Informationen und Meinungen zur Kreispolitik im HSK

Vertrag mit Maulkorb

By admin at 12:08 am on Monday, September 7, 2020

Heute fand in Brilon-Petersborn eine Versammlung mit ca. 40 Bürgerinnen und Bürgern statt, die ein Lehrstück lieferte, wie Kommunalpolitik im Sauerland aussehen kann. Es ging um das Bauvorhaben eines Briloner Architekten. Er möchte auf einem 6,5 ha großen Grundstück, das bisher im städtischen Eigentum steht, eine Siedlung errichten. Zu ihr sollen etwa 20 Häuser, die als Ferienhäuser bezeichnet werden, ein Hotel und eine Gastronomie mit knapp 600 Plätzen gehören. Jedes der Häuser mit 101 qm Wohnfläche soll für 354.000 Euro verkauft werden, plus Nebenkosten.

In diesem Vorhaben spielt auch der Hochsauerlandkreis eine Rolle, worüber wir z.B. hier berichtet haben. Insbesondere geht es darum, ob das Projekt auf dem städtischen Grundstück realisierbar ist, obwohl es sich um ein sehr artenreiches und gesetzlich geschütztes Biotop handelt, das vom zuständigen Landesamt für die Ausweisung als Naturschutzgebiet vorgeschlagen wurde. Der Naturschutzbeirat im HSK hat eine Ausnahmeregelung abgelehnt, aber Kreis- und Stadtverwaltung wollen sie trotzdem durchsetzen.

Zu den bereits bekannten Besonderheiten kamen heute einige weitere hinzu.
– Ein bemerkenswertes Ergebnis: Es gibt tatsächlich politisch motivierte “Maulkorb-Verträge”. Vermutet haben wir das ja schon immer, aber in der heutigen Versammlung hat das für den Ort zuständige CDU-Ratsmitglied darüber berichtet. Er ist dort auch Ortsvorsteher und sieht das Projekt kritisch, ebenso wie ein großer Teil der Einwohner dieses Ortsteils, aber anders als seine Ratsfraktion. Und er sollte – ebenso wie einige Nachbarn des vorgesehenen Baugrundstücks – einen Vertrag unterschreiben, in dem er sich verpflichten sollte, nur positiv über das Projekt zu reden und öffentliche Kritik zu unterlassen. Das unterschrieb er nicht.

Weitere Erkenntnisse aus der heutigen Versammlung:
– Für besondere Käufer gibt es besondere Grundstückskaufpreise. Der Architekt ist zufällig auch Mitglied des Briloner CDU-Vorstandes. Der Bodenrichtwert in diesem Ortsteil liegt bei 46 Euro je Quadratmeter. Doch in diesem Fall – wie heute erstmals öffentlich bekannt wurde – beträgt der Kaufpreis laut Vertrag bisher nur 11 Euro. Der muss nur dann gezahlt werden, wenn das Bauprojekt tatsächlich verwirklicht werden kann. Und nun soll der Kaufpreis auf Wunsch des Investors sogar auf 2,50 Euro sinken. Das scheint die Ratsmehrheit mit der GroKo aus Bürgermeister, CDU und SPD unterstützen zu wollen. Es würde einen “Rabatt” von etwa 2,8 Mio Euro bedeuten…

– Eine Alternativfläche für dieses Projekt wurde laut Bürgermeister angeblich bereits seit vielen Jahren von der Bezirksregierung abgelehnt. Dabei hat die Bezirksregierung noch 2018 bei der Stadt angemahnt, dass die Stadt genau diese Alternativfläche auf ihre Eignung untersuchen solle. Das Alternativgrundstück befindet sich allerdings im Privateigentum. Zwar ist der Eigentümer bereit das Projekt zu unterstützen, aber der Kaufpreis wäre vielleicht etwas realitätsnäher als für die städtische Fläche?

– Der derzeitige Briloner Bürgermeister scheint eine selektive Erinnerung an Ratsbeschlüsse zu haben. Er argumentierte heute wiederholt damit, er habe im Jahr 2015 vom Rat ohne Gegenstimme und mit nur einer Enthaltung den Auftrag erhalten, eine Flächennutzungsplanänderung für dieses Projekt herbeizuführen. Einen solchen Beschluss gab es am 29.04.2015 tatsächlich, aber damals war dem Rat noch nichts vom Biotop bekannt, und das Projekt war anders beschrieben als jetzt. Die Stadtverwaltung hätte mehr über das Grundstück wissen müssen, hatte den Rat aber nicht darüber informiert. Als dann klar war, um was für ein wertvolles Areal es sich handelt, gab es im Rat mehrfach Anträge der Bürgerliste, die Ausweisung als Naturschutzgebiet zu veranlassen. Diese Anträge wurden von der Ratsmehrheit – auf Vorschlag des Bürgermeisters – abgelehnt. Das erwähnt der Bürgermeister nicht…

– Von den zu der Versammlung eingeladenen Bürgermeisterkandidaten von CDU und SPD war nicht zu erfahren, wie sie selbst zu diesem ungewöhnlichen Projekt stehen. Sie verschanzten sich hinter der Aussage, dass die Fachbehörden entscheiden sollten, ob das Biotop trotz des Bauvorhabens erhalten werden kann. Warum trauen sich die Kandidaten der beiden größten Ratsfraktionen nicht, als Politiker selbst eine klare Meinung zu formulieren? Die Bürgermeisterkandidatin der Bürgerliste machte deutlich, dass für sie das Bauvorhaben auf der Biotop-Fläche nicht in Frage kommt.

– Als besonderen Nutzen für den Ortsteil Gudenhagen-Petersborn nannte der derzeitige Briloner Bürgermeister, dass durch das Projekt ein Einkaufsladen geschaffen würde, den auch die Einwohner nutzen könnten.
Ob das Sinn macht, wegen eines kleinen Kiosks eine solche Anlage in einem gesetzlich geschützten Biotop zu bauen? Das klingt so, als ob jemand neben einem kleinen Bahnhof ein Stadion bauen würde, damit es dann eine WC-Anlage für die Bahnreisenden gibt… Da gibt es sicherlich geeignetere Wege für die Einrichtung eines Dorfladens!

– Sogar eine völlig abstruse Idee dient der GroKo als Argument, das Vorhaben auf dem Wunschgrundstück doch noch verwirklichen zu können. Der Investor hat angekündigt, den Oberboden des Biotops in Form von großen Soden abtragen und auf einer anderen Fläche wieder aufbringen zu wollen. Bei der Ursprungsfläche handelt es sich aber um eine sehr feuchte Nordhanglage. Der neue Ort dient bisher als Weihnachtsbaumkultur, ist sehr trocken, Südhang, mit vielen Winden, und etwa 100 Meter höher gelegen. Niemand kennt ein konkretes Beispiel, wo unter solchen Bedingungen eine Sodenverpflanzung funktioniert hätte. Trotzdem wird dies von der GroKo immer noch als taugliches Mittel für den Erhalt des Biotops dargestellt…

– Viele Bürgerinnen und Bürger im Ort lehnen das Projekt ab. Mittlerweile wurde ein Naturschutzverein gegründet. Der entwickelt eigene Ideen für den Erhalt und die Nutzung des Biotops. Und er wirbt dafür: https://www.facebook.com/Naturschutzgebiet-Gudenhagen-Petersborn-100420875080636. Gut, wenn sich Bürger*innen gegen solche Entwicklungen wehren!!

Durch solche Veranstaltungen wächst die Einsicht, dass eine Stärkung der bisherigen Oppositionsfraktionen in unseren Kommunalparlamenten dringend erforderlich ist!

Filed under: Andere Parteien,LandschaftsschutzComments Off on Vertrag mit Maulkorb

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