sich schnell und heißt: „Video-Überwachung“! Die (meisten) Bürger reagieren mit Verständnis und freuen sich, dass DIE bald in die Falle laufen.
Soweit, so gut.
Wären da nicht die Bedenkenträger, z.B. die vom Datenschutz. Da schrieb beispielsweise Herr Dr. Thilo Weichert vom Unabhängigen Zentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein:
„Vorliegende Statistiken, wonach in beobachteten Gebieten Straftaten massiv zurückgegangen sein sollen, scheinen diese Vorteile zu bestätigen. Tatsächlich ist mir aber bis heute, trotz des seit über 30 Jahren erfolgenden Einsatzes dieser Technik, keine seriöse wissenschaftliche Studie bekannt, wonach Videoüberwachung im öffentlichen Raum durch die präventive und repressive Wirkung zu einer nachhaltigen Verbesserung der Sicherheitslage allgemein geführt hätte. Vielmehr sind folgende Wirkungen zu beobachten:
Videoüberwachung bringt wenig und wirkt oft kontraproduktiv:
• Straftäter weichen auf unbeobachtete Bereiche aus. Eine vollständige technische Überwachung sämtlicher möglicher Risikoorte ist nicht möglich.
• Durch Fehlalarme und unbegründete Interventionen können Sicherheitsrisiken erst ausgelöst werden.
• Die technische Kontrolle gewährleistet nicht, dass in Gefahrensituationen kurzfristig Hilfe kommt. Voraussetzung hierfür ist ein jederzeit verfügbares, personell aufwändiges Alarmsystem. Existiert dieses nicht, so erweist sich ein eventuell bestehendes subjektives Sicherheitsgefühl als trügerisch. Durch eine solche Fehleinschätzung können Risikosituationen erst provoziert werden.
• Der Eindruck, eine Gefahrensituation werde durch Videoüberwachung technisch kontrolliert, führt u.U. dazu, dass dringend notwendige, vor Ort verfügbare nichtprofessionelle Hilfe unterbleibt, auch aus Angst vor der Dokumentation unsachgemäßer Hilfeleistung.
• Der Beweiswert von (v.a. digitalen) Bildaufnahmen ist wegen der äußerst einfachen Manipulationsmöglichkeiten fragwürdig.
Die schädlichen Effekte der technischen Beobachtung liegen in der Beeinträchtigung der Unbefangenheit der Menschen und dem Eingriff in deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung und in deren sonstige Freiheitsrechte. Damit wird zugleich “eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens” beeinträchtigt.“
Klick:
https://www.datenschutzzentrum.de/video/videoibt.htm
Zugegeben, Dr. Weichert veröffentlichte den Text im Jahr 2000, also fast im letzten Jahrtausend. Sind seine und die Bedenken anderer kritischer Zeitgenossen eine unzeitgemäße Glaubenssache? Oder sind die, die DIE mit Hilfe von Überwachungskameras von den hellen Ecken in die dunklen Ecke vergraulen wollen, „up to date“ und damit auf „dem richtigen Weg“?
Zu guter letzt stellt sich noch die Frage danach, wie der Mescheder Stadtrat entscheidet.
Und noch eine Frage: Wenn denn die Entscheidung im Rat für die Videoüberwachung gefallen ist, werden dann DIE oder die oder andere gegen die Stadt Meschede (mit Erfolg) klagen? Was dann?