Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg will die Zahl der Forstämter und -reviere verringern. Waldbesitzer und Waidmänner protestieren gegen die Pläne. Sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen
Von Michael-Georg Müller
Die Ruhe im Wald ist dahin, der Ärger der Förster groß. Dem deutschen Wald, zumindest dem in Nordrhein-Westfalen, droht ein Kahlschlag wie nie zuvor. Und das ausgerechnet von Seiten der CDU, die die Waldbauern bislang für ihre Verbündete hielten.
Zumindest befürchten das Besitzer von großen und kleinen Waldflächen, Bauern- und alte Adelsfamilien, zahlreiche Förster und die Gewerkschaft Bund deutscher Forstleute (BDF). Ursache des in der vergangenen Woche heftiger gewordenen Streits ist die von Minister Eckhard Uhlenberg geplante Forstreform. Wie seine Kabinetts-Kollegen, ist er unter Sparzwang und liebt, wie Jürgen Rüttgers, den Slogan “Privat vor Staat”.
Bis 2010 will er die Zuschüsse für Landesforstbetriebe von derzeit 42 Millionen Euro pro Jahr auf 33 Millionen Euro senken, sagt er. Außerdem wird Uhlenberg die Zahl der Forstreviere von 358 auf 300 verringern und kurzerhand 20 der 35 Landesforstämter schließen. Die neuerliche Attacken auf Uhlenberg und die Regierung kommen von mittelgroßen Waldbesitzern, wie Adolf Freiherr von Fürstenberg, und von Philipp-Otto Fürst zu Salm-Horstmar.
Teure Forstbeamte
Uhlenberg hält die Forstreform für “überfällig”. Vorgesehen ist, Forstämter in großen Städten zu schließen. Betroffen wären Städte wie Münster, Paderborn, Lage und Bielefeld, Wuppertal und Solingen. Dafür sollen einige Ämter an andere Orte umziehen, beispielsweise nach Arnsberg oder Gummersbach. “Die Forstämter werden angesiedelt, wo Wälder sind”, sagt Minister Uhlenberg.
Allerdings argumentiert die Gegenseite, dass die Folgekosten dieses Verschiebebahnhofs immens seien und bislang verschleiert wurden. Die Ausgaben für Umzüge quer durch NRW und das Einrichten und Mieten neuer Gebäude würden in die Höhe schnellen.
Viele Forstbeamte, wie die aus Remscheid oder Wuppertal, müssten demnächst 100 Kilometer zurücklegen, um zum Amt in Gummersbach zu gelangen. Die Kosten schätzt Dierdorf auf neun Millionen Euro. Genauso viel werde durch das neue Gesetz zum Abbau der Bürokratie gespart. “Die Förster sollen vor Ort arbeiten und beraten, weniger reisen und mehr telefonieren”, kontert der Minister. Außerdem würde keiner der 1100 Forstbeamten und Angestellten gegen seinen Willen versetzt.
Freie Nutzung der Wälder?
Sturm laufen BDF und Waldbauern auch gegen Uhlenbergs zweites Vorhaben. Demnach sollen Waldbesitzer künftig Dienstleistungen des Landes bei Holzernte und Verkauf in voller Höhe bezahlen. Dass Uhlenberg die meisten Waldbauern hinter sich sieht, bestreitet Bernhard Dierdorf. Der Bundes- und Landesvorsitzende des BDF kämpft für den Fortbestand der gewachsenen Strukturen, mobilisiert Forstleute und Waldbauern und sagt: “Viele gehen auf die Barrikaden, weil sie glauben, dass der Minister mit diesen Forderungen seine Klientel im Wald stehen lässt.”
Denn im ersten NRW-Forstgesetz von 1972 hatte die Landesregierung den privaten Eigentümern im bevölkerungsreichsten Bundesland das Zugeständnis abgerungen, ihre Wälder zu öffnen und damit für die Erholung der gesamten Bevölkerung freizugeben.
Im Gegenzug bezahlte das Land die Beschädigungen der Wege und Bänke, und die Landesforstbetriebe stellten ihre Dienste – Beratungen und Hilfe bei Holzernte und Verkauf – zu geringen Gebühren zur Verfügung. Stillschweigend geschah dies, ohne Gesetz.
Deshalb wolle Uhlenberg Gewohnheitsrecht mit seiner Entgelt-Verordnung einfach aushebeln. Dierdorf fürchtet, dass dann viele Waldbesitzer die Kosten für Pflege und Abholzung nicht mehr zahlen können oder wollen. Langfristig sieht er gar die Holzernte in Gefahr – eine der sichersten Einnahmequellen des Landes.
Artikel erschienen am 19.11.2006
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